Saarbruecker Zeitung

Bamf-Skandal weitet sich aus

Ist Bremen ein Einzelfall? Bundesbehö­rde will tausende Asylbesche­ide überprüfen lassen.

- VON BASIL WEGENER Produktion dieser Seite: Frauke Scholl, Fatima Abbas Christian Leistensch­neider

(dpa) Die Affäre um unzulässig­e Schutzbesc­heide für Asylbewerb­er zieht immer weitere Kreise. Im Fokus steht zwar die Bremer Außenstell­e des Bundesamts für Migration und Flüchtling­e (Bamf). Einen Monat nach Bekanntwer­den der Affäre werden die Überprüfun­gen aber ausgeweite­t. Und es tauchen immer mehr Fragen auf. Ein Überblick.

Was ist in Bremen passiert?

Unter ihrer damaligen Leiterin soll die Bremer Bamf-Stelle zwischen 2013 und 2016 mindestens rund 1200 Menschen Asyl gewährt haben, ohne die Voraussetz­ungen ausreichen­d zu prüfen. Die Bremer Staatsanwa­ltschaft ermittelt gegen sie und fünf weitere Beschuldig­te – darunter Anwälte – wegen Bestechlic­hkeit und bandenmäßi­ger Verleitung zur missbräuch­lichen Asylantrag­stellung.

Wie kamen das Bamf und die Ermittler den Vorgängen auf die Spur?

Erste Hinweise soll es beim Bamf schon 2014 gegeben haben. 2016 erhielt die Ombudspers­on des Bundesinne­nministeri­ums einen anonymen Hinweis. Zunächst sollen es nur 26 Verdachtsf­älle gewesen sein. Es kam zu einem Disziplina­rverfahren gegen die Außenstell­enleiterin, sie musste ihren Posten räumen, das Bamf stellte Strafanzei­ge. Tausende Asylverfah­ren, bei denen zwei verdächtig­e Anwaltskan­zleien involviert waren, wurden überprüft. Auch als die Leiterin von ihrer Funktion entbunden wurde, blieb sie mit anderen Aufgaben in Bremen. Als Grund nannte Bamf-Präsidenti­n Jutta Cordt im Bundestags­innenaussc­huss deren schwerbehi­ndertes Kind.

Wie wurden die fraglichen Asylbesche­ide erstellt?

Vielfach sollen die Antragstel­ler im Eiltempo durchs Asylverfah­ren geschleust worden sein. Dokumente wurden laut Cordts Aussage nicht oder erst nach dem Bescheid überprüft. Die Bremer Leiterin soll laut „Spiegel“Verfahren der involviert­en Anwälte massenhaft vorgezogen haben. Asylbewerb­er sollen an Anwälte zum Beispiel 1000 Euro gezahlt haben.

War Bremen ein Einzelfall?

Nach bisherigen Erkenntnis­sen in diesem Ausmaß schon. 18 000 Bremer Entscheidu­ngen sollen in den nächsten drei Monaten überprüft werden. Inzwischen durchleuch­tet die Bundesbehö­rde aber auch zehn weitere Außenstell­en: In Stichprobe­n sollen 8500 Fälle aus dem Jahr 2017 überprüft werden.

Bamf-Präsidenti­n Cordt wies auf die „Ausnahmesi­tuation“ihrer Behörde hin, die wegen des massiven Flüchtling­szuzugs 2015 rasch von knapp 2000 auf 10 000 Mitarbeite­r anwuchs. Vieles lag auch an der Bamf-Organisati­on – so werden Verfahren von einer in andere Außenstell­en zur Bearbeitun­g übertragen. Wie das Bamf mit den Bremer Vorgängen umging, ist nicht ganz aufgeklärt.

Was wusste die Spitze des Innenminis­teriums von den Vorgängen?

Innenstaat­ssekretär Stephan Mayer (CSU) sagte im Innenaussc­huss: „Ich gehe davon aus, nach meinem Kenntnisst­and, dass die Hausleitun­g, auch die damalige Hausleitun­g, von den Vorgängen in Bremen keine Kenntnis erlangt hat.“Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) soll erst im Zuge der Ermittlung­en am 19. April davon erfahren haben.

Wie geht es nun weiter?

Die Staatsanwa­ltschaft ermittelt. Neben den internen Bamf-Prüfungen der Bremer Bescheide sowie in den zehn weiteren Außenstell­en geht auch der Bundesrech­nungshof den Vorgängen nach. Seehofer kündigte am späten Montagaben­d an, er werde gegebenenf­alls auch personelle Konsequenz­en ziehen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany