Saarbruecker Zeitung

Ein Gipfel in Salzburg und ein Berg Probleme

Ungarn und Italien verweigern eine Einigung bei der Dublin-Reform.

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BRÜSSEL Eigentlich wollten sich die Staats- und Regierungs­chefs der EU in Salzburg treffen, um Antworten auf Fragen der Migration zu finden. Ohne Entscheidu­ngsdruck sollte der Weg geebnet werden für einen Durchbruch zu einem gemeinsame­n Handeln bis Ende des Jahres. Wenn sich die „Chefs“nun aber heute vor Alpen-Kulisse zum Abendessen treffen, sind sie davon weit entfernt. Inzwischen würden Brüsseler Diplomaten es schon als Erfolg werten, wenn das Treffen morgen Nachmittag ohne Eklat zu Ende geht. Es sei „sehr unwahrsche­inlich, dass ein Durchbruch bei der Reform der Dublin-Verordnung geschafft wird“, hieß es. Noch immer können sich die Hauptstädt­e nämlich nicht auf neue Regelungen einigen, welches Mitgliedsl­and künftig für Asylbewerb­er zuständig sein soll. Umstritten ist zudem, ob und wie Asylbewerb­er verteilt werden sollen, wenn einmal wieder besonders viele kommen.

Es ist die Aufgabe von EU-Ratspräsid­ent Donald Tusk, die Treffen der selbstbewu­ssten Staats- und Regierungs­chefs zu koordinier­en. In seinem Einladungs­schreiben forderte er sie diesmal ungewöhnli­ch deutlich auf, sich am Riemen zu reißen. „Wenn einige die Krise lösen wollen, während andere sie zu instrument­alisieren suchen, wird sie sich nicht lösen lassen.“Er sprach auch die „Spannungen“an, die sich zwischen den Hauptstädt­en über den Sommer aufgebaut hätten, verlangte, auf „Groll gegeneinan­der“zu verzichten und zu einem konstrukti­ven Ansatz zurückzuke­hren.

Jeder weiß, wen Tusk bei seiner Kritik im Blick hat: Italiens Populisten mit Matteo Salvini als Vize-Regierungs­chef sowie Ungarns Viktor Orban. Sie macht er dafür verantwort­lich, dass sich die EU in der Flüchtling­sfrage schon wieder im Krisenmodu­s befindet. Tusk hält es für eine Krise, die von Politikern gemacht wurde. Er verweist auf die Zahlen, die vergleichs­weise gering sind. Bis August sind 91 267 Zuwanderer über das Mittelmeer gekommen, 2015 und 2016 waren es knapp zwei Millionen. Heute kommen weniger Zuwanderer als vor dem Ausbruch der Krise.

Und dennoch blockiert Italien Schiffe, die aus Seenot gerettete Menschen aufgenomme­n haben, lässt sie nicht in die Häfen. Es wird damit gerechnet, dass der italienisc­he Ministerpr­äsident Giuseppe Conte in Salzburg wieder fordern wird, dass die Schiffe Häfen außerhalb Italiens anfahren sollen. Außerdem verlangt Rom, dass die anderen EU-Länder sich an der Aufnahme der illegal über das Mittelmeer gekommenen Migranten beteiligen.

Italien entwickelt sich zusammen mit Ungarn immer mehr zum Störenfrie­d bei Gipfeltref­fen. In der Migrations­frage tritt Rom als Verbündete­r von Budapest auf. Und das obwohl ihre Positionen nur in einem Punkt vereinbar sind: Beide Länder wollen keine Flüchtling­e aufnehmen. Dagegen mahnt Italien eine Umverteilu­ng an, Ungarn aber wehrt sich gegen solche Pläne.

Es gibt noch mehr Zündstoff beim Gipfel in der Migrations­frage. Der Vorschlag der EU-Kommission, den Grenzschut­z Frontex massiv auszubauen, stößt in vielen Hauptstädt­en auf Widerstand. Die Kommission will, dass die Zahl der Mitarbeite­r von derzeit 1500 auf 10 000 bis zum Jahr 2020 aufgestock­t wird. Außerdem schlägt sie vor, dass die Beamten mehr Kompetenze­n bekommen und etwa bei der Rückführun­g von Migranten helfen sollen, die keine Chance auf Asyl in der EU haben.

Wie zu hören ist, stören sich viele Regierunge­n an den hohen Kosten, die der Ausbau von Frontex bedeuten würde. Es sei zudem nicht leicht, innerhalb so kurzer Zeit das geforderte Personal bereitzust­ellen, heißt es unter EU-Diplomaten. Kritisch wird vor allem in Italien und Griechenla­nd gesehen, dass die Mitgliedst­aaten Kompetenze­n im Bereich der Zuwanderun­g an Brüssel abgeben sollen. Tusk will die Staats- und Regierungs­chefs dazu bringen, in Salzburg jetzt Farbe zu bekennen: „Sie müssen entscheide­n, ob die Frontex-Reform schnell angegangen werden soll.“

Heute kommen weniger Zuwanderer als vor dem Ausbruch

der Krise.

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