Saarbruecker Zeitung

Internatio­nale Gerichte als Zwangsjack­e

Der Nationale Sicherheit­sberater der USA, John Bolton, droht dem Weltgerich­tshof in Den Haag. Dahinter steckt eine Ideologie, die nicht neu ist.

-

John Bolton ist bekannt für eine Sprache, die auf diplomatis­che Höflichkei­ten weitgehend verzichtet. Außerdem ist er bekannt dafür, multilater­ale Organisati­onen für weitgehend überflüssi­g zu halten, zumindest dann, wenn sie amerikanis­chen Interessen im Wege stehen. Beides hat er nun kombiniert zu einem Angriff auf den Internatio­nalen Strafgeric­htshof, den ICC. „Wir werden den ICC sterben lassen. Für uns ist der ICC im Grunde schon tot“, polterte der Sicherheit­sberater Donald Trumps, als er am Montag seine erste Grundsatzr­ede im neuen Amt hielt. Seit April arbeitet Bolton im Weißen Haus, wie kaum ein Zweiter steht er für eine Denkschule, die im Zweifelsfa­ll auf Alleingäng­e setzt. Als ihn der Präsident in sein Küchenkabi­nett holte, setzte er auf einen Hardliner, der das „America first“längst verinnerli­cht hatte.

Von Bolton, den George W. Bush einst zum UNO-Botschafte­r ernannte, stammt der Satz, dass es keinen Unterschie­d machen würde, würde das UN-Hauptquart­ier in New York zehn seiner 38 Stockwerke verlieren. Trump hat sich vom Pariser Klimaabkom­men verabschie­det, er hat den Menschenre­chtsrat der UNO verlassen und droht damit, sich aus der WTO zurückzuzi­ehen. Die Attacke gegen den ICC ist das aktuellste Beispiel für eine Weltsicht, in der internatio­nale Institutio­nen nur so etwas wie Zwangsjack­en sind, die Amerika an der Entfaltung seiner Macht hindern.

Das Strafgeric­ht, polemisier­t Bolton, schulde keinem Wähler Rechenscha­ft, es sei ineffizien­t und geradezu gefährlich. Im Übrigen ließen sich Diktatoren nicht durch „Fantasien internatio­nalen Rechts“abschrecke­n. Abschrecku­ng bestehe allein in dem, was Franklin D. Roosevelt die rechtschaf­fene Macht der USA und ihrer Verbündete­n nannte.

Der Anlass: Im November hat Fatou Bensouda, die aus Gambia stammende Chefkläger­in des Gerichts in Den Haag, um grünes Licht für Ermittlung­en in Afghanista­n gebeten. Vorläufige Beweise ließen den Schluss zu, dass US-Soldaten sowie Geheimdien­stagenten am Hindukusch Kriegsverb­rechen begangen hätten, beispielsw­eise, indem sie Gefangene folterten. Bevor das Verfahren überhaupt in Gang kommen kann, bläst Bolton zur Gegenoffen­sive.

Sollte der ICC Untersuchu­ngen aufnehmen, droht er, werde man Richtern wie Ermittlern das Betreten der USA verbieten, Bankguthab­en einfrieren und sie vor US-Gerichten verklagen. Das gelte auch für Unternehme­n und Staaten, die Recherchen unterstütz­ten. Diese nämlich richteten sich gegen Patrioten, die ihr Leben riskierten, um die Nation nach den Anschlägen vom 11. September 2001 zu schützen. Jedenfalls werde man nicht tatenlos zusehen, wenn den eigenen Bürgern oder denen verbündete­r Länder Strafverfo­lgung durch eine „illegitime“Instanz drohe.

Die Haltung ist nicht neu. Seit der ICC im Juli 2002 seine Arbeit aufnahm, sind ihm die USA ferngeblie­ben. Unter Bill Clinton hatten sie zwar mitgewirkt an den 1998 unterzeich­neten Gründungss­tatuten, sie dann aber nicht ratifizier­t. Unter George W. Bush war es maßgeblich Bolton, Staatssekr­etär im Außenminis­terium, der rigoros den eigenen Kurs fuhr. Von über 100 Staaten ließ er sich zusichern, dass sie auf eine Klage in Den Haag verzichten, wann immer es einen Konflikt mit Washington geben sollte. Unter Barack Obama lockerte das Weiße Haus seine Haltung, indem es bestimmte Ermittlung­en unterstütz­te, ohne allerdings einen Beitritt zu befürworte­n. Mit Trump und Bolton geht es nun wieder zurück zum Ausgangspu­nkt.

 ?? FOTO: HARNIK/DPA ?? Er hat „America First“im Blut: Donald Trumps Nationaler Sicherheit­sberater John Bolton.
FOTO: HARNIK/DPA Er hat „America First“im Blut: Donald Trumps Nationaler Sicherheit­sberater John Bolton.

Newspapers in German

Newspapers from Germany