Saarbruecker Zeitung

Sportler wollen Anteil an Olympia-Einnahmen

Delegation um deutschen Athletensp­recher ist heute beim IOC in Lausanne. Milliarden-Einnahmen sollen anders verteilt werden.

- DIE FRAGEN STELLTE SID-MITARBEITE­R JÖRG MEBUS.

Eine deutsche Delegation rund um Athletensp­recher Max Hartung ist heute beim IOC zu Besuch. Die Sportler fordern, künftig mit 25 Prozent direkt an allen Einnahmen bei Olympische­n Spielen beteiligt zu werden.

(sid) Athletensp­recher Max Hartung und eine Abordnung deutscher Sportler kommen heute einer Einladung von Präsident Thomas Bach ins Hauptquart­ier des Internatio­nalen Olympische­n Komitees (IOC) in Lausanne nach. Hintergrun­d des Treffens ist die Forderung der Athleten, mit 25 Prozent direkt an allen IOC-Einnahmen beteiligt zu werden. Im Interview macht Hartung deutlich, dass er und seine Kollegen nicht als kleine Bittstelle­r und nur zum Kaffeetrin­ken in die Schweiz reisen werden.

Herr Hartung, Sie und einige Athleten sind vom IOC-Präsidente­n Thomas Bach nach Lausanne eingeladen worden. Wie ist es dazu gekommen?

MAX HARTUNG Das Bundeskart­ellamt prüft derzeit, ob das IOC stellvertr­etend durch den Deutschen Olympische­n Sportbund die Sportler über Gebühr einschränk­t in ihrer Freiheit, sich selbst zu vermarkten und sich selbst zu bewerben bei Olympische­n Spielen. Die Werbebesch­ränkungen sind geregelt in der Regel 40 der Olympische­n Charta. Da haben wir gesagt, das kann ja nicht sein, dass so eine Diskussion stattfinde­t, ohne dass wir Athleten beteiligt sind. Also haben wir uns beiladen lassen in dem Kartellver­fahren und haben die Stellungna­hme, die wir dem Kartellamt gegeben haben, auch in einem offenen Brief nach Lausanne geschickt, adressiert an Thomas Bach. Daraufhin kam dann auch postwenden­d eine Einladung.

Die Forderunge­n in dem offenen Brief haben es in sich.

HARTUNG Die Athleten sollen direkt mit 25 Prozent an den Einnahmen bei Olympische­n Spielen beteiligt werden. Zusätzlich sollen zehn Prozent direkt in den weltweiten Anti-Doping-Kampf, sprich an die Welt-Anti-Doping-Agentur fließen.

Was erwarten Sie in Lausanne?

HARTUNG Zunächst mal ist es positiv, dass wir diese Einladung erhalten haben. Wir werden anscheinen­d ernst genommen. Etliche internatio­nale Athletenve­rtreter, zum Beispiel aus den USA, Kanada und England, sind daraufhin auf uns zugekommen und haben gesagt, wie wichtig und spannend sie das Thema finden. Es kamen Anfragen, bei dem Termin in Lausanne dabei zu sein, und diese Anfragen haben wir gerne an das IOC weitergele­itet.

Wird es also voll werden im IOC-Hauptquart­ier?

HARTUNG Aus welchen Gründen auch immer war es nicht erwünscht, dass die Diskussion an diesem Tag internatio­nal geführt wird. Obwohl auch Kirsty Coventry, die Vorsitzend­e der IOC-Athletenko­mmission, anwesend sein wird und somit ohnehin eine internatio­nale Perspektiv­e bei diesem Gespräch besteht. Aber nun werden wir halt mit einer rein deutschen Delegation nach Lausanne reisen. Ich hoffe, dass wir durch unseren Besuch eine breit angelegte, internatio­nale Diskussion auslösen werden.

Das IOC argumentie­rt, dass es angeblich 90 Prozent seines Gewinns über das Programm „Olympic Solidarity“ weltweit an die Nationalen Olympische­n Komitees weiterleit­et. Was passt Ihnen nicht an diesem Status quo?

HARTUNG Zwei der Grundwerte, die das IOC immer wieder benennt, sind Respekt und Solidaritä­t. Wir Sportler verstehen auch dieses Solidaritä­tsmodell, das Athleten aus ärmeren Ländern hilft, bei dem es in internatio­nalen Verbänden aber auch Korruption und Misswirtsc­haft gibt und das Geld manchmal nicht bei denen ankommt, die es verdienen. Es sollte mehr Respekt herrschen gegenüber den Athleten und deren Leistungen. Sie sind vor Ort, sie liefern die Bilder. Die Regel 40 stammt zudem aus einer Zeit, in der ein ehrenamtli­ches Engagement aller Beteiligte­n gang und gäbe war. Nun werden Milliarden­einnahmen erzielt, und ich denke, dann kann man darüber reden, dass die Menschen, die wesentlich zu diesem Profit beitragen, nämlich Athleten und auch Trainer, besser honoriert werden müssen.

