Starke Hände verlängern das Leben
Eine schwache Greifkraft ist bereits ein klares Warnzeichen für einen drohenden Verlust der Selbstständigkeit im Alter.
lte Menschen wünschen sich nichts mehr, als möglichst lange selbstständig zu bleiben. „Wenn ich bei Veranstaltungen die älteren Besucher frage, was ihr kostbarstes Gut sei, dann rufen alle: Meine Selbstständigkeit!“, berichtet der Hirnforscher und Bewegungsexperte Professor Dr. Erik Scherder von der Freien Universität Amsterdam. „Für die meisten ist Abhängigkeit von anderen die Schreckensvorstellung im Alter schlechthin“, sagt er.
ANeue Gehirnzellen Selbstständig leben zu können, erfordert jedoch ein gewisses Maß an körperlicher und geistiger Fitness. Regelmäßige Bewegung ist eine unverzichtbare Voraussetzung, um Körper und Gehirn bis ins hohe Alter fit zu halten. Körperliche Aktivität steigert die Durchblutung, Sauerstoffaufnahme und Nährstoffversorgung auch des Gehirns. Neuere Ergebnisse aus der Hirnforschung belegen sogar, dass allein körperliche Bewegung dazu führt, dass bis ins hohe Alter neue Nervenzellen im Gehirn gebildet werden. Diese neuen Zellen ermöglichen ein lebenslanges Lernen und ein leistungsfähiges Gedächtnis. Wer im Alter möglichst lange selbstständig leben will, muss seinen Alltag planen können und fähig sein, im schnellen Wechsel seine Aufmerksamkeit auf verschiedene Aufgaben zu richten: Was soll es zu essen geben, was brauche ich noch aus dem Supermarkt, wann muss ich meine Pillen schlucken?
Dr. Erik Scherder Professor für Hirnforschung
Hilflos beim Essen Ohne körperliche Fitness im Alter kann man keine Einkäufe nach Hause tragen, nur mühsam Treppen steigen und kaum seinen Haushalt führen. „Fehlende Fitness führt in vielen Fällen dazu, dass ein älterer Mensch immer schlechter für sich sorgen kann“, sagt Erik Scherder. „Schwindet die Greifkraft der Hände, kann man daran sogar vorzeitig sterben. Das liegt daran, dass man Lebensmittelverpackungen, Dosen und Gläser mit Schraubverschlüssen immer schlechter öffnen kann. Und es gelingt schließlich nicht einmal mehr, die Medikamente aus der Verpackung zu holen. Alles das führt zu einer weiteren Verschlechterung des körperlichen Zustands.“
Professor Dr. Richard Bohannon von der Campbell-Universität in North Carolina, USA, hat untersucht, wie sich eine schwindende Greifkraft in den Händen im Alter auswirkt. Die Ergebnisse sind eindeutig: Eine geringe Griffstärke ist ein klarer Hinweis auf eine allgemeine körperliche Schwächung. Die Zahl der körperlichen Einschränkungen und Unfälle im Alltag steigt, Krankenhausaufenthalte häufen und verlängern sich und vor allem droht ein frühzeitiger Tod.
Auch andere Studien zeigen, dass die Greifkraft der Hand zuverlässige Rückschlüsse auf die gesamte körperliche Muskelkraft zulässt: je weniger Greifkraft desto weniger Körperkraft. Geschwächte Männer ab 80 Jahren haben bis zu sechsmal weniger Greifkraft als fitte Männer unter 30 Jahren. Und geschwächte Frauen ab 80 Jahren bis zu 3,5-mal weniger Handkraft als Frauen unter 30 Jahren.
Alte Menschen sitzen und liegen tagsüber zu viel und bewegen sich zu wenig. Immer mehr Studien zeigen, dass langes Sitzen bereits gesunden jüngeren Menschen schadet. Forscher der amerikanischen KrebsGesellschaft in Atlanta hatten 14 Jahre lang die gesundheitliche Entwicklung von 120 000 erwachsenen Amerikanern beobachtet. Männer, die täglich sechs oder mehr Stunden sitzen, haben ein um 20 Prozent höheres Risiko, früher zu sterben als Männer, die die nur bis zu drei Stunden pro Tag sitzen. Bei Frauen liegt das Risiko, früher zu sterben, um 40 Prozent höher.
Sitzen schadet der Gesundheit Es gibt allerdings keine Daten dazu, wie lange alte Menschen, die aus dem Berufsleben ausgeschieden sind, pro Tag zu Hause tatsächlich sitzen oder liegen. Die wenigen wissenschaftlichen Untersuchungen, die die nachteiligen Folgen des Sitzens und Liegens auf die Gesundheit alter Menschen ergründet haben, stammen aus Seniorenund Pflegeheimen.
