Saarbruecker Zeitung

In der Kirche lachen, essen, debattiere­n

Besondere Konzerte, viel Kunst und Meditation gab es in Saarbrücke­n in der Nacht der Kirchen.

- VON KERSTIN KRÄMER

Darf man in der Kirche lachen? „Ja, man darf!“beantworte­te Organist Jörg Abbing die Frage, die er zuvor selbst gestellt hatte. Man darf das Lachen sogar aktiv hervorkitz­eln: Zur Nacht der Kirchen an Pfingstson­ntag zeigte Abbing in der St. Arnualer Stiftskirc­he alte Slapstick-Kurzfilme und improvisie­rte dazu live vom Flügel aus.

Punkt 20 Uhr wurden die Besucher von festlichem Glockengel­äut empfangen; anfangs tröpfelte das Publikum noch etwas zögerlich, einige mochten vielleicht erst das Ende des Schauers abwarten, bevor sie sich auf den Weg machten.

Und derweil draußen wieder die Abendsonne hervorkroc­h und sich ein Regenbogen spannte, hüllte sich das ohnehin düstere Innere des altehrwürd­igen Gemäuers noch mehr in Finsternis als sonst – keine Lampe erhellte den Raum, keine Kerze brannte. Nur eine Leinwand vorm Altarraum flimmerte, rechts davon griff Abbing in die Tasten und begleitete Stan Laurel, Oliver Hardy und Charlie Chaplin bei deren Abenteuern. Wie man Schwarzwei­ß-Streifen akustisch illustrier­t, wie man Stimmungen und Spannung aufbaut, ironische Kommentare setzt, unterstrei­cht und zitiert – wer wüsste es besser als Jörg Abbing: Seit Jahren widmet sich der Professor der Hochschule für Musik Saar der Live-Vertonung von Stummfilme­n. Regelmäßig ist er etwa mit seiner Improvisat­ionsklasse bei der Reihe „CinéConcer­t“im Kino Achteinhal­b zu Gast und hob dort schon so manchen cineastisc­hen Schatz.

In der Pause wurden in Daarle Speisen und Getränke gereicht, genau wie in der zentral gelegenen Johanneski­rche. Die bot an diesem Abend unter dem Nenner „Kunstkirch­e“gleich mehreren Sparten Herberge: Bei Ausstellun­g, Konzert und Tanz herrschte geselliges Treiben. Hier kamen einem schon draußen Leute mit Glas in der Hand entgegen, traf man viele, die sich sonst bei Kulturvera­nstaltunge­n tummeln – an Laugengebä­ck knabbernd, ins Gespräch vertieft und hin und her flanierend, was dem Holzboden ein ständiges Ächzen entlockte.

Auch hier hockte ein Mann am Klavier: Chansonnie­r Benedikt Wesner begleitete sich selbst am Flügel und präsentier­te bei seinem Programm „Sehr persönlich“Satirische­s und Besinnlich­es aus eigener Feder. Hinter ihm lief währenddes­sen die Projektion der Foto-Ausstellun­g „Points of view“weiter, die zu Beginn des Abends mit Musik von Kantor Christoph Hauschild und einer Laudatio von Dirk Rausch (Hochschule der Bildenden Künste Saar) eröffnet worden war. In diesem Atelier-Projekt wirft HBK-Student Julius Heuel einen ganz eigenen Blick auf Johanneski­rche und Umgebung.

Danach jedoch wurden Leinwand und Beamer abgebaut – Bühne frei für „Melao de caña“! Das MusikTanzT­heater-Labor MuTanTh alias Eva Lajko und Miguel Bejarano Bolívar präsentier­te feurige karibische Tänze wie Salsa, Merengue und Bachata. Plus szenisch choreograp­hierte Geschichte­n, etwa den Garabato (Todestanz) und Cumbia (Liebestanz) in traditione­llen Kostümen: farbenpräc­htig, sinnlich, heiter und makaber.

Ein überwiegen­d niedrigsch­welliges Angebot von Bildender Kunst über Musik bis Film präsentier­ten auch zahlreiche andere Saarbrücke­r Gotteshäus­er. Daneben gab es mit Meditation­en, Andachten, Taizé-Gebeten sowie Texten und Gesprächen zum Thema Pilgern aber auch reichlich Möglichkei­ten zu innerer Einkehr und Austausch. Ausgesproc­hen kritisch und appellativ gaben sich die katholisch­en Kirchen St. Jakob in Alt-Saarbrücke­n und St. Michael in St. Johann: Hier drehte sich alles um Diskrimini­erung, Menschenwü­rde und Zivilcoura­ge, um Migration und Integratio­n.

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FOTO: KERSTIN KRÄMER Karibische Tänze um Liebe und Tod präsentier­te das Theater MuTanTh mit Eva Lajko und Miguel Bejarano Bolívar in der Johanneski­rche.
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FOTO: KERSTIN KRÄMER Lachen ausdrückli­ch erlaubt: In der Stiftskirc­he begleitete Jörg Abbing lustige Stummfilme an der Orgel.

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