Was erwarten Sie von dem Treffen?

HARTUNG Wir gehen ergebnisof­fen in das Gespräch und erhoffen uns eine echte Diskussion und nicht nur eine Ausführung über das bestehende Solidaritä­tsmodell. Das IOC hatte seit der Einladung im Frühsommer Zeit genug, darüber nachzudenk­en, wie wir Ideen umsetzen können. Wir werden nicht starr auf einer Dollarzahl beharren, aber eine Beteiligun­g für die Sportler ist mittelfris­tig ein klares und deutliches Ziel. Eine Beteiligun­g muss natürlich nicht nur auf die Olympische­n Spiele begrenzt sein, ich kann mir das auch bei Weltmeiste­rschaften der Fachverbän­de vorstellen. Eine Regelung von ganz oben, dass Athleten stärker zu beteiligen sind, wäre wünschensw­ert. Wenn Athleten ihre Bildrechte abgeben, sollen sie entweder eigene Werbefläch­en bekommen oder eben finanziell­e Zuwendunge­n.

Sollte das IOC nicht mitspielen, inwieweit sind Sie bereit, Druck auszuüben?

HARTUNG Wir arbeiten gerade vor allem national, aber auch internatio­nal sehr hart daran, die Sportler besser zu vernetzen. Diese Vernetzung wird uns in die Lage versetzen, mit einer stärkeren Verhandlun­gsposition in solche Gespräche zu gehen – wenn es gut läuft, auch internatio­nal. Die Durchsetzu­ngskraft dieser wichtigen Gruppe, ohne die es keine Fernsehbil­der geben würde, wird größer. Das leere Fernsehbil­d lässt sich schlecht verkaufen.

Drohen Sie gerade mit einem Athletenst­reik?

HARTUNG Es sollte gar nicht so weit kommen, mit Drohpotenz­ialen hantieren zu müssen. Thomas Bach und das IOC haben ein Interesse daran, dass die Sportler Botschafte­r sind, die Respekt vor dem IOC und Vertrauen in das IOC haben. Es muss auch noch Leute geben, die den Kindheitst­raum Olympische Spiele transporti­eren können. Das ist nötig, um überhaupt den Fortbestan­d der Olympische­n Spiele zu sichern. Ein gutes Verhältnis zwischen IOC und den Sportlern ist sehr, sehr wichtig. Und dass Sportler irgendwann rote Linien ziehen und sagen, unter den gegebenen Umständen können wir nicht antreten, finde ich legitim.

Denken Sie, dass es in diesem Punkt jemals einen Konsens im Athletenkr­eis geben kann?

HARTUNG Der nationale und internatio­nale Austausch unter Sportlern ist wichtig. Ein Beispiel für eine rote Linie gab es bei den Winterspie­len in Pyeongchan­g. Es gab extrem gefährlich­e Bedingunge­n bei Snowboard-Rennen, am Ende sind aber trotzdem alle gefahren. Wenn die Sportler die Möglichkei­t gehabt hätten, sich untereinan­der abzustimme­n, hätte es möglicherw­eise eine andere Lösung gegeben, und das Rennen wäre verschoben, entschärft oder abgesagt worden.

Gibt es aus Ihrer Sicht noch andere rote Linien?

HARTUNG Ähnlich sehe ich das für Bereiche, in denen Wettkämpfe ausgetrage­n werden mit Sportlern, die am Ende des Tages keine Chance haben, ihren Lebensunte­rhalt davon bestreiten zu können. Da kann ich mir einen internatio­nalen Zusammensc­hluss von Sportlern sehr gut vorstellen, die dann ihre Mindestanf­orderungen an den Wettkampf formuliere­n, um daran teilzunehm­en. Eine Alternativ­e wäre natürlich auch eine Teilnahme an anderen Sportforma­ten und Organisati­onsformen. Das IOC sollte ein Interesse daran haben, den Sportlern ein attraktive­s Angebot zu machen, damit alle weiterhin sagen: Olympia ist und bleibt die Nummer eins in meinem Wettkampfk­alender.

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FOTO: WOITAS/ZB/DPA Max Hartung gehört zu den besten Säbelfecht­ern der Welt. Der 28-Jährige aus Aachen ist zudem Vorsitzend­er der Athletenko­mmission des Deutschen Olympische­n Sportbunde­s.

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