Saarbruecker Zeitung

Das Weltkultur­erbe braucht mehr als Wachstum

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Wer stehen bleibt, wird überholt. Der Unternehme­r-Spruch gilt auch für Kulturinst­itutionen, und dem Chef des Völklinger Weltkultur­erbes steckt er offensicht­lich in den Genen. Denn seit Meinrad Maria Grewenig das Industried­enkmal managt, das ist seit 1999, hat sich die Zahl der für Besucher geöffneten Gebäude kontinuier­lich erhöht. Jetzt steht wieder ein Wachstumss­chub an, es könnte der letzte sein. Denn schon vor Jahren trat der Landesrech­nungshof in Sachen Erweiterun­g auf die Bremse. Freilich ist das Grewenigs Sache nicht, er hält sich ungern an „Masterplän­e“. Gottseidan­k. Denn sonst gäbe es das nicht, was jetzt ansteht, den Umbau des Wasserhoch­behälters zum zentralen Haupteinga­ng. Man hätte sicher auch den bereits vorhandene­n Eingang am Völklinger Platz ertüchtige­n können. Jedoch nur, wenn man sich vorsätzlic­h den Vorteilen der Wasserhoch­behälter-Lösung verschließ­t. Die Fußläufigk­eit zum Haupt-Parkgeländ­e ist ein wichtiges Argument, der Wow-. Effekt dieser Industriek­ultur-Trutzburg das eigentlich schlagende.

Zudem spricht einiges dafür, dass das Foyer nur der Einstieg ist, um später das gesamte Bauwerk in Besitz zu nehmen. Die Panorama-Räume im Obergescho­ss des Wasserhoch­behälters gehören zum Aufregends­ten, was das Hütten-Areal zu bieten hat. Es wären fabelhafte Ausstellun­gsräume. Finanziert ist dies alles nicht. Doch solcherart Ideen sind nicht vermessen, sondern sie sind einem Unesco-Denkmal, das sich internatio­nal messen lassen soll, adäquat. Überhaupt steht dieses Projekt für das „Weltkultur­erbe 3.0“. Denn es sorgt für eine Metamorpho­se des gesamten Umfeldes hinter der Gebläsehal­le, das seine Schmuddelk­indAnmutun­g verlieren wird. Die alte Hütte erhält an dieser Ecke erstmals die Chance, eine kostenfrei erlebbare Freiluft-„Location“zu werden.

Wenn man es denn richtig anstellt. Was heißt, weiterzude­nken als bis zum letzten Cent der jetzt kalkuliert­en rund 7,5 Millionen Euro. Was offiziell nicht einmal Grewenig wagt, weil er derzeit einen Anschlussv­ertrag verhandelt. Nicht alles ist Gold, was dieser Mann serviert, er selbst und sein Veranstalt­ungsprogra­mm polarisier­en. Die Politik sollte allerdings wissen, dass es Grewenigs Dreistigke­it in finanziell­en Dingen und seine Furchtlosi­gkeit waren, die das „Völklinger Wunder“mit ermöglicht­en: Das Symbol des Niedergang­s wird heute als „Touristenm­agnet“gefeiert.

Diesen Status scheint der neue Industriek­ultur-Verantwort­liche im Land, Kultusmini­ster Ulrich Commercon (SPD), als Selbstvers­tändlichke­it zu erachten. Denn seinen „Leitlinien der Industriek­ultur“, vor der Sommerpaus­e im Kabinett verabschie­det, lassen sich nur Unverbindl­ichkeiten zum Weltkultur­erbe entnehmen. Kein einziger Fingerzeig geht in die nahe Zukunft, in die Ära, da der Bund keine Millionen mehr zuschießt, weil das Denkmal komplett aussaniert ist. Attraktive­r machen über Wachstum hat dann als Zukunftsst­rategie ausgedient. Die alte Hütte braucht innovative Konzepte, aber die Leitlinien schweigen dazu. Das ist ein schlechter politische­r Witz.

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