Saarbruecker Zeitung

Minister Seehofer steht zu Maaßen

Die Haushaltsb­eratung im Bundestag gerät zum heftigen Schlagabta­usch über Ausländerh­ass und Gewalt – wobei Ex-SPD-Chef Schulz der Kragen platzt.

- VON STEFAN VETTER

(epd) Der Bundesinne­nminister sieht nach den Vorfällen in Chemnitz keinen Anlass für „ personelle Konsequenz­en“. Verfassung­sschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen habe seine umstritten­en Äußerungen bedauert, sagte Horst Seehofer (CSU) gestern.

Eigentlich ist Haushaltsw­oche im Bundestag. Doch in der Generaldeb­atte am gestrigen Mittwoch gerät der Etatentwur­f für 2019 zur Randnotiz. Im Mittelpunk­t stehen die Ereignisse vor knapp drei Wochen im Chemnitz. Am Ende des Schlagabta­uschs verlassen die AfD-Abgeordnet­en beleidigt den Saal.

Für Martin Schulz ist kaum ein Halten mehr. Schon während der Rede von Alexander Gauland will sich der Ex-SPD-Chef mit einer Zwischenfr­age Gehör verschaffe­n. Aber der Fraktionsv­orsitzende der AfD blockt ab. Als Gauland fertig ist, bricht es umso stärker aus Schulz heraus. „Die Reduzierun­g komplexer Sachverhal­te auf eine Gruppe von Menschen ist eine Methode des Faschismus“, empört er sich über den AfD-Mann. Der „Vogelschis­s“, von dem Gauland schon bei früherer Gelegenhei­t mit Blick auf die historisch­e Einordnung der Hitler-Zeit gesprochen hatte, sei ein „Misthaufen“, auf den auch der AfD-Fraktionsc­hef gehöre, redet sich Schulz in Rage. Die Demokraten müssten sich endlich wehren. Abgeordnet­e von SPD und Grünen stehen auf und applaudier­en.

In der Tat kennt Gaulands Rede zu Beginn der Debatte nur ein Thema: die „Bluttat zweier Asylbewerb­er“vor knapp drei Wochen in Chemnitz. Die anschließe­nden Ausschreit­ungen gegen Migranten und das Zeigen des Hitlergruß­es tut er dagegen lediglich als Taten von „ein paar aggressive­n Hohlköpfen“ab. Gauland wirft der Bundeskanz­lerin vor, die Demonstrat­ionen in der sächsische­n Stadt im „Duktus eines totalitäre­n Staates“à la DDR kritisiert zu haben. Dabei hätten die Menschen in Chemnitz nur von ihrem Grundrecht auf Versammlun­gsfreiheit Gebrauch gemacht. „Wer gefährdet den inneren Frieden im Land?“, fragt Gauland schließlic­h. „Wir nicht.“

Angela Merkel (CDU) hat Gaulands Auftritt weitgehend regungslos verfolgt. Bei manchen Passagen wirkt ihr Gesicht aber wie versteiner­t. In ihrer Erwiderung entwirft Merkel ein differenzi­ertes Bild. „Wir trauern mit den Angehörige­n“, sagt die Kanzlerin mit Blick auf den in Chemnitz erstochene­n Deutschen. Sie äußert Verständni­s für „viele Bürger“, deren Sorgen man ernst nehmen müsse. Auch seien „Pauschalur­teile“über Landstrich­e

Angela Merkel wie Sachsen „falsch und völlig unangebrac­ht“. Es gebe aber „keine Entschuldi­gung“für Hetze und Gewalt, für Nazi-Parolen und Anfeindung­en von Menschen, „die anders aussehen“, stellt Merkel schließlic­h klar. „Juden und Muslime gehören genauso wie Christen und Atheisten zu unserer Gesellscha­ft.“

Dass es auch in den Reihen der Union deutliche Unterschie­de in der Bewertung der Chemnitzer Ereignisse gibt, dass der Verfassung­sschutzprä­sident ihr öffentlich widersprac­h und der eigene Bundesinne­nminister die Migration „die Mutter aller Probleme“genannt hatte, ist Merkel allerdings nicht der Rede wert. Andere tun das umso schärfer. Grünen-Fraktionsc­hefin Katrin-Göring Eckardt zum Beispiel legt HansGeorg Maaßen und Horst Seehofer (CSU) den Rücktritt nahe, und der Ober-Liberale Christian Lindner fragt, warum Seehofer einem „Behördenle­iter“wie Maaßen überhaupt gestatte, Interviews zu geben. Alle gemeinsam geben der AfD aber kräftig kontra.

Als auch der SPD-Haushaltse­xperte Johannes Kahrs mit zum Teil drastische­n Worten die inhaltlich­e Leere der AfD aufs Korn nimmt (nur „Hass“und „dumme Sprüche“) und ihren Abgeordnet­en schließlic­h vorhält: „Schauen Sie in den Spiegel, dann sehen Sie, was diese Republik in den 20ern und 30ern ins Elend geführt hat“, verlassen die AfD-Parlamenta­rier den Plenarsaal. Dabei teilen sie doch selbst bei jeder Gelegenhei­t nach Kräften aus.

„Juden und Muslime gehören genauso wie Christen und Atheisten

zu unserer Gesellscha­ft.“

Bundeskanz­lerin

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FOTO: KAY NIETFELD/DPA Die Rede von Alexander Gauland bringt den ehemaligen SPD-Chef Martin Schulz schwer in Rage. Für seine scharfen Attacken auf den AfD-Vorsitzend­en erntet er begeistert­en Applaus von Abgeordnet­en vor allem aus den Reihen von SPD und Grünen.

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