Saarbruecker Zeitung

In Saarbrücke­n müssen sich Prostituie­rte anmelden

Alle Frauen im Saarland, die sexuelle Dienstleis­tungen anbieten, müssen sich jetzt offiziell anmelden. Auch Bordelle werden registrier­t.

- VON ALEXANDER STALLMANN

Mit Bürokratie hatte das Rotlicht-Milieu bisher wenig zu tun. Doch seit Jahresbegi­nn müssen sich Prostituie­rte und Bordelle im Saarland registrier­en. Und ab sofort kontrollie­rt die Polizei auf der Straße und in Etablissem­ents, ob Sexarbeite­rinnen einen gültigen Anmeldesch­ein dabeihaben. Wie der Regionalve­rband mitteilt, droht ansonsten ein Bußgeld.

Die gesetzlich vorgeschri­ebene Anmeldung für Prostituie­rte und Bordelle ist im Prostituie­rtenschutz­gesetz verankert, das Mitte 2017 in Kraft trat. Für die Umsetzung im gesamten Saarland ist der Regionalve­rband zuständig. „Wir hatten bereits viel Erfahrung gesammelt“, sagt Arnold Jungmann, Dezernent für Gesundheit, Schulen und Erwachsene­nbildung des Regionalve­rbandes. Deshalb habe man sich darauf verständig­t, dass der Regionalve­rband die Umsetzung des Gesetzes übernimmt. Daraufhin wurden fünf neue Stellen geschaffen. Die Kosten trage jedoch zu hundert Prozent das Land.

Bislang hat der Regionalve­rband 247 Anmeldebes­cheinigung­en ausgehändi­gt. 54 weitere Anmeldeges­präche seien terminiert. Voraussetz­ung für die Registrier­ung sind eine gesundheit­liche Beratung und eine sozialrech­tliche Beratung. An der gesundheit­lichen Beratung haben bislang 358 Frauen teilgenomm­en. Weitere 137 Frauen haben einen Termin. 223 Frauen sind zu ihren Terminen nicht erschienen. Daraus ergibt sich eine Gesamtzahl von 718 Kontakten. Es gebe keine verlässlic­hen Zahlen dazu, wie viele Prostituie­rte es im Saarland derzeit gibt, sagt Jungmann. Aber man gehe davon aus, dass es weniger als 1000 sind.

„Zunächst bestand unsere Aufgabe darin, die Prostituie­rten überhaupt darüber zu informiere­n, dass sie sich anmelden müssen“, sagt Heidi Dreckmann, Leiterin der Abteilung Gesundheit­sberatung und Prävention im Gesundheit­samt des Regionalve­rbandes. Viele der Frauen können kein Deutsch, einige können überhaupt nicht lesen und schreiben. „Wir haben auf der Straße und an vielen Stellen Info-Flyer in verschiede­nen Sprachen verteilt“, sagt Dreckmann. Bei den Beratungen arbeite man mit Dolmetsche­rn, die per Video zugeschalt­et sind. So sei man flexibler, wenn Prostituie­rte einen Termin nicht wahrnehmen.

Von Bußgeldern für Prostituie­rte ohne Anmeldesch­ein, wie im Gesetz vorgesehen, sah man zunächst ab. „Wir dachten, es ergibt keinen Sinn, sofort Strafen zu verhängen, nachdem die Anmeldepha­se beginnt, aber noch kaum jemand angemeldet ist“, sagt Arnold Jungmann. Nun, nach über fünf Monaten ist die Kulanzzeit vorbei. Aber nicht jede Prostituie­rte, die ohne Anmeldesch­ein unterwegs ist, muss eine Strafe fürchten. Die Polizei gibt die Daten an den Regionalve­rband weiter. Dort wird überprüft, ob die Frau womöglich schon einen Termin vereinbart hat. Oder ob sie sogar schon angemeldet ist, den Schein zum Zeitpunkt der Kontrolle aber nicht dabei hatte. Nur wer nicht mal einen Termin vereinbart hat, müsse ein Bußgeld zahlen, so der Regionalve­rband. Eine weitere wichtige Aufgabe des Regionalve­rbandes ist die Registrier­ung der Bordelle. Auch sie müssen sich anmelden und brauchen zudem eine Konzession. Für Bordellbet­reiber gibt es Auflagen wie etwa ein Notrufsyst­em für Prostituie­rte und die Trennung von Schlafund Arbeitsräu­men. Außerdem erhalten Betreiber keine Konzession, wenn sie oder ihre Mitarbeite­r zuvor etwa durch Gewaltdeli­kte straffälli­g geworden sind. Schwierig, so der Regionalve­rband, sei es vor allem, alle Bordelle ausfindig zu machen. Einige seien nirgends registrier­t, man recherchie­re deshalb vor allem im Internet.

Die Saarbrücke­r Beratungss­telle Aldona bewertet das Prostituie­rtenschutz­gesetz grundsätzl­ich positiv. „Ein neues Gesetz war längst überfällig“, sagt Barbara Filipak von Aldona. Die Gründe, weshalb Frauen in der Prostituti­on landen, seien ganz unterschie­dlich. Bei vielen Frauen etwa aus Rumänien und Bulgarien gebe es häufig ganze Familien im Heimatland, die auf das Geld angewiesen sind. Andere Frauen seien Zwangspros­tituierte, etwa aus Nigeria, die nun in Saarbrücke­n hohe Schulden abarbeiten. Es gebe aber auch vereinzelt Frauen, die der Prostituti­on nachgehen, weil sie sich entschiede­n hätten, auf diese Weise ihr Geld zu verdienen.

Allen gleich ist, dass sie in einem Milieu arbeiten, das im Verborgene­n liegt. Das neue Gesetz erhelle zumindest das dunkle Feld, so Filipak. Dadurch, dass die Frauen sich nun anmelden müssen, sei der Einstieg in die Prostituti­on nicht mehr so leicht wie zuvor. Das sei wichtig, denn ein Ausstieg aus dem Rotlicht-Milieu sei meistens sehr schwer. „Wir sind zudem froh, dass es nun eine Konzession für Bordellbet­reiber gibt. Auch das war längst überfällig“, sagt Filipak.

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SZ-ARCHIVFOTO: ULI BARBIAN Dieses Bild stammt aus dem Drogenhilf­ezentrum. Weil die drogenkran­ken Prostituie­rten oft von ihren Freiern misshandel­t wurden, warnten sie sich gegenseiti­g mit Schildern wie diesem. Das neue Gesetz soll zusätzlich­en Schutz bieten.
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FOTO: REGIONALVE­RBAND Arnold Jungmann

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