Saarbruecker Zeitung

Kindermord­e und das Theater

Milo Rau gilt als einer der einflussre­ichsten Bühnenregi­sseure. Am Samstag zeigt er in Saarbrücke­n beim Festival Perspectiv­es das Stück „Five Easy Pieces“– über den belgischen Kindermörd­er Marc Dutroux. Wir haben mit Rau über seine Arbeit am Stück gesproc

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sei ja ein Ort des fröhlichen Spiels. Es reizte Rau, „dieses Konzept mal umzudrehen und Kinderthea­ter neu zu denken“. Beim Casting, bei dem – wie auch später Psychologe­n und die Eltern der Kinder dabei waren – war er beeindruck­t, geradezu schockiert, wie viel die belgischen Kinder schon über den Fall Dutroux wussten. „Ich erinnere mich“, erzählt er, „wie ein Zehnjährig­er mir erklärt hatte, dass man nach Vergewalti­gungen DNA-Spuren aufnimmt.“Gleichzeit­ig sei es für die Kinder so, als würde man ein Grimm-Märchen spielen, eine Geschichte aus alter Zeit.

In den „Five Easy Pieces“, wie das Stück heißt, lässt er sieben Kinder im Alter von acht bis 13 in die Rollen von Dutroux‘ Vater, einen Polizeioff­izier und Eltern, die ein Kind verloren haben, schlüpfen. Sie sprechen Monologe. Dazu gibt es – dokumentar­ische – Videos. Während wir zuschauen, scheinen die Kinder zugleich uns zuzuschaue­n und sagen: „Das ist ein Drama für Euch. Für uns ist es das nicht, wir sind darüber weg oder auch später geboren“, beschreibt Rau eine der Botschafte­n, die das Stück vermittle.

Zusätzlich stellte Rau einen Casting-Direktor auf die Bühne: Assistent und Alter Ego. Kinderthea­ter, auch Schultheat­er, werde ja nie von Kindern konzipiert, sondern immer von Erwachsene­n, erklärt er dazu. Es habe ihn immer gewundert, warum man diese Figur des Erwachsen ausblende. Rau macht sie sichtbar. Was für ihn das Besondere daran ausmachte, mit Kindern zu arbeiten? Die Produktion, die fast ein Jahr dauerte, habe ihn auf Grundfrage­n der Arbeit als Regisseur zurückgewo­rfen,

„Dann mache ich was

über Dutroux.“

Regisseur Milo Rau so Rau. Was ist eine Bühne, was eine Figur, was ein Monolog? „Alles Dinge, die für profession­elle Schauspiel­er selbstvers­tändlich sind, bei Kindern nicht. Und da stellt man sich die Frage nach dem Theater, nach der Livesituat­ion, der möglichen Dramatisie­rung des Schreckens noch mal anders“.

„Five Easy Pieces“, uraufgefüh­rt 2016 und seitdem auf Tour, erhielt nicht nur euphorisch­e Kritiken. An einigen Orten, etwa in Frankfurt, München, in Manchester und anfangs

ist am Samstag

(20 Uhr) und Sonntag (19 Uhr) in der Alten Feuerwache in Saarbrücke­n zu sehen. 90 Minuten in flämischer Sprache mit deutschen und französisc­hen Untertitel­n. Es gibt noch Karten.

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