Ein neues Portal zur Völklinger Hütte
Das Weltkulturerbe wächst nochmal kräftig, rund um den Wasserhochbehälter. Ein lange umstrittenes Projekt.
„Maximal spektakulär“nennt Generaldirektor Meinrad Maria Grewenig das Vorhaben. Maximal umstritten war es auch. Es soll der „finale“Mosaikstein für die Erschließung des Völklinger Weltkulturerbes werden, mit der die über 20-jährige Sanierungsgeschichte „gekrönt“wird. Superlative, wie immer beim Hütten-Chef. Doch in diesem Fall hat Grewenig recht. Es geht um die Öffnung des Wasserhochbehälters, eines der charakterstärksten Groß-Gebäude auf dem Areal des alten Röchlingschen Eisenwerks. Jeder kennt ihn, er liegt wie eine Trutzburg direkt am Hautp-Parkgelände, bisher war er unzugänglich. Jetzt wird er zum zentralen Eingangs-Portal. Auch das benachbarte Pumpenhaus und das Vorplatz-Umfeld werden erstmals in das Besucherwege-Netz eingeklinkt. Es ist, als würde man den ankommenden Gästen einen gigantischen roten Teppich ausrollen. Kosten: rund 7,5 Millionen Euro. Ein Architektenwettbewerb wurde ausgelobt, Entwürfe für rund 70 000 Euro angekauft. EU und Land teilen sich die Investition, und der Bund gibt eine Million nur für die Pumpenhaus-Sanierung. Unnötiger Luxus!? Nie zuvor geriet ein Erschließungsprojekt im Weltkulturerbe derart unter Beschuss. Eine Posse sei das, lautete der Vorwurf des Industriedenkmal-Experten Norbert Mendgen. Es seien bereits mehr als 2,6 Millionen Euro in einen auch von Grewenig abgesegneten barrierefreien Zugang am Völklinger Platz geflossen. Doch den hielt und hält der Weltkulturerbe-Direktor ohne tief greifende Umfeld-Optimierung, für gänzlich unbrauchbar. Doch die lässt seit zehn Jahren seitens der Stadt auf sich warten.
Der öffentlich ausgetragene Konflikt ist jetzt etwa ein Jahr her. „Wir sind keinen Millimeter gewichen“, sagt Grewenig. Er hat obsiegt, allerdings nach einer langen Hängepartie. Denn der Aufsichtsrat war hoch alarmiert und pochte auf Wirtschaftlichkeit. Doch am 20. August kam nun doch das Okay. Die Baumaßnahme geht nach einem Aufsichtsratsbeschluss vom 20. August jetzt in die Realisierungsphase, mit den Berliner Architekten Duncan McCauley. Kooperationspartner ist das Saarbrücker Büro Wandel Lorch. McCauley war in dem europaweiten Architekten-Wettbewerb unter 45 Vorschlägen der zweite Sieger. Im anschließenden Verhandlungsverfahren setzte sich Duncan McCauley jedoch gegen das Gewinner-Team Stadler Prenn (Berlin) durch. Mit einem recht funktionalen Entwurf für das Foyer, der auf den ersten Blick nicht wirklich zündet.
Doch die Eingangshalle selbst ist gar nicht die eigentliche Attraktion, sondern all das, was sich rund um die Wasserhochbehälter-Trutzburg mitverändern wird. Wach geküsst wird nämlich auch das bislang verriegelte Pumpenhaus, ein Schatzkästchen, eine Art Gebläsehalle en miniature. Idealerweise entsteht vor diesen Gebäuden ein einladend gestalteter Platz, derzeit ist es eine mit Zäunen verstellte Schmuddelecke. Zukünftig aber wird man von hier aus ins Café Umwalzer kommen, womöglich entsteht eine Außengastronomie. Die liegt dann in einem von Rohren und Gestänge überdachten Winkel, in einem einzigartigen industriekulturellen Schrebergarten. Außerdem könnte es eine attraktive Brücke über das Pumpenhaus geben, denn der neue Eingang muss mit dem Areal auf der anderen Straßenseite verzahnt werden. Auch Indoor-Lösungen sind denkbar. Detailpläne existieren noch keine, aber an diesem Punkt wird sich die eigentliche Qualität und Originalität der Architekten erweisen.
Dies alles summiert sich zu einer beachtlichen Verheißung. Das Wasserhochbehälter-Projekt könnte der triumphale Schlusstusch werden für Grewenigs eigene Karriere als Geschäftsführer der Trägergesellschaft „Europäisches Zentrum für Kunst und Industriekultur“. Denn im Juni 2019, mit Grewenigs 65. Geburtstag, endet sein Vertrag, und bis dahin ist die Baumaßnahme nicht abgeschlossen. Derzeit laufen Verhandlungen mit der Landesregierung über eine Vertragsverlängerung. Mutmaßlich ist die Laufzeit das Kernproblem. „Ich arbeite auf jeden Fall bis 70“, sagt Grewenig der SZ, und meint damit wohl: entweder im Weltkulturerbe oder anderswo.
Nach über 20 Jahren Aufbau- und Ausbauzeit wird der Wasserhochbehälter aber auf jeden Fall Grewenigs letztes Großprojekt sein. Denn die Baumaßnahme bedeutet einen Wachstumsschub, der für die Politik heikel ist. Denn 2015 hatte der Landesrechnungshof die Landesregierung zu einem nur mehr „defensiven“Umgang mit dem Industriedenkmal aufgefordert – angesichts von über 55 Millionen Euro Landesgeld, das zwischen 2000 und 2012 in den Denkmal-Erhalt, in den Betrieb und in die Projekte der Weltkulturerbe-GmbH flossen. Deshalb musste Grewenig dem Aufsichtsrat
Das Projekt könnte der triumphale Schlusstusch werden für Grewenigs eigene Karriere als Geschäftsführer der Trägergesellschaft.
jetzt auch die Wirtschaftlichkeit des neuen Eingangs detailliert nachweisen. Durch die Schließung aller anderen Kassenbereiche, durch Personalund Energie-Ersparnisse, werde man zwar keine Ersparnis haben, aber bei Null landen, betont der Hütten-Chef gegenüber der SZ.
Doch hatte er nicht noch anderes im Sinn? Ein weiterer Vorwurf in der öffentlichen Debatte lautete, Grewenig benutze den Umbau des Wasserhochbehälters nur dazu, um „über die Hintertür“dessen Gesamtsanierung durchzusetzen. Grewenig wolle Ausstellungsräume in den oberen Etagen des Denkmals einrichten. So weit, so spekulativ. Freilich nicht falsch. Denn als Grewenig 2016 in der SZ erstmals mit der Wasserhochbehälter-Idee an die Öffentlichkeit trat, sprach er nicht nur vom Umbau unterer Etagen zu einem Haupt-Foyer, sondern auch davon, die Gebläsehalle, wo heute die Groß-Präsentationen laufen, zu entlasten. Doch dazu wird es kaum kommen. Zumindest noch nicht. Die oberen Etagen des Wasserhochbehälters wurden aus dem „operativen Bereich“der Maßnahme herausgenommen. Selbst bei einem Grewenig reifen also nicht alle „Knabenmorgen-Blütenträume“.