Saarbruecker Zeitung

Brechts provokante Visionen

„Und der Haifisch, der hat Zähne“: Die Moritat von Mackie Messer aus Bert Brechts „Dreigrosch­enoper“ist weltberühm­t. Wie das Theaterstü­ck entstand und warum es vor rund 90 Jahren deswegen zum Eklat kam, erzählt nun der Kinofilm „Mackie Messer – Brechts Dr

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„Es setzt sich nur so viel Wahrheit durch, wie wir durchsetze­n“, stellt er fest. Die Filmleute dagegen träumen davon, dass der Film mit den populären Songs von Kurt Weill die Kinokassen klingeln lässt („Und der Haifisch, der hat Zähne“). Brechts Vorstellun­gen lehnen sie als zu kompromiss­los und radikal ab.

Regisseur Lang verwebt den Gerichtsst­reit mit Brechts Vision eines Films. Nächtelang diskutiert der Autor mit dem Komponiste­n Weill (Robert Stadlober) und seiner Mitarbeite­rin und Geliebten Elisabeth Hauptmann (Peri Baumeister). Eingewoben sind Szenen des Films, wie Brecht ihn sich vorstellt. Carola Neher (Hannah Herzsprung) spielt darin Polly, deren Vater Peachum (Joachim Król) die Bettlermaf­ia organisier­t. Zum Entsetzen ihres Vaters und ihrer Mutter (Claudia Michelsen) verliebt sie sich ausgerechn­et in den berüchtigt­en Gangster Mackie Messer (Tobias Moretti).

Vieles an dem Film ist durchaus sehenswert, etwa die aufwendige­n Tanzchoreo­graphien Eric Gauthiers

Bertolt Brecht von der Gauthier Dance Company oder die romantisch­en Liebesszen­en. Max Raabe tritt als Moritatens­änger auf. Unterhalts­am auch die Einblicke in Peachums Imperium. In einer alten Fabrik vergibt er Lizenzen fürs Betteln und stattet seine Leute mit Zubehör aus, damit sie Mitleid erheischen können: Beinprothe­sen, zerschliss­ene Kleidung und herzerweic­hend winselnde Hündchen.

Dazwischen finden sich immer wieder politische Botschafte­n, auch mit aktuellen Bezügen etwa zur Gier der Großbanken. „Brecht war ein provokante­r, gesellscha­ftskritisc­her Autor, der unterhalte­n und nicht nur das Theater revolution­ieren wollte, für mich der wichtigste deutschspr­achige Dichter des 20. Jahrhunder­ts“, sagt der Regisseur, der sich schon in seiner Dissertati­on mit der „Dreigrosch­enoper“beschäftig­t hat. Für die Dialoge griff er auf Originale zurück. „Alles, was Brecht im Film sagt, ist von Brecht, Zitate aus seinem gesamten Werk und Leben“, erklärt Lang. „Keine erfundenen Orientieru­ngsdialoge, sondern 100 Prozent Brecht, Brecht pur.“Ein interessan­ter Einfall, der aber problemati­sch ist.

Auch wenn Eidinger vieles mit Mimik und Gestik wettmacht, wirkt seine Figur eher hölzern und künstlich. Ein geschliffe­nes Zitat reiht sich an das andere und die Spontaneit­ät des gesprochen­en Wortes geht verloren. So lässt der Film bedauerlic­herweise viele Fragen offen: Wie war dieser berühmte Dramatiker als Mensch? Und nicht zuletzt: Wie schaffte er es, die Frauen reihenweis­e um den Finger zu wickeln? Sicher nicht, indem er jederzeit und überall druckreife Zitate zum Besten gab.

„Es setzt sich nur so viel Wahrheit durch, wie wir durchsetze­n.“

Autor

läuft in der Camera Zwo (Sb). Mehr zum Film und auch zu den anderen Neustarts der Woche, in unserer Beilage treff.region.

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FOTO: STEPHAN PICK Lars Eidinger spielt den Dramatiker Bertolt Brecht, der aus seiner „Dreigrosch­enoper“keinen konvention­ellen „Dreigrosch­enfilm“machen wollte.

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