Forscher der Universität Kyoto, Japan, haben aufgezeichnet, wie viele Stunden 19 Bewohnerinnen eines Heimes pro Tag zwischen 10 und 16 Uhr körperlich aktiv waren. Die älteren Frauen verbrachten 18 Prozent im Gehen, 7,5 Prozent im Stehen, 57 Prozent sitzend und 17,5 Prozent liegend. Die Wissenschaftler berichten in ihrer Studie: „Je mehr Zeit eine Frau mit Gehen und Stehen verbrachte, desto besser waren ihr Gleichgewicht und ihre körperlichen Leistungsfähigkeit, wie zum Beispiel die Gehgeschwindigkeit. Die Frauen hingegen, die am längsten saßen und lagen, hatten ein schlechteres Gleichgewicht, weniger Muskelkraft und eine mangelhafte körperliche Leistungsfähigkeit.“
Bewegungsforscher Erik Scherder erläutert: „Ein geringer Verlust von Muskelkraft oder eine geringe Zunahme des Körpergewichts, wodurch die Muskelkraft auf einmal nicht mehr ausreicht, kann entscheidend sein, ob man seine Selbstständigkeit behält oder nicht. Gerade bei älteren Menschen sind Selbstständigkeit und Pflegebedürftigkeit häufig nur durch einen schmalen Grat voneinander getrennt.“
Heilsames Sonnenlicht In Altenund Pflegeheimen verbringen die Betreuer und Pflegekräfte fast ihre ganze Zeit damit, die Bewohner zu waschen, anzuziehen und zu verpflegen. Da bleibt keine Zeit mehr, mit den alten Menschen auch noch spazieren zu gehen. Das jedoch wäre dringend erforderlich, um Gesundheit und Wohlbefinden zu fördern. Professor Dr. Eus van Someren von der Universität Amsterdam hat nachgewiesen, dass Sonnenlicht, aber auch tageslichtähnliches Kunstlicht die Qualität der Nachtruhe steigert und die kognitiven Leistungen sogar bei Demenzkranken erhöht. Auch Pflegeheim-Bewohner, die nicht mehr laufen können, profitieren von Sonnenlicht, wenn sie im Rollstuhl nach draußen geschoben werden.
Die Experten empfehlen alten Menschen, so oft wie möglich zu gehen und regelmäßig Sonnenlicht zu tanken. „Dass das Personal eines Pflegeheims den Bewohnern bei der Toilette hilft und sogar das Essen im Zimmer serviert, ist freundlich und verständlich, aber auch bedauerlich, denn damit erhöht sich das Risiko der Bewohner, ihre Selbstständigkeit zu verlieren“, sagt Erik Scherder.
Körperlichen Verfall aufhalten Wer schon in jüngeren Jahren regelmäßig körperlich aktiv ist, kann einem schnellen körperlichen Verfall und einer frühen Immobilität im Alter entgegenwirken. Dabei ist ein gewisses Maß an körperlicher Anstrengung erforderlich, um einen Trainingseffekt zu erzielen: Muskeln und Knochen brauchen genügend Reize, um zu wachsen. Selbst wenn im Alter der Körper bereits deutlich geschwächt ist, kann ein sorgfältiges Rehabilitationstraining die Fitness nochmals spürbar verbessern. „Dadurch kann eine frühe Sterblichkeit bei älteren Menschen sogar verhindert werden“, sagen Amsterdamer Forscher. Sie haben festgestellt, dass ältere Personen, die stark auf Betreuung und Pflege angewiesen sind, bei einem Krankenhausaufenthalt oft länger bleiben müssen und ein höheres Sterberisiko haben.
Aktivität schützt Senioren vor steifen Gelenken
SAARBRÜCKEN (np) Bewegungsmangel führt fast immer zu einer Bewegungseinschränkung der Gelenke. Man spricht von Kontrakturen. Sie bilden sich, wenn jemand ständig im Sessel sitzt oder oft auf der Couch oder im Bett liegt, selbst wenn er noch selbst für sich sorgen kann. In Alten- und Pflegeheimen verschlimmert sich das Problem.
Kanadische Wissenschaftler hatten in Pflegeheimen 273 Bewohner untersucht. Von diesen litten 167 (rund 60 Prozent) an mindestens einer Kontraktur. Bei 120 Personen waren die Knie betroffen. Auch die Beweglichkeit der Schultergelenke war häufig eingeschränkt.
Die Leiterin der Studie, Professorin Dr. Laura Wagner, sagt: „Kontrakturen sind eine häufige Folge längerer körperlicher Unbeweglichkeit bei Pflegeheimbewohnern. Sie sind aber vermeidbar.“Hierzu wäre ein regelmäßiges Bewegungstraining erforderlich.
Ist eine Kontraktur erst einmal entstanden, schmerzt jede Bewegung des betroffenen Gelenks, auch dann, wenn es von einem Pfleger passiv bewegt wird. Bewohner mit eingeschränkter Beweglichkeit ihrer Gelenke werden immer gebrechlicher und müssen aufwendiger versorgt und gepflegt werden. Dadurch steigen auch die Kosten.
Schmerzhafte Kontrakturen führen auch dazu, dass betroffene Menschen tagsüber viel mehr liegen, wodurch sich auch noch Druckgeschwüre bilden können. Die Studie unterstreicht die Notwendigkeit, Kontrakturen zu verhindern oder wenigsten zu minimieren.
„Die Abhängigkeit von anderen ist im Alter die Schreckensvorstellung schlechthin.“