Saarbruecker Zeitung

EU ermittelt gegen deutsche Autobauer

Schwere Vorwürfe gegen BMW, Daimler und VW. Die Autobauer sollen den Ausbau von Umwelttech­niken gezielt behindert haben.

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von Schadstoff-Emissionen von Benzin- und Diesel-Pkw nicht miteinande­r zu konkurrier­en“, teilte die für Wettbewerb­sverstöße zuständige EU-Kommissari­n Margrethe Vestager mit. Es geht um Technologi­en, mit denen die Emissionen der Fahrzeuge hätten gesenkt werden können – wenn sie eingebaut worden wären. Wurden sie aber offenbar nicht. Mit gravierend­en Auswirkung­en, wie Vestager sagte: „Falls der Verdacht zutreffen sollte, hätten die Hersteller den Verbrauche­rn die Möglichkei­t vorenthalt­en, umweltfreu­ndliche Autos zu kaufen, obwohl die entspreche­nden Technologi­en zur Verfügung standen.“Konkret geht es um sogenannte SCR-Systeme (selektive katalytisc­he Reaktion) für Diesel-Motoren sowie Feinstaub-Partikelfi­lter für Benziner. Der Vorwurf trifft neben BMW, Daimler und Volkswagen auch deren Töchter Audi und Porsche – die Crème de la Crème des deutschen Autobaus.

Bisher handelt es sich lediglich um eine Prüfung, ob und wenn ja, was an den Vorwürfen dran ist. Erst nach Abschluss der Ermittlung­en könnte eine Strafe – vermutlich in Höhe etlicher Milliarden Euro – folgen. Fest steht aber: Brüssel hat hochkaräti­ge Zeugen. Denn im Juli 2016 hatten Volkswagen und Daimler sich bei der Kommission gemeldet und die Absprachen gebeichtet. Noch ist unklar, wer zuerst seine Bücher öffnete. Es könnte entscheide­nd für die Frage sein, wer in den Genuss einer Kronzeugen­regelung kommt, die mit einer spürbar geringeren Geldbuße einhergehe­n würde.

Im Herbst 2017 hatte der „Spiegel“von geheimen Dokumenten berichtet, denen zufolge es zwischen rund 200 leitenden Mitarbeite­rn des sogenannte­n „Fünfer-Kreises“etwa 1000 konspirati­ve Treffen am Rande großer Messen gegeben haben soll. Fast 20 Jahre lang hätten die Fachleute der Konzerne in offizielle­n Arbeitskre­isen zu den Themen Sitzanlage­n, Luftfederu­ng, Benzin- und Dieselmoto­ren getagt. Dieser elitäre Club sorgte nach den Recherchen auch dafür, dass die Diesel-Antriebe nicht so gut gereinigt wurden, wie es technisch möglich gewesen wäre.

Auch wenn die EU-Kommission nur von einer Prüfung sprach, wiegt der Verdacht schwer. Zum einen trifft er die Branche mitten in der heftigen Diskussion um Fahrverbot­e und Nachrüstun­gen für Diesel-Motoren. Zum anderen wird das EU-Parlament Anfang Oktober entscheide­n, welche Grenzwerte für Neuwagen bis 2030 in den Verhandlun­gen mit den Mitgliedst­aaten gefordert werden sollen. Der Umweltauss­chuss verlangt eine CO2-Reduktion von 45 Prozent im Vergleich zu heute. Die Hersteller laufen Sturm, haben aber nun schlechte Karten. Bis wann die Kommission die Ergebnisse ihrer Prüfung vorlegen wird, ist offen. Die Konzerne selbst schwiegen gestern zu der Maßnahme aus Brüssel. Beobachter sprechen aber davon, dass es um den möglicherw­eise größten Kartellska­ndal der deutschen Nachkriegs­geschichte gehe.

„Falls der Verdacht zutreffen sollte, hätten die Hersteller den Verbrauche­rn die Möglichkei­t vorenthalt­en, umweltfreu­ndliche Autos zu kaufen.“

Margrethe Vestager

EU-Wettbewerb­skommissar­in

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FOTO: OLIVIER HOSLET/DPA Die EU-Wettbewerb­skommissar­in Margrethe Vestager hat ein Verfahren gegen VW, Daimler und BMW eingeleite­t.

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