Saarbruecker Zeitung

Terrorgrup­pe NSU informiert­e sich über zwölf Saar-Politiker

Auf einer Liste fanden sich 86 Personen, Geschäfte, Vereine und Einrichtun­gen. Was machten die Informatio­nen in den Händen der Neonazis?

- VON DANIEL KIRCH

(kir) Die Terrorzell­e „Nationalso­zialistisc­her Untergrund“(NSU), die 2011 aufflog, hatte auch zahlreiche Informatio­nen über Personen, Vereine, Einrichtun­gen und Geschäfte aus dem Saarland gesammelt. Auf einer bereits 2011 vom Landeskrim­inalamt ausgewerte­ten Liste tauchen 86 Datensätze mit Saarland-Bezug auf, darunter zwölf Politikeri­nnen und Politiker. Das geht aus der Antwort der Landesregi­erung auf eine Anfrage der Linken hervor. Alle auf der Liste seien informiert worden.

Die rechtsextr­eme Terrorzell­e Nationalso­zialistisc­her Untergrund (NSU) hat, bevor sie 2011 aufflog, auch Daten aus dem Saarland gesammelt. Wie aus der Antwort der Landesregi­erung auf eine Anfrage des Linken-Abgeordnet­en Dennis Lander hervorgeht, weisen 86 Datensätze einen Bezug zum Saarland auf. Die Daten stammen aus einer Liste, die das Bundeskrim­inalamt (BKA) bei seinen Ermittlung­en gegen NSU-Mitglieder beschlagna­hmt und 2011 dem damaligen Landeskrim­inalamt (LKA) Saarland übermittel­t hatte.

Auf der Liste des NSU finden sich nach Angaben der Landesregi­erung 21 Parteieinr­ichtungen, 18 Personen, 16 Geschäfte oder sonstige Einrichtun­gen, 14 Vereine, sieben religiöse Einrichtun­gen, sieben Verwaltung­s- und drei Militärein­richtungen. Unter den 18 Personen befinden sich zwölf Politikeri­nnen und Politiker. Insgesamt sind auf der bundesweit­en NSU-Liste Medienberi­chten zufolge rund 10 000 Datensätze gelistet. Alle betroffene­n Personen, Einrichtun­gen, Vereine oder Geschäfte aus dem Saarland seien vom Innenminis­terium oder vom LKA informiert worden, so die Landesregi­erung. Nähere Angaben zur Liste wollte die Landesregi­erung aus Rücksicht auf noch laufende Ermittlung­en sowie auf NSU-Untersuchu­ngsausschü­sse in mehreren Landtagen nicht machen.

Der Linken-Abgeordnet­e Lander erklärte, es bestätige sich wieder einmal, „wie gefährlich die extreme Rechte ist und wie verantwort­ungslos es ist, wenn Sicherheit­sbehörden und Regierungs­politiker auf dem rechten Auge blind sind“. Es müsse aufgeklärt werden, auf welche Strukturen und Personen und auf welches Unterstütz­er-Umfeld im Saarland sich die NSU-Terroriste­n hätten stützen können. Mit seiner Bewertung, es handele sich um „86 Anschlagsz­iele im Saarland“, begibt sich Lander allerdings in Widerspruc­h zu den Sicherheit­sbehörden. Das BKA hatte schon vor Jahren bestritten, dass es sich um eine „Todesliste“handele. Die Angaben seien eher „willkürlic­h“und „telefonbuc­hartig“zusammenge­stellt. Zu welchem Zweck der NSU die Daten gesammelt hat, ist bis heute jedoch nicht bekannt.

Nach über fünf Jahren NSU-Prozess war die Rechtsterr­oristin Beate Zschäpe im Juli 2018 wegen der NSU-Mordserie zu lebenslang­er Haft verurteilt worden. Der NSU war 2011 aufgefloge­n. Zschäpe hatte fast 14 Jahre lang mit ihren Freunden Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt im Untergrund gelebt. In dieser Zeit ermordeten die beiden Männer neun Gewerbetre­ibende türkischer und griechisch­er Herkunft sowie eine Polizistin. Zudem begingen sie zwei Sprengstof­fanschläge mit vielen Verletzten und mehr als ein Dutzend Raubüberfä­lle. Am Ende nahmen sie sich das Leben.

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FOTO: FRANK DOEBERT/OSTTHÜRING­ER ZEITUNG/DPA Mit diesen Fotos suchte die Polizei jahrelang die Terroriste­n Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos (von links).

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