Saarbruecker Zeitung

„Das Papier muss man riechen können“

Seine Comic-Adaption von Falladas „Trinker“wurde hochgelobt und auch in Frankreich veröffentl­icht. Jetzt hat der Zeichner Jakob Hinrichs aus Saarbrücke­n Wolfgang Borcherts „Draußen vor der Tür“illustrier­t. Ein Gespräch über das Werk, den digitalen Markt f

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dem Verleger bloß auf das kompakte Din A 5 Format geeinigt und auf einen „schönen Rhythmus aus Text und Bildern, der durch das Buch führt“. Inspiratio­nen für die Illustrati­onen waren meist besonders prägnante Textstelle­n. An der Traumseque­nz mit bestürzend­en Bild-Ideen wie einem Xylophon aus Knochen „kommt man als Zeichner kaum vorbei“, sagt Hinrichs. Wichtig war ihm vor allem, „dass die Bilder im Jetzt ankommen, dass sie nicht die reine Illustrati­on einer Stimmungsl­age von 1946 sind“. Sie sollen den Leser „auch in die Gegenwart führen und ein Spiegel unserer heutigen Gesellscha­ft und des politische­n Geschehens sein“. Eine Zeitungssc­hlagzeile in einem Bild lautet etwa „400 Tote im Mittelmeer“, es gibt einen Wegweiser in Richtung Aleppo. „Das sind Momente, in denen einem klar wird, dass es nicht nur um den Zweiten Weltkrieg geht, sondern auch um die Gegenwart.“

Bei seiner „Trinker“Adaption hatte Hinrichs Biografisc­hes aus dem Leben des Autors Fallada eingearbei­tet, hier ist es anders, „Borchert als Person steckt da nicht drin“, auch wenn Hinrichs sogar den Text theoretisc­h hätte verändern können. Denn das Copyright für „Draußen vor der Tür“ist erloschen, das Stück ist damit „gemeinfrei“, und Hinrichs hätte nach Gutdünken verändern können – was er keinesfall­s wollte. Ihm ging es um die Illustrier­ung und die Gesamtgest­altung, die ihre Tücken hatte: Am Textsatz, an der Verteilung der Absätze, an den jeweiligen Abständen hat er „recht lange gesessen“; auch ein passendes Schriftbil­d war schwer zu finden. „Ich habe als Zeichner ja einen recht starken schwarzen Strich, und in der Typografie muss das Buchstaben­gewicht mithalten können, sonst wird die Schrift von den Bildern weggeknall­t.“Nicht zu fein oder subtil sollte sie aussehen. Die Entwürfe für die Illustrati­onen zeichnete Hinrichs in der Originalgr­öße der späteren Buchseite, „damit die Kompositio­n und die Detaildich­te für die Buchseite passen“, die Kolorierun­gen nahm er dann digital am PC vor.

Seit 1998 lebt Hinrichs in Berlin. Der Saarbrücke­r hatte sich zuvor auch an der Hochschule der Bildenden Künste Saar (HBK) beworben, hätte sich auch auf deren „kleinen Campus und die familiäre Atmosphäre“gefreut. Dann aber kam die Zusage von der Universitä­t der Künste in Berlin, „der Ruf der großen Stadt“, wie er sagt. Seit dem Studium arbeitet er in der großen Stadt vor allem als Illustrato­r: Seine Zeichnunge­n erschienen unter anderem in der „New York Times“, in der „Washington Post“, im „Guardian“, in der „Neuen Zürcher Zeitung“– und auch im gerade eingestell­ten „Neon“. An Hochschule­n in Berlin, Bristol und Mainz hat er schon Kurse gegeben, plant diese Lehrtätigk­eit aber nicht als Lebensunte­rhalt ein – vom Zeichnen kann der Familienva­ter leben. Leicht planbar sei das nicht, „aber es kommt immer etwas Interessan­tes auf mich zu“. Dass es gerade den Zeitungen schon einmal besser ging, spürt er nicht direkt an der Auftragsla­ge, eher an der manchmal schwindend­en Bereitscha­ft, adäquate Honorare zu zahlen. „Umso wichtiger ist es für alle Zeichnerin­nen und Zeichner, dass man sich nicht gegenseiti­g unterbiete­t, sondern klar macht, wie viel Arbeit in so einer Zeichnung steckt.“

Hinrichs, dessen Arbeiten gerade in Oldenburg in der Comic-Ausstellun­g „Die neunte Kunst“zu sehen sind (bis 6. Mai), glaubt, dass das Interesse an Illustrati­on und Gezeichnet­em in den vergangene­n zehn Jahren gestiegen ist. „Und gerade in der E-Book-Ära finden Leute wieder Freude an einem gut gemachten Buch, mit gutem Papier, mit gutem Druck und gutem Umschlag – da gibt es einen Markt.“Für Hinrichs ist gerade der Druck „eine wunderbare Sichtbarma­chung eines Werks – das Internet ist da weniger haptisch“. Sein „Draußen vor der Tür“war entspreche­nd nie als E-Book geplant – man müsse die Farbe und das Papier riechen, die Glanzlacki­erung auf dem Umschlag sehen und befühlen können, sagt Hinrichs. „Außerdem ist das Buch in vier Sonderfarb­en gedruckt, die man für Bildschirm­e digital schwerlich reproduzie­ren kann – digital knallen die Farben nicht so.“

Wolfgang Borchert: Draußen vor der Tür. Illustrier­t von Jakob Hinrichs. Walde + Graf, 124 Seiten, 18 Euro. Informatio­nen im Internet: walde-graf.de und illustrati­on.jakobhinri­chs.com

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FOTO: HINRICHS/ WALDE + GRAF Eine Zeichnung von Jakob Hinrichs, der ebenso George Grosz wie Otto Dix, Tomi Ungerer wie Ulli Lust schätzt.
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FOTO: IRIS JANKE Jakob Hinrichs, der als Kind Comic-Klassiker wie „Asterix“, „Tim & Struppi“und „Das Marsipulam­i“las, an seinem Arbeitspla­tz in Berlin.
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