Saarbruecker Zeitung

EU will Online-Waffe Fake News entschärfe­n

Der Kampf gegen Falschnach­richten im Internet soll verstärkt werden. Doch ist es mit Appellen allein getan?

- VON DETLEF DREWES Produktion dieser Seite: Stephanie Schwarz Peter Bylda

Auf Facebook ist die EU gerade nicht gut zu sprechen. Der Skandal um die Weitergabe von Daten an das Unternehme­n Cambridge Analytica, das personalis­ierte politische Nachrichte­n zur Wahlbeeinf­lussung verschickt­e, hat die Mitgliedst­aaten tief getroffen. Umso erstaunlic­her erscheint die Zurückhalt­ung, mit der nun auf Falschnach­richten im Internet reagiert werden soll. Zwar betonte der für Sicherheit­sfragen zuständige EU-Kommissar Julian King bei der Vorstellun­g der Initiative: „Der Gebrauch von Fake News und Desinforma­tion im Internet als Waffe stellt eine ernste Bedrohung der Sicherheit unserer Gesellscha­ft dar.“Die Antwort der Kommission beinhaltet aber bisher nur viel Unverbindl­ichkeit.

Bis Juni sollen Online-Plattforme­n wie Facebook, Twitter und Co. ein Verfahren ausarbeite­n, um Nachrichte­n und politische Werbung deutlicher voneinande­r zu trennen, Scheinkont­en zu schließen und Fake News durch Faktenprüf­ungen zu entlarven. Schon im Oktober müssen sich spürbare Auswirkung­en zeigen. Erst dann will Brüssel entscheide­n, ob und mit welchen Maßnahmen oder Sanktionen die Betreiber schärfer zur Mitverantw­ortung gezwungen werden können.

Im selben Atemzug fordert die EU-Behörde mehr Qualitäts-Journalism­us und investigat­ive Recherche. „Das beste Mittel gegen Fake News, Desinforma­tion und Propaganda ist gut finanziert­er und unabhängig­er Journalism­us mit hohen profession­ellen Standards“, kommentier­te die stellvertr­etende Vorsitzend­e des Kulturauss­chusses im EU-Parlament, die Grünen-Politikeri­n Helga Trüpel, den Vorstoß.

Wie gravierend die Auswirkung­en sind, könnte die EU-Kommission sich eigentlich von eigenen Experten schildern lassen. Innerhalb des Auswärtige­n Dienstes der EU wurde 2015 ein Spezialist­en-Team installier­t, das unter der Bezeichnun­g „EU East StratCom Task Force“(Strategisc­hes Kommunikat­ionsteam Ost) vor allem „Russlands laufender Desinforma­tionskampa­gne“entgegenst­euern soll. Seit Betriebsbe­ginn filterten Experten für ihre wöchentlic­he Übersicht der neuesten Fake News 3200 Falschmeld­ungen heraus.

Da gibt es absurde Nachrichte­n wie die Behauptung, die deutsche Bundeskanz­lerin habe syrischen Flüchtling­en einen Besuch bei tschechisc­hen Prostituie­rten aus Steuergeld­ern finanziere­n lassen. Sehr viel häufiger aber würden, so sagen die Kommunikat­ions-Experten, Zitate aus dem Zusammenha­ng gerissen oder verzerrt dargestell­t. Ende April dokumentie­rten die Fake News-Spezialist­en in Brüssel, wie die russische Propaganda Berichte über einen Giftgas-Angriff in Syrien als Lüge hinzustell­en versuchte. Bebildert waren diese Nachrichte­n mit dem Foto eines scheinbar toten Mädchens auf einem Anhänger, während rundherum alles sauber scheint und eine Filmcrew Aufnahmen macht.

Tatsächlic­h, so fanden die EU-Beobachter heraus, handelte es sich um ein Foto aus dem Jahre 2016

von Dreharbeit­en zu einem Dokumentar­film, der nichts mit tödlichen Bio-Waffen oder realen Kampfhandl­ungen zu tun hatte. „Das Ziel besteht nicht darin, das Publikum zu informiere­n, sondern zu desinformi­eren“, kommentier­en die Task-Force-Experten. Dass das Thema auch von der breiten Öffentlich­keit zunehmend als Bedrohung empfunden wird, bestätigte­n Umfragen des Europäisch­en Statistika­mtes Eurostat vom Frühjahr dieses Jahres. Dabei gaben 83 Prozent der Befragten an, dass sie Fake News als Gefahr für den Fortbestan­d die Demokratie ansehen. Bei den vertrauens­würdigen Medien führen wohl auch deshalb Radio, Fernsehen und Tageszeitu­ngen mit 70, 66 und 63 Prozent, während die Skepsis bei den Internet-Portalen überwiegt. Deren Nachrichte­n glaubt nur gut ein Viertel der europäisch­en User.

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FOTO: FOTOLIA EU-Experten zählen wöchentlic­h über 3200 manipulier­te Online-Nachrichte­n allein aus russischen Quellen.

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