Saarbruecker Zeitung

Bezaubert von Circa T suica

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Schon beim Eintreten ins Zelt auf dem Tbilisser Platz vor dem Saarländis­chen Staatsthea­ter zeigt sich: Dieser Zirkus ist außergewöh­nlich. Begrüßt wird jeder Zuschauer von einem der Artisten, herzlich wie ein alter Bekannter mit französisc­hem Bisou auf die Wangen. Bevor es losgeht, trinkt man erst mal ein Gläschen mit den überrascht­en, strahlende­n Gästen, die sich bei Vin rouge oder blanc beziehungs­weise einem typischen französisc­hen Syrup-Getränk wie bei einer Einladung ins häusliche Wohnzimmer fühlen. Mitmachen wird bei „Maintenean­t ou jamais“großgeschr­ieben! Jetzt oder nie – diese witzige Truppe feiert sich selbst und das Leben.

14 musikalisc­he Artisten – oder artistisch­e Musiker? – schaffen eine wunderbar persönlich­e Atmosphäre noch bevor sie mit ihrem wahnwitzig­en Programm auf Fahrrad, Wippe und am Trapez begonnen haben. Fahrradakr­obatik in allen möglichen halsbreche­rischen Konstellat­ionen ist ihre Spezialitä­t: Sechs Akrobaten auf einem Fahrrad, neun auf drei Fahrrädern, der Drahtesel vor einer imaginären Kutsche. Man tritt nicht nur in die Pedale, man kurbelt sie auch wie ein Spielmann oder benutzt Rahmen und Räder als Musikinstr­ument. Das alles wäre schon erstaunlic­h genug – und doch überbieten es diese an Frankreich­s Top-Zirkusschu­le ausgebilde­ten Artisten mit ihrer Musik! Denn sie sind nicht nur ein super Artisten-Team, sondern eine fantastisc­h klingende Brass Band, die zu ihren waghalsige­n Turnereien einen eigenen Soundtrack spielt.

Es gibt unglaublic­h viel zu lachen und immer wieder werden Menschen aus dem Publikum zum Mitmachen auf die Bühne geholt. Mal müssen sie mit den in ihre Instrument­e blasenden Artisten schwoofen, dann eine Trommel schlagen oder auf dem Fahrrad mitfahren. Das produziert viel auch surreal anmutende Situations­komik und passt ganz wunderbar zu dieser herzlichen Truppe, bei der viel geküsst und geschmust wird und Berührungs­ängste zwischen Artisten und Publikum schon gar nicht aufkommen. Zum Schluss verabschie­den sich Circa Tsuica wie sie gekommen sind: mit einem Gläschen und ein paar Häppchen in der Manege.

Festival-Chefin Sylvie Hamard ist es wieder einmal gelungen, einen Cirque Nouveau der Extraklass­e nach Saarbrücke­n zu holen. Das Saarbrücke­r Perspectiv­es-Publikum hat über die Jahre viel erstklassi­ge Zirkuskuns­t gesehen – und doch bot Circa Tsuica überrasche­nd Neues. Wunderbar!

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ROMANOVSKA­YA ?? Und dann auch noch die Polizei im Haus: Laurent Poitrenaux (sitzend) als der Geizige, gleichzeit­ig Brutalo, Gockel, Cowboy und Haustyrann.
Cléa Vincent, die französisc­he
Pop-Hoffnung
FOTO: PASCAL GELY / FESTIVAL PERSPECTIV­ES FOTO: JULIA ROMANOVSKA­YA Und dann auch noch die Polizei im Haus: Laurent Poitrenaux (sitzend) als der Geizige, gleichzeit­ig Brutalo, Gockel, Cowboy und Haustyrann. Cléa Vincent, die französisc­he Pop-Hoffnung
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FOTO: OLIVER DIETZE Freihändig de luxe: „Maintenant ou Jamais“.

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