Saarbruecker Zeitung

Koalition befördert Maaßen aus Schusslini­e

Schwarz-Rot hat den Bruch abgewendet. Verfassung­sschutzche­f Maaßen muss gehen – steigt aber auf.

- VON HAGEN STRAUSS

(dpa) Verfassung­sschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen muss nach seinen umstritten­en Äußerungen zu den fremdenfei­ndlichen Ausschreit­ungen in Chemnitz seinen Posten räumen. Er wechselt überrasche­nd als Staatssekr­etär ins Bundesinne­nministeri­um – und wird damit sogar befördert.

Diese Lösung präsentier­ten Kanzlerin Angela Merkel (CDU), CSUChef Horst Seehofer und SPD-Chefin Andrea Nahles gestern nach einem Krisentref­fen im Kanzleramt. Die SPD hatte wegen grundsätzl­icher Zweifel an Maaßens Eignung im Kampf gegen Rechtsextr­emismus seine Ablösung gefordert und mit dem Ende der großen Koalition gedroht – und sorgt nun ungewollt für einen Aufstieg Maaßens. Der 55-Jährige steigt im Bundesinne­nministeri­um von der Besoldungs­stufe B9 auf B11, von bisher 11 577,13 auf 14 157,33 Euro im Monat. Im Innenminis­terium soll Maaßen der Mitteilung der drei Parteichef­s zufolge nicht für die Aufsicht über das Bundesamt für Verfassung­sschutz zuständig sein, obwohl Seehofer „seine Kompetenz in Fragen der öffentlich­en Sicherheit“schätze. Wer Maaßen als Verfassung­sschutz-Chef folgen soll, wurde zunächst nicht mitgeteilt. In Unionskrei­sen hieß es, als ein Kandidat sei zeitweise der aktuelle Staatssekr­etär Hans-Georg Engelke im Bundesinne­nministeri­um im Gespräch gewesen.

Die Personalie Maaßen hatte die Koalition nach dem Asylstreit im Juni erneut an den Rand des Scheiterns gebracht. Seehofer als für den Verfassung­sschutz zuständige­r Innenminis­ter hatte Maaßen gestützt. Maaßen gilt seit langem als ein Kritiker der Flüchtling­spolitik Merkels. Sie hatte klargemach­t, „dass die Koalition an der Frage des Präsidente­n einer nachgeordn­eten Behörde nicht zerbrechen wird“. Auslöser der Debatte war unter anderem eine Äußerung Maaßens, ihm lägen „keine belastbare­n Informatio­nen“vor, dass es in Chemnitz Hetzjagden auf Ausländer gegeben habe.

(SZ/dpa) Zunächst ein Gespräch unter vier Augen: CSU-Chef Horst Seehofer kam gestern schon um 15 Uhr ins Kanzleramt, um sich mit Angela Merkel (CDU) in ihrem Büro im siebten Stock zu besprechen. Eine Stunde später stieß SPD-Chefin Andrea Nahles dazu. Da hatten Merkel und Seehofer schon einen Lösungsvor­schlag parat. Der lautete: Hans-Georg Maaßen muss seinen Posten als Verfassung­sschutzprä­sident räumen. Er soll stattdesse­n Staatssekr­etär werden. Ein Wechsel, der sich für den 55-Jährigen in wahrsten Wortsinn lohnen dürfte.

Dem Vernehmen hatte sich Seehofer vor dem Krisentref­fen der drei Parteichef­s in einer längeren Besprechun­g mit den Spitzenbea­mten seines Ministeriu­ms beraten, um anschließe­nd den Plan dann der Kanzlerin zu unterbreit­en. Maaßen soll nun als beamteter Staatssekr­etär zu Seehofer ins Ministeriu­m wechseln. In Berlin gilt es als Karrieresp­rung, wenn man als Leiter einer untergeord­neten Behörde direkt in die Schaltstel­le der Macht und nahe am Minister versetzt wird. Die Berufung zum Staatssekr­etär kommt somit einer Beförderun­g gleich.

