Forscher warnen Europa vor der dauerhaften Sommerzeit
Nie mehr Uhren umstellen – das finden viele gut, auch die EU-Spitze. Aber bitte nicht die Winterzeit abschaffen, sagen Experten. Dann drohe Gefahr.
(dpa) Im Sommer eine Stunde vor, im Winter eine Stunde zurück – viele Menschen leiden unter der Zeitumstellung. Die EU-Kommission will nun vorschlagen, sie abzuschaffen – deren Chef Jean-Claude Juncker hat gestern nochmal darauf beharrt. Wissenschaftler begrüßen das grundsätzlich. Aus ihrer Sicht widerspricht der künstliche Wechsel der Biologie. Vor einer dauerhaften Einführung der Sommerzeit warnen Experten allerdings – sie könne fatale Folgen haben.
84 Prozent der 4,6 Millionen Teilnehmer hatten sich in einer EU-Umfrage gegen die Zeitumstellung ausgesprochen. Allein drei Millionen Antworten kamen aus Deutschland. Die meisten waren für eine dauerhafte Sommerzeit. Ganz schlecht, findet Till Roenneberg vom Institut für Medizinische Psychologie der Universität München. Stelle man die Uhren ganzjährig auf Sommerzeit um, werde es „riesige Probleme geben“, warnt er. „Man erhöht die Wahrscheinlichkeit für Diabetes, Depressionen, Schlaf- und Lernprobleme – das heißt, wir Europäer werden dicker, dümmer und grantiger.“
Wenn es abends länger hell ist, setzt die Produktion des Schlafbotenstoffs Melatonin erst später ein. Folge: Zu spät müde, aber dann trotzdem früh aufstehen. Und das bei dauerhafter Sommerzeit an deutlich mehr Tagen im Dunklen, sagt Roenneberg: „Je nach Wohnort haben Sie sechs Wochen mehr dunkle Schulwege morgens.“Vor allem Schülern und Studenten drohten bei Schlafmangel negative Folgen für das Lernen. Auch Fehler im Job führen und Unfälle könnten ansteigen, sagen Kritiker. Bei der EU-Befragung habe es zu wenig Aufklärung gegeben, sagt Roenneberg. Hätte Juncker gesagt, „dass wir künftig alle ganzjährig eine Stunde früher arbeiten müssen, wären die Leute auf der Straße gewesen. Es ist aber nichts anderes.“
Auch die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin plädiert für dauerhafte „Normalzeit“, die wegen der Lichtverhältnisse am besten zum Schlafrhythmus passe. Wie auch immer: Bis die Politik entschieden hat, wird die Uhr weiter umgestellt – das nächste Mal am 28. Oktober.