Saarbruecker Zeitung

Armut im Südsudan zwingt Kinder zur Minenarbei­t

Nach Jahren des Bürgerkrie­gs liegt die Wirtschaft des Landes am Boden. Um nicht zu hungern, müssen in vielen Familien auch die Kinder Geld verdienen.

- VON SAM MEDNICK Produktion dieser Seite: Fatima Abbas, Robby Lorenz Gerrit Dauelsberg

(ap) Mit Schlamm beschmiert kratzt sich die achtjährig­e Losika Losepio an einer Wunde am Ellbogen. „Das Graben ist anstrengen­d und die Schaufel ist schwer. Eigentlich wäre ich viel lieber in der Schule“, sagt sie. In einer Mine außerhalb der südsudanes­ischen Stadt Kapoeta sucht das Mädchen im Dreck nach winzigen Goldstückc­hen, die ihre Familie gegen Essen eintausche­n kann. Jeden Tag muss sie schuften – manchmal sogar so lange, dass sie gleich in der Mine übernachte­t.

Losepios Vater kann sich nicht für alle seiner neun Kinder eine Ausbildung leisten. Deswegen schickt er nur vier in die Schule und die anderen fünf in die Mine. Das jüngste derer, die arbeiten müssen, ist fünf Jahre alt. Und die Familie ist im Südsudan keineswegs die einzige, in der Kinderarbe­it zum Alltag gehört. Nach fünf Jahren Bürgerkrie­g sehen viele Menschen dort kaum eine andere Möglichkei­t.

Der im Südosten gelegene Bundesstaa­t Kapoeta ist an Rohstoffen reich. Trotzdem litten die Bewohner wegen des bewaffnete­n Konflikts zuletzt immer wieder an Hunger. In der gleichnami­gen Regionalha­uptstadt bekamen Reporter der Nachrichte­nagentur AP bei einem Besuch im August einen Eindruck von den Folgen. Nicht nur in der Goldmine mussten Dutzende ausgezehrt­e Kinder Schwerstar­beit verrichten. Kleine Jungen schoben Karren voller Wasserkani­ster über unbefestig­te Straßen, andere verkauften auf einem Markt in der sengenden Sonne gebrauchte Kleidung.

Laut offizielle­n Zahlen gehen allein im Bundesstaa­t Kapoeta mehr als 600 Kinder im Alter von acht bis zwölf Jahren einer Arbeit nach – ob im Bergbau, im Handel oder im Gastgewerb­e. Die örtlichen Behörden sprechen von einem akuten Problem, das durch eine allgemeine Gleichgült­igkeit in der Gesellscha­ft verstärkt werde. „Die Zahl der arbeitende­n Kinder steigt von Tag zu Tag“, sagt die in Kapoeta für humanitäre Fragen zuständige Regionalmi­nisterin Jennifer Edward. „Den Leuten ist es egal, wie alt oder wie jung ein Kind ist.“Manch einer scheint sogar ganz bewusst auf die besonders „billigen Arbeitskrä­fte“zu setzen.

Nach Bestimmung­en der Internatio­nalen Arbeitsorg­anisation ILO ist die Arbeit von Kindern, die das jeweilige nationale Mindestalt­er noch nicht erreicht haben, verboten. In den meisten Staaten liegt dieses Mindestalt­er bei 15 Jahren, in einigen Entwicklun­gsländern wie dem Südsudan bei 14 Jahren oder weniger. Bestimmte gefährlich­e Tätigkeite­n wie etwa die im Bergbau zählt die ILO allerdings zu den „schlimmste­n Formen der Kinderarbe­it“. Diese dürften auf gar keinen Fall von Personen unter 18 verrichtet werden.

Eine landesweit­e Statistik zur Kinderarbe­it kann die südsudanes­ische Regierung nicht vorweisen. Das Problem sei aber nicht katastroph­al und die Arbeitgebe­r im Land würden die internatio­nalen Regeln befolgen, beteuert Mary Hillary Wani vom Arbeitsmin­isterium in Juba.

Vor Ort engagieren sich derweil auch private Hilfsorgan­isationen im Kampf gegen Kinderarbe­it. Eine davon ist die von dem gebürtigen Amerikaner Gregory McClerkin mitbegründ­ete Organisati­on Hope4Sudan, die seit mehreren Jahren eine eigene Schule betreibt. Die kirchliche Einrichtun­g bietet mehr als 200 Kindern kostenlose­n Unterricht und bei Bedarf auch Unterkunft und Verpflegun­g.

Titus Lopir war acht Jahre alt, als er in der Stadt Kapoeta einen Job als Tellerwäsc­her in einem Hotel aufnahm. Zwei Jahre lang arbeitete der Junge jeden Tag. Er sorgte dafür, dass das Feuer in der Küche nachts nicht ausging, kochte für die übrige Belegschaf­t und machte sauber. Eine Bezahlung erhielt er nicht – bloß ein Dach über dem Kopf und etwas zu essen. Oft aß er die Reste von den Tellern der Gäste. „Es war hart, aber ich hatte keine andere Wahl“, sagt der Junge, der früh seine Mutter verlor und seinen Vater nie kennengele­rnt hat. Inzwischen, im Alter von zwölf, besucht er seit zwei Jahren die Schule von Hope4Sudan – allerdings nur unregelmäß­ig. Immer wieder verschwind­et er für einige Monate, in denen er mit dem Verkauf von geklauten Handys oder alter Kleidung etwas Geld zu verdienen versucht. Eigentlich wolle er gar nicht abhauen, sondern lernen, um eines Tages ein Arzt werden zu können, sagt er mit verschämte­m Blick auf den Boden. „In der Schule ist es besser.“

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FOTO: MEDNICK/DPA Die achtjährig­e Losika Losepio zeigt eine Verletzung am Ellenbogen, die sie sich bei der Arbeit in den Goldminen im Südsudan zugezogen hat.

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