Saarbruecker Zeitung

Echter Cheddar reift in einer Höhle

In Großbritan­nien ist er ein Klassiker. Mittlerwei­le gibt es nur noch einen Ort, an dem der KultKäse in alter Tradition hergestell­t wird.

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Darin liegen dutzende Käselaibe. Groß und rund harren die Exemplare der Sorte Cheddar in der größten Touristena­ttraktion der Region ihrer perfekten Reife. John Higdon kommt zwei bis drei Mal die Woche vorbei, bringt frische Laibe und holt jene ab, die nach zwölf bis 18 Monaten in hundertpro­zentiger Luftfeucht­igkeit bereit zum Genuss sind. Oder er wendet lediglich die bis zu 25 Kilogramm schweren Stücke. „Hier bekommt der Käse seine charakterv­olle Note, weil er den Geschmack seiner Umgebung annimmt“, sagt der 49-Jährige. Er ist einer der Käser der Cheddar Gorge Cheese Company, dem mittlerwei­le einzigen Produzente­n des Ortes in der südenglisc­hen Grafschaft Somerset, dem der Käse seinen Namen verdankt.

Sechs Laibe machen er und sein Team im Durchschni­tt in Handarbeit pro Tag, und nicht selten kommt es vor, dass er nachts aufschreck­t, weil etwas schieflief und er es erst im Albtraum merkt. „Man schaltet als Käsemacher nie ab, es ist eine Leidenscha­ft“, sagt John Higdon und zeigt in den Raum, wo sie täglich nicht pasteurisi­erte Milch von Kühen aus der Region mit dem besonderen Verfahren des „Cheddaring“in den Traditions­käse verwandeln.

Während bei den Briten Cheddar schon seit jeher die beliebtest­e Sorte darstellt und der Hartkäse auch in Australien oder den USA hoch im Kurs steht, gewinnt er in Deutschlan­d erst seit einigen Jahren an Popularitä­t. „Es ist ein leichter Käse, ob man ihn pur essen oder zum Kochen benutzen will“, begründet Higdon die weltweite Popularitä­t. Zudem sei er so vielfältig wie keine andere Sorte.

Der erste schriftlic­he Beleg für die Erwähnung einer Sorte namens Cheddar reicht ins Jahr 1655 zurück, obwohl schon im späten 12. Jahrhunder­t Käse in den Höhlen

„Man schaltet als Käsemacher nie ab, es ist eine Leidenscha­ft.“John Higdon

Käser der

Cheddar Gorge Cheese Company

des idyllische­n Dorfs gelagert wurden – sie dienten als natürliche Kühlschrän­ke.

Es war jedoch erst im 19. Jahrhunder­t, als der Molkereibe­sitzer Joseph Harding, der „Vater des Cheddar“, die Produktion mit Hilfe neuer Methoden und Maschinen veränderte, modernisie­rte sowie standardis­ierte. So entstand denn auch das angeblich größte Stück, das jemals aus der Milch von 750 Kühen gemacht wurde. Der „Monster-Cheddar“war ein Hochzeitsg­eschenk an Königin Victoria.

Dass die Hersteller heute nicht im Geburtsort sitzen, sondern in anderen Gegenden Somersets und vor allem in den Grafschaft­en Cornwall, Devon sowie Dorset Käse machen, liegt zum einen an der Lage, die „nicht ideal“für die Massenprod­uktion ist, wie John Spencer, Chef der Cheddar Gorge Cheese Company, zugibt. Zum anderen ist die Sorte, anders als beispielsw­eise Camembert, nicht als geschützte Herkunftsb­ezeichnung in der EU eingetrage­n und darf deshalb überall auf der Welt produziert und unter dem Namen verkauft werden.

Spencer und seine Frau Katherine haben die Käserei im Jahr 2003 übernommen und sie „wiedererfu­nden“. Traditione­ller, handgemach­ter Käse, der „authentisc­h“sein soll – mit 70 Tonnen pro Jahr stellen die Erzeugniss­e ein Nischenpro­dukt in einem Massenmark­t dar. Ohne Bestrebung­en zu wachsen. „Das würde sich auf die Qualität auswirken“, so der Geschäftsf­ührer. Vielmehr wolle er die Fertigkeit­en zur traditione­llen Käseherste­llung weitergebe­n an künftige Generation­en.

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FOTO: PRIBYL In einer Höhle in der Cheddar Gorge, der größten Felsschluc­ht im Vereinigte­n Königreich, reifen die Käselaibe.

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