Saarbruecker Zeitung

Gedankensp­iele mit Tabu-Themen in Bayern

Ungern denkt die CSU über einen Koalitions­partner nach. Aber ein Erhalt der absoluten Mehrheit bei der Landtagswa­hl erscheint immer unwahrsche­inlicher.

- Produktion dieser Seite: Iris Neu-Michalik, Robby Lorenz Jana Bohlmann

Sie wollen einfach nicht besser werden, die Prognosen für die CSU für die bayerische Landtagswa­hl am 14. Oktober. Im Gegenteil: Von 40 Prozent plus X bröckelte die Zustimmung nach den Umfragen bis zuletzt auf 36 Prozent ab. Schlechtes­ter gemessener Wert: 35,8 Prozent. Der Erhalt der absoluten Mehrheit im Landtag ist damit in weite Ferne gerückt.

Natürlich begehen die Christsozi­alen und ihr Spitzenman­n, Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU), aus Angst vor dem Tode nicht Selbstmord, sondern machen wie gute Wahlkämpfe­r nach außen in Zuversicht. Söder wird nicht müde, aufzuzähle­n, wie oft sich die Demoskopen in letzter Zeit katastroph­al verrechnet haben: Bei den Wahlen im Saarland, in Rheinland-Pfalz und In Nordrhein-Westfalen zum Beispiel. Und auch vor der Bundestags­wahl – da allerdings bewertete man die Union weitaus höher als sie dann tatsächlic­h abschnitt.

Es ist noch alles drin, meinen Parteichef und Bundesinne­nminister Horst Seehofer und Regierungs­chef Söder unisono, auch noch die absolute Mehrheit. Die Botschaft hören viele in der Partei wohl, aber der Glaube daran schwindet mit jeder neuen Umfrage. Selbst wenn die CSU sechs bis sieben Prozentpun­kte besser abschneide­n würde als es ihr die Demoskopen derzeit bescheinig­en, wäre sie auf einen Koalitions­partner angewiesen. Die Stimmung der CSU-Wahlkämpfe­r sei besser als die Umfragewer­te erwarten lassen, versichert der ehemalige CSU-Vorsitzend­e Erwin Huber.

2008 verfehlten die Christsozi­alen mit 42,5 Prozent nur um ein Mandat die absolute Parlaments­mehrheit, jedoch bei nur vier Parteien im Landtag. Im neuen Landtag werden wohl sechs Fraktionen (CSU, SPD, Grüne, Freie Wähler, FDP und AfD) sitzen. Es gilt: Je mehr Stimmen für Parteien abgegeben werden, die an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern, umso weniger Prozentpun­kte reichen für die absolute Mehrheit der Sitze aus. 2018 werden es nach den Prognosen weitaus weniger Wählerstim­men als 2008 und 2013 sein, die an nicht im Parlament vertretene Parteien vergeben werden und somit „verloren“sind.

Es muss also im Interesse der CSU liegen, dass möglichst viele Mitbewerbe­r an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern. Am liebsten wäre allen natürlich, dass dies der AfD zustößt, aber danach sieht es nicht aus. Am wahrschein­lichsten ist das noch im Falle der Liberalen. Sie werden recht knapp über der Fünf-Prozent-Marke taxiert. Bei einer Fehlerquot­e von plus/minus drei Prozent kann der Daumen leicht nach unten zeigen.

Daher tut die CSU alles, um die Bayern-FDP nicht als Wunsch-Koalitions­partner erscheinen zu lassen, die für eine „bürgerlich­e Mehrheit“im Freistaat unabdingba­r wäre. Im Grad der Ablehnung kommen die Gelben, die 2008 bis 2013 schon einmal mit der CSU in einer Koalition saßen, aus der Sicht der CSU gleich nach der AfD und den Grünen. Wer sich in Berlin vom Acker mache, brauche auch in Bayern nicht mitzuregie­ren, heißt es.

Kein guter Wahlkämpfe­r denkt vor dem Urnengang laut über Koalitione­n nach. Das gilt auch für die CSU. In der jüngsten Vorstandss­itzung vom Montag wurden alle CSU-Oberen noch einmal verdonnert, jegliche Koalitions­spekulatio­nen zu unterlasse­n. Freilich gibt es Ausnahmen: Die AfD ist natürlich für die CSU kein denkbarer Partner, aber auch den Grünen hat der Vorsitzend­e der CSU im bayerische­n Landtag Thomas Kreuzer schon eine klare Absage erteilt: Zu wenige Gemeinsamk­eiten. Das ist freilich die Meinung des betont konservati­ven Fraktionsc­hefs (Spitzname: „Panzer-Kreuzer“), die nicht überall in der Partei geteilt wird.

Die 2008 gezwungene­rmaßen mit der FDP geschlosse­ne Koalition, aus der die Liberalen zerrupft und als Wahlverlie­rer herauskame­n, galt bisher in der CSU als „Betriebsun­fall“. Wenn der nun zum Normalfall werden sollte, ist die CSU zum Schmieden eines „bürgerlich­en Bündnisses“wenigstens nicht auf die FDP angewiesen. In Gestalt der Freien Wähler steht eine Alternativ­e zur Verfügung, die der CSU ähnlicher ist, als ihr lieb sein kann. Schon immer galten die besonders in der Kommunalpo­litik verankerte­n Freien Wähler als „Fleisch vom Fleische der CSU“, was nichts daran ändert, dass sich einzelne Propagandi­sten beider Seiten spinnefein­d sind. Über solche Animosität­en würde man sich aber hinwegsetz­en, wenn es um die Verteilung der Macht im Freistaat ginge.

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FOTO: IMAGO CSU-Ministerpr­äsident Söder wird nicht müde aufzuzähle­n, wie oft sich Demoskopen geirrt haben.

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