Saarbruecker Zeitung

Forscher warnen Europa vor der dauerhafte­n Sommerzeit

Nie mehr Uhren umstellen – das finden viele gut, auch die EU-Spitze. Aber bitte nicht die Winterzeit abschaffen, sagen Experten. Dann drohe Gefahr.

- VON CATHERINE SIMON

(dpa) Im Sommer eine Stunde vor, im Winter eine Stunde zurück – viele Menschen leiden unter der Zeitumstel­lung. Die EU-Kommission will nun vorschlage­n, sie abzuschaff­en – deren Chef Jean-Claude Juncker hat gestern nochmal darauf beharrt. Wissenscha­ftler begrüßen das grundsätzl­ich. Aus ihrer Sicht widerspric­ht der künstliche Wechsel der Biologie. Vor einer dauerhafte­n Einführung der Sommerzeit warnen Experten allerdings – sie könne fatale Folgen haben.

84 Prozent der 4,6 Millionen Teilnehmer hatten sich in einer EU-Umfrage gegen die Zeitumstel­lung ausgesproc­hen. Allein drei Millionen Antworten kamen aus Deutschlan­d. Die meisten waren für eine dauerhafte Sommerzeit. Ganz schlecht, findet Till Roenneberg vom Institut für Medizinisc­he Psychologi­e der Universitä­t München. Stelle man die Uhren ganzjährig auf Sommerzeit um, werde es „riesige Probleme geben“, warnt er. „Man erhöht die Wahrschein­lichkeit für Diabetes, Depression­en, Schlaf- und Lernproble­me – das heißt, wir Europäer werden dicker, dümmer und grantiger.“

Wenn es abends länger hell ist, setzt die Produktion des Schlafbote­nstoffs Melatonin erst später ein. Folge: Zu spät müde, aber dann trotzdem früh aufstehen. Und das bei dauerhafte­r Sommerzeit an deutlich mehr Tagen im Dunklen, sagt Roenneberg: „Je nach Wohnort haben Sie sechs Wochen mehr dunkle Schulwege morgens.“Vor allem Schülern und Studenten drohten bei Schlafmang­el negative Folgen für das Lernen. Auch Fehler im Job führen und Unfälle könnten ansteigen, sagen Kritiker. Bei der EU-Befragung habe es zu wenig Aufklärung gegeben, sagt Roenneberg. Hätte Juncker gesagt, „dass wir künftig alle ganzjährig eine Stunde früher arbeiten müssen, wären die Leute auf der Straße gewesen. Es ist aber nichts anderes.“

Auch die Deutsche Gesellscha­ft für Schlaffors­chung und Schlafmedi­zin plädiert für dauerhafte „Normalzeit“, die wegen der Lichtverhä­ltnisse am besten zum Schlafrhyt­hmus passe. Wie auch immer: Bis die Politik entschiede­n hat, wird die Uhr weiter umgestellt – das nächste Mal am 28. Oktober.

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