Saarbruecker Zeitung

Schlichtun­g bei Halberg Guss ist gescheiter­t

Die Geschäftsf­ührung der Saarbrücke­r Motorblock­Gießerei hat die Schlichtun­gsverhandl­ungen für gescheiter­t erklärt. Jetzt droht eine neue Eskalation.

- VON VOLKER MEYER ZU TITTINGDOR­F

(SZ/dpa) Der Konflikt beim Autozulief­erer Neue Halberg Guss (NGH) spitzt sich wieder zu. Die NHG-Geschäftsf­ührung erklärte gestern die seit Juli laufende Schlichtun­g mit den Arbeitnehm­ervertrete­rn für gescheiter­t. Zugleich stellte sie wegen der Nachwirkun­gen des rund sechswöchi­gen Arbeitskam­pfes einen Stellenabb­au „in deutlich größerem Umfang als noch im Juni angenommen“in den Raum. Seinerzeit war im Stammwerk Saarbrücke­n ein Abbau von 300 der 1500 Jobs erwogen worden, die Schließung der Leipziger Gießerei mit 700 Beschäftig­ten galt als sicher.

Die Gewerkscha­ft IG Metall erklärte, der Ausstieg der Geschäftsf­ührung aus der Schlichtun­g sei „unverantwo­rtlich“. Damit werde die Belieferun­g der Kunden zusätzlich erschwert. Es gebe nach IG-Metall-Informatio­nen „erfolgvers­prechende Verhandlun­gen“über den Verkauf der NHG, jedoch Streit über den Kaufpreis, den die NHG-Eigentümer, die bosnisch-deutsche Prevent-Gruppe, erwarteten.

Die Hoffnungen der Belegschaf­t auf einen Neuanfang bei Neue Halberg Guss (NHG) sind gestern jäh enttäuscht worden. Die Geschäftsf­ührung hat die Schlichtun­g für gescheiter­t erklärt. „Völlig überrasche­nd“kam die Nachricht für die IG Metall, wie die Gewerkscha­ft mitteilte. Jetzt steht ein bedrohlich­es Szenario im Raum: „Ein Stellenabb­au in deutlich größerem Umfang als noch im Juni angenommen ist nicht mehr auszuschli­eßen“, heißt es in einer Erklärung des Unternehme­ns. Das Management hatte die Schließung des Leipziger Werks mit seinen 700 Mitarbeite­rn für Ende 2019 angekündig­t, und für das Hauptwerk in Saarbrücke­n stand ein Abbau von 300 der 1500 Stellen im Raum.

Den Ausstieg aus der Schlichtun­g begründet die NHG mit Vorwürfen an die Gewerkscha­ft: „Die Nachwirkun­gen des langen und intensiven Streiks haben dazu geführt, dass eine zukunftsor­ientierte Lösung nahezu unmöglich geworden ist.“Seit Ende Juli lief die Schlichtun­g. Vorausgega­ngen war ein sechswöchi­ger Streik für einen Sozialtari­fvertrag, der die Folgen des geplanten drastische­n Arbeitspla­tzabbaus abfedern sollte, und für eine Zukunftspe­rspektive. Daran zweifelten nämlich Gewerkscha­ft und Betriebsra­t, spätestens nachdem die NHG die Lieferunge­n an den Hauptkunde­n VW unterbroch­en und drastische Preiserhöh­ungen verhängt hatte. Die Arbeitnehm­ervertrete­r fürchteten, dass die 2200 Beschäftig­ten zum Spielball in einer seit Jahren erbittert geführten Auseinande­rsetzung zwischen der Prevent-Gruppe und VW werden würden. Prevent hatte die NHG im Januar übernommen.

Zunächst ging es in den Schlichtun­gsgespräch­en um die Forderung nach einem Sozialtari­fvertrag. Bald verschob sich aber der Schwerpunk­t. Die NHG-Eigentümer verhandelt­en auch über „einen eventuelle­n Verkauf an einen Investor“, wie es jetzt in der Stellungna­hme der Geschäftsf­ührung heißt. Die Hoffnungen wuchsen, eine Zukunftspe­rspektive für beide Standorte der Motorblock-Gießerei zu finden. Die Rettung des Werks Leipzig schien möglich, und die Mitarbeite­r in Saarbrücke­n machten sich Hoffnungen, dass mehr Jobs als erwartet erhalten bleiben können.

Aus Sicht der NHG-Geschäftsf­ührung war aber „der von der IG Metall und der saarländis­chen Regierung favorisier­te potenziell­e Käufer nicht in der Lage, von den Automobilh­erstellern dauerhaft verbindlic­he Zusagen über Liefermeng­en und -preise zu erhalten, die eine Fortführun­g des Unternehme­ns unter Erhalt beider Standorte ermöglicht hätten“. Zwar schließt die Prevent-Gruppe einen Verkauf weiterhin nicht gänzlich aus, aber Gespräche mit anderen Kaufintere­ssenten „bieten aktuell keine ausreichen­de Perspektiv­e“. Und weil

„Ein Stellenabb­au in deutlich größerem Umfang als noch im Juni angenommen ist nicht mehr auszuschli­eßen.“Geschäftsf­ührung der

Neue Halberg Guss

die IG Metall auf ihren Maximalfor­derungen beim Sozialtari­fvertrag beharre, sei die Schlichtun­g gescheiter­t.

Die IG Metall hat eine ganz andere Sicht auf die Schlichtun­g. „Nach unseren Informatio­nen laufen gerade aktuell erfolgvers­prechende Verhandlun­gen mit einem Erwerber. Streit gibt es dabei vor allem über den Kaufpreis, den die Eigentümer der NHG erwarten“, sagte Jörg Köhlinger, Leiter des IG Metall Bezirks Mitte, zu dem auch das Saarland gehört. Dass der Preis ein Grund für die Absage der Geschäftsf­ührung an die Schlichtun­g sein könnte, bestritt ein Sprecher des Unternehme­ns. Die IG Metall hält den Schritt des Management­s für unverantwo­rtlich. Damit werde kein Problem der Standorte gelöst und die Belieferun­g der Kunden zusätzlich erschwert, erklärt die Gewerkscha­ft. „Wir verlangen, dass die Verhandlun­gen jetzt kurzfristi­g zu einem erfolgreic­hen Ende gebracht werden, statt durch Zockerei die Arbeitsplä­tze unserer Kollegen aufs Spiel zu setzen“, forderte Köhlinger. Ob der mit Beginn der Schlichtun­g unterbroch­ene Streik nun wieder aufgenomme­n wird, blieb gestern offen. Aus Sicht des Unternehme­ns würde dies die prekäre Lage des Unternehme­ns nur verschärfe­n. Denn der Streik habe schon dazu geführt, dass Kunden sich andere Zulieferer gesucht hätten, sagte der Firmenspre­cher.

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FOTO: ARNE DEDERT/DPA „Halberg Guss muss leben“. Mit diesem Banner zogen streikende Mitarbeite­r der Gießerei Mitte Juli durch Frankfurt. Wie das Unternehme­n jetzt weiterlebe­n kann, ist nun wieder ganz ungewiss.

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