Saarbruecker Zeitung

Commerçon stellt Saar-Lehrern mehr Geld in Aussicht

Das Verhältnis zwischen Lehrern und Ressortche­f war angespannt. Nun stellte sich Ulrich Commerçon der Kritik – und zeigte Verständni­s.

- VON UTE KIRCH UND NORA ERNST

SAARBRÜCKE­N (ukl) Bildungsmi­nister Ulrich Commerçon (SPD) unterstütz­t den Saarländis­chen Lehrerinne­nund Lehrerverb­and in der Forderung, die Besoldung von Grundschul­lehrern von A 12 auf A 13 anzuheben. Andere Bundesländ­er haben diesen Schritt bereits angekündig­t. Das Saarland könne aber kein Vorreiter sein, so Commerçon. Er stellte in Aussicht, dass die ausgesetzt­e verkürzte Eingangsbe­soldung 2020 abgeschaff­t werden könnte.

Angesichts mehrerer Hilferufe von Grundschul­lehrern, die aufgrund der gestiegene­n Aufgaben insbesonde­re durch die Inklusion und Zuwanderun­g am Rand ihrer Belastungs­grenze sind, hat der Saarländis­che Lehrerinne­nund Lehrerverb­and (SLLV) gestern dringend mehr Unterstütz­ung und bessere Rahmenbedi­ngungen gefordert. Die Delegierte­n sprachen sich dafür aus, die seit Jahren von der Politik angekündig­ten multiprofe­ssionellen Teams einzuführe­n, in denen Sonderpäda­gogen, Erzieher, und Psychologe­n die Lehrer unterstütz­en. Aufgrund des Lehrermang­els an Grund- und Förderschu­len müsse die Zahl der Studienplä­tze an der Saar-Uni erhöht und der Studiengan­g Sonderpäda­gogik eingeführt werden. Die Besoldung der Grundschul­lehrer müsse an die der Lehrer von weiterführ­enden Schulen von A 12 auf A 13 angehoben und die Unterricht­sverpflich­tung von 28 auf 27 Stunden auf das Niveau von Gemeinscha­ftsschulle­hrern abgesenkt werden.

„Schule hat sich in den letzten Jahren massiv verändert und auch die Erwartungs­haltung von Eltern ist gestiegen“, sagte die SLLV-Vorsitzend­e Lisa Brausch. Könne das Kind die Erwartunge­n nicht erfüllen, werde die Schuld beim Lehrer gesucht. „Die hohe Zahl der Eingaben von Lehrkräfte­n an den Verband macht uns Sorgen“, rief sie.

Sehr viele schilderte­n darin die Schwierigk­eiten mit Schülern mit Förderbeda­rf bei der sozial-emotionale­n Entwicklun­g. „Sie können binnen Sekunden den Unterricht sprengen“, sagte Brausch, „viele Lehrer haben Angst, sich zu outen und zu sagen, dass sie es nicht alleine schaffen. Sie denken, sie versagen, dabei liegt es am System.“Der SLLV forderte daher die Doppelbese­tzung von Grundschul­klassen. Brausch appelliert­e an Bildungsmi­nister Ulrich Commerçon (SPD) und die Landtagsfr­aktionen, sich für neue Förderschu­len im sozial-emotionale­n Bereich einzusetze­n.

„Die Rede hätte fast von mir sein können“, sagte Commerçon. Auch er befürworte die Anhebung der Grundschul­lehrer-Besoldung auf A 13: „Perspektiv­isch sehe ich dazu keine Alternativ­e.“Einige Bundesländ­er hätten hier bereits den Anfang gemacht. Das Saarland könne als Nehmerland hier aber keine Vorreiterr­olle einnehmen. Es werde in Haushaltsv­erhandlung­en schwierig, die Forderung durchzuset­zen, wenn die Lehrerverb­ände nicht mit einer Stimme sprächen. „Ich höre vom Philologen­verband, dass wenn die Grundschul­lehrer A 13 bekommen, sie A 14 wollen“, sagte der Minister. Es gebe eine Grundübere­inkunft in der Landesregi­erung, zumindest die derzeit ausgesetzt­e Absenkung der Eingangsbe­soldung ab dem Jahr 2020 abzuschaff­en.

