In der Kirche lachen, essen, debattieren
Besondere Konzerte, viel Kunst und Meditation gab es in Saarbrücken in der Nacht der Kirchen.
Darf man in der Kirche lachen? „Ja, man darf!“beantwortete Organist Jörg Abbing die Frage, die er zuvor selbst gestellt hatte. Man darf das Lachen sogar aktiv hervorkitzeln: Zur Nacht der Kirchen an Pfingstsonntag zeigte Abbing in der St. Arnualer Stiftskirche alte Slapstick-Kurzfilme und improvisierte dazu live vom Flügel aus.
Punkt 20 Uhr wurden die Besucher von festlichem Glockengeläut empfangen; anfangs tröpfelte das Publikum noch etwas zögerlich, einige mochten vielleicht erst das Ende des Schauers abwarten, bevor sie sich auf den Weg machten.
Und derweil draußen wieder die Abendsonne hervorkroch und sich ein Regenbogen spannte, hüllte sich das ohnehin düstere Innere des altehrwürdigen Gemäuers noch mehr in Finsternis als sonst – keine Lampe erhellte den Raum, keine Kerze brannte. Nur eine Leinwand vorm Altarraum flimmerte, rechts davon griff Abbing in die Tasten und begleitete Stan Laurel, Oliver Hardy und Charlie Chaplin bei deren Abenteuern. Wie man Schwarzweiß-Streifen akustisch illustriert, wie man Stimmungen und Spannung aufbaut, ironische Kommentare setzt, unterstreicht und zitiert – wer wüsste es besser als Jörg Abbing: Seit Jahren widmet sich der Professor der Hochschule für Musik Saar der Live-Vertonung von Stummfilmen. Regelmäßig ist er etwa mit seiner Improvisationsklasse bei der Reihe „CinéConcert“im Kino Achteinhalb zu Gast und hob dort schon so manchen cineastischen Schatz.
In der Pause wurden in Daarle Speisen und Getränke gereicht, genau wie in der zentral gelegenen Johanneskirche. Die bot an diesem Abend unter dem Nenner „Kunstkirche“gleich mehreren Sparten Herberge: Bei Ausstellung, Konzert und Tanz herrschte geselliges Treiben. Hier kamen einem schon draußen Leute mit Glas in der Hand entgegen, traf man viele, die sich sonst bei Kulturveranstaltungen tummeln – an Laugengebäck knabbernd, ins Gespräch vertieft und hin und her flanierend, was dem Holzboden ein ständiges Ächzen entlockte.
Auch hier hockte ein Mann am Klavier: Chansonnier Benedikt Wesner begleitete sich selbst am Flügel und präsentierte bei seinem Programm „Sehr persönlich“Satirisches und Besinnliches aus eigener Feder. Hinter ihm lief währenddessen die Projektion der Foto-Ausstellung „Points of view“weiter, die zu Beginn des Abends mit Musik von Kantor Christoph Hauschild und einer Laudatio von Dirk Rausch (Hochschule der Bildenden Künste Saar) eröffnet worden war. In diesem Atelier-Projekt wirft HBK-Student Julius Heuel einen ganz eigenen Blick auf Johanneskirche und Umgebung.
Danach jedoch wurden Leinwand und Beamer abgebaut – Bühne frei für „Melao de caña“! Das MusikTanzTheater-Labor MuTanTh alias Eva Lajko und Miguel Bejarano Bolívar präsentierte feurige karibische Tänze wie Salsa, Merengue und Bachata. Plus szenisch choreographierte Geschichten, etwa den Garabato (Todestanz) und Cumbia (Liebestanz) in traditionellen Kostümen: farbenprächtig, sinnlich, heiter und makaber.
Ein überwiegend niedrigschwelliges Angebot von Bildender Kunst über Musik bis Film präsentierten auch zahlreiche andere Saarbrücker Gotteshäuser. Daneben gab es mit Meditationen, Andachten, Taizé-Gebeten sowie Texten und Gesprächen zum Thema Pilgern aber auch reichlich Möglichkeiten zu innerer Einkehr und Austausch. Ausgesprochen kritisch und appellativ gaben sich die katholischen Kirchen St. Jakob in Alt-Saarbrücken und St. Michael in St. Johann: Hier drehte sich alles um Diskriminierung, Menschenwürde und Zivilcourage, um Migration und Integration.