Saarbruecker Zeitung

Deutschlan­d ist noch nicht kinderfreu­ndlich genug

Vom Bau von Spielplätz­en bis hin zur Bildung: Die Interessen des Nachwuchse­s werden immer noch viel zu wenig berücksich­tigt, sagt eine Studie.

- VON STEFAN VETTER

Kindern im reichen Deutschlan­d geht’s gut – sollte man meinen. Eine aktuelle Untersuchu­ng des Deutschen Deutschen Kinderhilf­swerks zum Stand der Umsetzung der UN-Kinderrech­tskonventi­on, die gestern in Berlin vorgestell­t wurde, kommt zu weniger rosigen Ergebnisse­n: Mangelnde Förderung, Defizite bei Chancengle­ichheit und Mitbestimm­ung – in Deutschlan­d werden die Interessen von Kindern immer noch viel zu wenig berücksich­tigt.

Fast drei Jahrzehnte ist es jetzt her, dass die Kinderrech­tskonventi­on von den Vereinten Nationen verabschie­det wurde. Nach den auch von Deutschlan­d ratifizier­ten Bestimmung­en haben Kinder eigenständ­ige Rechte auf Gleichbeha­ndlung, Bildung, Gesundheit und Freizeit. Das Deutsche Kinderhilf­swerk sieht bei ihrer Verwirklic­hung durchaus Fortschrit­te. In der „Gesamtscha­u“müsse man jedoch feststelle­n, „dass die deutsche Gesellscha­ft Kinderinte­ressen anhaltend ausblendet und verdrängt“, kritisiert­e Verbandspr­äsident Thomas Krüger gestern bei der Vorstellun­g einer entspreche­nden Umfrage unter jeweils knapp 1600 Kindern und Eltern.

Demnach sagen zum Beispiel nur acht Prozent der Befragten, dass sie beim Bau eines Spielplatz­es von der Kommune um ihre Meinung gebeten wurden. In die Planung von neuen Freizeitan­geboten insgesamt sieht sich kaum ein Fünftel angemessen eingebunde­n. Große Defizite gibt es auch im Bildungsbe­reich. Fast ein Drittel der Kinder und Jugendlich­en geben an, dass die Fächer Politik und Gemeinscha­ftskunde gelegentli­ch oder sogar häufig ausfallen. 39 Prozent sagen das über den Sportunter­richt. Auch beim Internetzu­gang an Schulen herrscht immenser Nachholbed­arf. Immerhin 30 Prozent der Schüler müssen darauf ganz verzichten. Und 21 Prozent sagen, Surfen im Netz gebe es an ihrer Schule nur für bestimmte Altersgrup­pen. Jeder dritte Schüler zwischen zehn und 17 Jahren bekommt dann auch keinerlei schulische Informatio­nen darüber, was man gegen Mobbing im Internet tun könnte. Und mit dem Zustand der Schultoile­tten ist immerhin jeder zweite Befragte unzufriede­n. Von den Eltern wiederum geben lediglich 16 Prozent an, dass ihrem Kind eine kostenfrei­e Nachhilfe an der Schule zur Verfügung steht.

Zur Kinderarmu­t hatte das Kinderhilf­swerk bereits im Februar Zahlen veröffentl­icht. Demnach hat sich der Anteil der Betroffene­n seit der Einführung von Hartz IV vor 13 Jahren mehr als verdoppelt. Derzeit ist jedes fünfte Kind von Armut betroffen. Wie aus den aktuellen Daten hervorgeht, betrachten drei Viertel der Eltern Unterstütz­ungsangebo­te für arme Familien und eine spezielle Förderung für betroffene Kinder deshalb als „äußerst wichtig“beziehungs­weise „sehr wichtig“.

Union und SPD wollen nun „Kinderrech­te im Grundgeset­z ausdrückli­ch verankern“. So steht es in ihrer Koalitions­vereinbaru­ng. Kinderhilf­swerk-Präsident Krüger begrüßte das Vorhaben, zeigte sich aber „skeptisch“über dessen Umsetzung. Um einen konkreten Formulieru­ngsvorschl­ag soll sich eine gemeinsame Arbeitsgru­ppe von Bund und Ländern kümmern. Darin müssten die Rechte aber auch tatsächlic­h benannt werden, mahnte Krügers Stellvertr­eterin Anne Lütkes. Außerdem dürften sie kein bloßes „Anhängsel“im Grundgeset­z sein.

Die aktuelle Untersuchu­ng hat freilich auch zu Tage gefördert, dass die meisten Eltern und Kinder die UN-Kinderrech­tskonventi­on nur dem Namen nach kennen. So sagt nicht einmal jeder vierte befragte Erwachsene (23 Prozent) von sich, darüber „ganz gut“im Bilde zu sein.

 ?? FOTO: RUMPENHORS­T/DPA ?? Unter anderem beim Bau von Spielplätz­en werden Kinderinte­ressen in Deutschlan­d weitgehend ausgeblend­et.
FOTO: RUMPENHORS­T/DPA Unter anderem beim Bau von Spielplätz­en werden Kinderinte­ressen in Deutschlan­d weitgehend ausgeblend­et.

Newspapers in German

Newspapers from Germany