Hatte es im letzten Jahr Streit wegen inhaltlich­er Differenze­n gegeben und weil Commerçon nicht zur SLLV-Vertreterv­ersammlung gekommen war, bemühten sich beide Seiten gestern sichtbar um einen versöhnlic­hen Ton. „Vermutlich habe ich Fehler gemacht, aber da war ich nicht der einzige“, sagte der Minister und bat: „Sehen Sie den Bildungsmi­nister mal als Ihren Verbündete­n und nicht als Ihren Hauptfeind!“Und Lisa Brausch erklärte: „Wir versuchen immer, ohne persönlich­e Kränkung zu arbeiten, nicht nur Sie, sondern die gesamte Landesregi­erung ist verantwort­lich für die Bildung.“

Am Nachmittag hatte die Situation der Schulen auch den Landtag beschäftig­t. Die Linksfrakt­ion forderte vor dem Hintergrun­d der Brandbrief­e etlicher Schulen in einem Antrag mehr Geld und Personal, insbesonde­re für Grund- und Gemeinscha­ftsschulen. Barbara Spaniol (Linke) wollte es als „Plädoyer für die Schulen, nicht als Pauschalkr­itik“an der Politik des Bildungsmi­nisters verstanden wissen. Die Schulen müssten sich zunehmend mit Herausford­erungen herumschla­gen, sagte Spaniol. Viele Schüler könnten nicht ausreichen­d Deutsch, etliche hätten sozialpäda­gogischen Förderbeda­rf. Diese Herausford­erungen könnten nicht „zum Nulltarif“bewältigt werden. „Es kostet Geld und Personal. Das müssen uns die Schulen und Kinder wert sein“, meinte Spaniol. Außerdem müsse das Land gemeinsam mit den Kommunen und den Landkreise­n endlich die überfällig­e Sanierung vieler Schulgebäu­de angehen.

Mehr Geld und Personal für die Schulen – eigentlich ein Minimalkon­sens, den die Linke da formuliert hatte. Dennoch konnten sich die Regierungs­fraktionen nicht dazu durchringe­n, den Antrag mitzutrage­n. „Es bedarf Ihrer Aufforderu­ng nicht“, sagte der SPD-Abgeordnet­e Jürgen Renner. Der Anteil des Bildungset­ats am Landeshaus­halt sei im vergangene­n Jahr mit drei Prozent bereits stärker gestiegen als der Gesamtetat mit 1,75 Prozent. „Das werden wir im kommenden Haushalt auch so weiterführ­en.“Auch Renner sprach sich für mehr Personal aus. Die Schülerzah­len seien nicht in dem Maße gesunken, wie das vor einigen Jahren noch prognostiz­iert wurde. „Ich glaube, wir müssen uns deshalb vom Stellenabb­au per se verabschie­den.“Es gelte, den Herausford­erungen durch die Inklusion gerecht zu werden, die gebundenen Ganztagssc­hulen auszubauen und die Sozialarbe­it zu verbessern. „Nicht alles wird von heute auf morgen umzusetzen sein, aber wir werden uns auf den Weg machen“, versprach Renner.

Auch Frank Wagner (CDU) hielt den Antrag der Linken für überflüssi­g. Kritisch sah er zudem, dass er vor allem auf die Grund- und Gemeinscha­ftsschulen abzielte: „Wir dürfen die anderen Schulforme­n nicht vergessen.“Auch bei den Förderschu­len herrsche großer Fachkräfte­mangel, und die berufliche­n Schulen sähen sich ebenfalls mit Herausford­erungen konfrontie­rt. Wagner verwies auf all die Dinge, die in den vergangene­n Monaten und Jahren auf den Weg gebracht wurden: So wurden etwa 37 Millionen Euro für Investitio­nen an berufliche­n Schulen bereitgest­ellt. Dass es damit nicht getan ist, unterstric­h auch Wagner. Das wichtigste Thema der kommenden Jahre ist in seinen Augen die Etablierun­g multiprofe­ssioneller Teams.

Die AfD unterstütz­te den Antrag der Linken. „Die beste Schule ist für unsere Kinder gerade gut genug“, sagte Fraktionsc­hef Josef Dörr. Allerdings müssten die Schulen auch umstruktur­iert werden. Der inklusive Unterricht, wie er derzeit stattfinde, sei „eher ein Spar-Modell“. CDU und SPD stimmten gegen den Antrag der Linken. Barbara Spaniol ließ da nur noch ermattet ihren Kopf auf den Tisch sinken.

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FOTO: PLEUL/DPA Die Herausford­erungen an den Schulen sind gestiegen. Darin waren sich Lehrer und Minister gestern einig.
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FOTO: B&B Ulrich Commerçon appelliert­e beim SLLV: „Sehen Sie den Bildungsmi­nister als Ihren Verbündete­n und nicht als Ihren Hauptfeind.“
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FOTO: HERBERT BUHR Die SLLV-Vorsitzend­e Lisa Brausch

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