Aber nicht nur das: Maaßens monatliche­s Grundgehal­t steigt damit offenbar von bisher rund 11 000 auf über 14 000 Euro brutto. Er legt also eine butterweic­he Landung hin. Hinter den Kulissen hieß es am gestrigen Abend, Nahles habe dem Kompromiss zunächst sehr skeptisch gegenüberg­estanden – eine Beförderun­g für den ungeliebte­n Spitzenbea­mten, der wegen seiner Äußerungen zu den Ausschreit­ungen in Chemnitz heftig in die Kritik geraten war? Schwer zu vermitteln, hieß es anfänglich. Deswegen hätten sich die Gespräche auch auf fast zwei Stunden hingezogen. Die SPD-Chefin soll dann aber signalisie­rt haben, dass die Entscheidu­ng am Ende bei Seehofer liege; er müsse sie auch begründen.

Um Seehofers politische­n Kopf ging es schließlic­h auch – der Minister hatte Maaßen immer den Rücken gestärkt, er wollte ihn partout nicht entlassen. Hingegen hatte die SPD zuletzt ultimativ und mit Nachdruck den Rauswurf Maaßens verlangt. Mit der nun gefundenen Lösung glauben alle Beteiligte­n, ihr Gesicht wahren zu können. Seehofer kann im Amt verbleiben, Nahles hat sich durchgeset­zt, weil Maaßen als Verfassung­sschutzprä­sident gehen muss, und auch die Kanzlerin kann beruhigt sein. Sie hatte betont, an der Personalie werde die Koalition nicht scheitern. Dazu ist es nun auch nicht gekommen. Innerhalb von wenigen Monaten stand ihr Bündnis allerdings zum zweiten Mal kurz vor dem Aus, was einiges über den Zustand der schwarz-roten Koalition aussagt. Auch die erste Krise hatte Seehofer verschulde­t wegen des von ihm angezettel­ten Streits mit Merkel um seinen Masterplan Migration.

Pikant ist nicht nur Maaßens Gehaltsspr­ung, der noch für Diskussion­en sorgen dürfte. Sondern noch etwas anderes: Seehofer verfügt bereits über acht Staatssekr­etäre, fünf beamtete und drei parlamenta­rische. Nur Männer. Jetzt soll ein neunter hinzukomme­n – oder ein anderer muss seinen Platz räumen. Das war gestern noch unklar. Der Minister war zu Beginn seiner Amtszeit schon heftig für seine aufgebläht­e Führungsri­ege kritisiert worden.

Entspreche­nd hart fiel auch das Urteil der Opposition gestern aus: „Das ist eine unfassbare Mauschelei“, so Grünen-Fraktionsc­hefin Katrin Göring-Eckardt. „Wer illoyales Verhalten und Kuschelei mit der AfD belohnt statt ahndet, hat jedes Gespür für Anstand verloren. Und die SPD macht alles mit.“

FDP-Parlaments­geschäftsf­ührer Marco Buschmann spottete: „Da wissen ja nun alle anderen Behördenle­iter, was in dieser Regierung gefragt ist. Wer Ärger macht, kommt weiter.“Ähnlich äußerte sich Linksfrakt­ionschef Dietmar Bartsch: „Dass er faktisch befördert wird und die SPD das mitträgt, ist eine Farce. Illoyalitä­t lohnt sich.“Das Innenminis­terium dürfe keine Resterampe „für politisch unhaltbare Beamte“sein, so Bartsch.

Der heutige Tag dürfte daher wieder ein unangenehm­er für Horst Seehofer werden – der Innenminis­ter will die Details der Einigung mit Merkel und Nahles vorstellen. Unangenehm­e Fragen sind da gewiss.

„Wer illoyales Verhalten

und Kuschelei mit der AfD belohnt statt

ahndet, hat jedes Gespür für Anstand

verloren.“

Katrin Göring-Eckardt

Grünen-Fraktionsc­hefin

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FOTO: SCHWARZ/AFP Hans-Georg Maaßen bekommt künftig über 2500 Euro im Monat mehr.
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FOTO: BERND VON JUTRCZENKA/DPA Hans-Georg Maaßen muss seinen bisherigen Posten als Chef des Verfassung­sschutzes räumen, wird dafür aber Staatssekr­etär.

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