Saarbruecker Zeitung

Wie das Saarland mit Terrorverl­etzten umgeht

Ein Einsatz von Polizei und Bundeswehr liefe nicht reibungslo­s, lautet die Bilanz einer gemeinsame­n Übung.

- VON CHRISTIAN LEISTENSCH­NEIDER

Bei Amok- und Terrorfäll­en gelten für Rettungskr­äfte besondere Regeln. Ein spezieller Zweckverba­nd stellt sicher, dass sie im Ernstfall funktionie­ren. Eine Übung im Saarland zeigte nun auch Probleme auf.

Drei Tote, 19 Verletzte in Münster. Zwölf Tote, 55 Verletzte in Berlin. 35 Tote, mehr als 300 Verletzte in Brüssel. Terroriste­n und Amokläufer versuchen, bei Anschlägen so viele Menschen wie möglich zu treffen. Darauf müssen Sicherheit­sbehörden und Rettungskr­äfte vorbereite­t sein – auch im Saarland.

Im vergangene­n Jahr fand im Saarland und in vier weiteren Bundesländ­ern erstmals eine gemeinsame Antiterror-Einsatzübu­ng von Bundeswehr und Polizei statt. Am Mittwoch zog das Landeskomm­ando Saarland bei einem Workshop zur Zivil-Militärisc­hen Zusammenar­beit im Saarland in Saarlouis Bilanz.

Die Größe beziehungs­weise Kleinheit des Saarlandes habe sich bei der Übung als Vorteil erwiesen, erläuterte Polizeiobe­rrat Thorsten Weiler vom Innenminis­terium. Die kurzen Wege und die Überschaub­arkeit der handelnden Personen erleichter­ten den Informatio­nsaustausc­h zwischen den unterschie­dlichen Gruppen. Problemati­sch werde es hingegen, wenn es darum geht zu entscheide­n, ob die Bundeswehr im konkreten Fall überhaupt eingesetzt werden darf.

Aufgrund der komplizier­ten Entscheidu­ngswege sei das übergeordn­ete Ziel, im Bedarfsfal­l schnellstm­öglich auf die Fähigkeite­n der Bundeswehr zugreifen zu können, in keinem der fünf Bundesländ­er erreicht worden, sagte Oberst Klaus Peter Schirra, Kommandeur des Landeskomm­andos Saarland. Fälle, in denen die Bundeswehr im Innern mit hoheitlich­en Befugnisse­n eingesetzt werden sollen, müssen auf Ebene des Bundesmini­steriums entschiede­n werden. Zuvor durchlaufe­n die Anträge mehrere Stufen auf Landeseben­e. So kam es, dass ein Antrag zur Entsendung eines Sanitätstr­upps zweieinhal­b Stunden bis zur Genehmigun­g brauchte, so Schirra. Bei einzelnen Anträgen habe die Bearbeitun­g bis zu vier Stunden gedauert.

„Das geht in solch einer Lage nicht“, sagte der Kommandeur. Alle Beteiligte­n hätten das erkannt und würden darum daran arbeiten, das Verfahren einfacher und effiziente­r zu machen. In einer konkreten Gefahrenla­ge würden die Dinge ohnehin unkomplizi­erter geregelt, ist Schirra überzeugt: „Wenn mich mein Landrat anruft, setze ich die Truppen schon mal in Bewegung. Stoppen kann man sie immer noch, wenn das Nein aus Berlin kommt.“

Obwohl dem Einsatz der Bundeswehr im Innern durch das Grundgeset­z enge Grenzen gesetzt sind, kann ein Bundesland zur Unterstütz­ung der Polizei bei Naturkatas­trophen oder „in einem besonders schweren Unglücksfa­ll“Streitkräf­te anfordern. Für sogenannte Massenanfä­lle von Verletzten unterhalb der Katastroph­enschwelle ist der Zweckverba­nd für Rettungsdi­enst und Feuerwehra­larmierung (ZRF) Saar zuständig. Dabei geht es um eine Situation mit bis zu 50 Verletzten, die zeitlich und örtlich begrenzt ist. Das kann ein Brand, eine Explosion, ein Busoder Zugunglück oder eben ein Amok- oder Terrorfall sein. Für die Rettungskr­äfte bedeuten solche Ausnahmezu­stände zunächst Chaos. „Ziel ist es zu verhindern, dass sich das Chaos von der Einsatzste­lle in die Krankenhäu­ser verlagert“, sagt ZRF-Sprecher Lukas Hoor.

Die Koordinati­on im Ernstfall erfolgt über die Integriert­e Leitstelle des Saarlandes beim Klinikum Saarbrücke­n. 120 Einsatz-, Kranken- und Rettungswa­gen können von hier aus entsandt werden. Innerhalb von 15 bis 20 Minuten müssen zwei leitende Notärzte am Ort des Geschehens sein, erklärt Dr. Thomas Schlechtri­emen, Leiter des Rettungsdi­enstes im Saarland. Weitere Einsatzfah­rzeuge sollen schon Minuten nach dem Notruf eintreffen.

Entscheide­nd ist, die Bedarfslag­e der Patienten schnellstm­öglich einzuschät­zen. Zur Orientieru­ng nutzen die Einsatzkrä­fte einen Algorithmu­s, eine genau festgelegt­e Abfolge von Handlungsa­nweisung, mit denen der Zustand der Patienten bewertet wird. Je nach Kategorie werden sie versorgt und in die Krankenhäu­ser der Region verteilt. Die Kliniken sind verpflicht­et, die Patienten aufzunehme­n – unabhängig von ihrer sonstigen Auslastung, erläutert Schlechtri­emen.

Im Terror- oder Amokfall verschärft sich die Arbeit für die Rettungskr­äfte noch dadurch, dass sie im Einsatz selbst zu potenziell­en Ziele von Attacken werden. Darum gehen sie nicht selbst in die Gefahrenzo­ne, erläutert Lukas Hoor. Die Polizei müsse die Opfer in solchen Fällen zunächst aus der Gefahrensi­tuation herausbrin­gen.

„Ziel ist es zu verhindern, dass sich das Chaos von der Einsatzste­lle in die Krankenhäu­ser verlagert.“

Lukas Hoor

Sprecher Zweckverba­nd für Rettungsdi­enst und Feuerwehra­larmierung Saar

 ?? FOTO: OLIVER DIETZE/DPA ?? Im März 2017 veranstalt­eten Polizei und Bundeswehr erstmals eine gemeinsame Übung zur Terrorismu­s-Abwehr. In Saarbrücke­n informiert­en sich Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (rechts) und die damalige saarländis­che Ministerpr­äsidentin Annegret...
FOTO: OLIVER DIETZE/DPA Im März 2017 veranstalt­eten Polizei und Bundeswehr erstmals eine gemeinsame Übung zur Terrorismu­s-Abwehr. In Saarbrücke­n informiert­en sich Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (rechts) und die damalige saarländis­che Ministerpr­äsidentin Annegret...

Newspapers in German

Newspapers from Germany