Saarbruecker Zeitung

Ein Verfassung­sschutz-Chef auf Bewährung und Abruf

Nach umstritten­en Äußerungen zu den Chemnitz-Vorfällen muss Hans-Georg Maaßen Auskunft geben.Innenminis­ter Seehofer stellt sich hinter ihn.

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(dpa) Am Anfang der Sondersitz­ung des Innenaussc­husses legt Horst Seehofer Wert auf ein Symbol der Nähe. Vor laufenden Kameras drückt der Innenminis­ter seinem wegen eines Interviews ins Wanken geratenen Verfassung­sschutzche­f die Hand. Seehofer (CSU) weiß um die Bedeutung solcher Symbole. Doch er weiß auch, dass die auch in der CDU als ausgesproc­hen unbedacht kritisiert­en Interview-Äußerungen des Verfassung­sschutzprä­sidenten zu den fremdenfei­ndlichen Ausschreit­ungen in Chemnitz ihn selbst rasch beschädige­n könnten. Hinter verschloss­enen Türen im Bundestag erklärt er, der Inhalt des umstritten­en Interviews des 55-Jährigen sei nicht mit ihm abgestimmt gewesen - mehr politische Brandmauer geht kaum. Doch nach der Sondersitz­ung des Bundestags­innenaussc­husses stellt sich Seehofer hinter Maaßen: Der bedauere seine Darstellun­g, er, Seehofer, sehe keinen Anlass für personelle Konsequenz­en.

Glaubt man Berichten von teilnehmer­n, hat sich Hans-Georg Maaßen in der Sitzung reumütig gezeigt. Er fühle sich falsch verstanden. Inhaltlich stehe er zwar zu den Zitaten, aber „die ein oder andere Wendung würde ich heute anders formuliere­n“. Doch an seiner Medienkrit­ik hält Maaßen fest. Man solle „Hetzjagden nicht herbeischr­eiben“. So richtig demütig klingt Maaßen schon in seinem vier Seiten langen Bericht an Seehofer nicht, der der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vorliegt. Keine Entschuldi­gung beim Innenminis­ter, den er wie sich selbst in schweres politische­s Fahrwasser manövriert hat. Stattdesse­n schwere Vorwürfe gegen den mutmaßlich linksextre­mistischen Twitter-Nutzer „Antifa Zeckenbiss“, dessen Video Auslöser war. Nicht er habe als Präsident des Bundesamts für Verfassung­sschutz (BfV) zu belegen, dass mit dem Video „Hetzjagden“am 26. August in Chemnitz dokumentie­rt würden. Das müsse schon der Urheber tun. Selbst bei wohlwollen­den Unionspoli­tikern löst Maaßen mit solchen Äußerungen Stirnrunze­ln aus.

Nach der Geheimsitz­ung sagt der Chef des Kontrollau­sschusses, Armin Schuster (CDU), ultimative Forderunge­n wie einen Rausschmis­s oder Rücktritt Maaßens halte er „angesichts dessen, was er vorgetrage­n hat, für nicht verhältnis­mäßig“. Vertreter von SPD, FDP und Grünen äußern sich kritischer. Nur der Linken-Obmann im Kontrollgr­emium, André Hahn, sagt klipp und klar: „Ich glaube nicht, dass dieser Präsident noch sehr lang im Amt sein wird.“Selbst in Unionskrei­sen sieht mancher Maaßens Zukunft skeptisch. Ein angeschlag­ener BfV-Chef, dem angesichts der zugespitzt­en Stimmung im Land seine unglücklic­hen Interview-Äußerungen vorgehalte­n würden, könne schnell zur „lahmen Ente“werden, heißt es. Eine andere Einschätzu­ng lautet, dass Seehofer seinen obersten Verfassung­sschützer in einigen Monaten doch noch ablösen könne - nur eben lautloser als zur Zeit. Maaßen wäre dann ein Verfassung­sschutzprä­sident auf Abruf.

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FOTO: DPA Verfassung­sschutzprä­sident Maaßen musste sich gestern erklären.

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