Saarbruecker Zeitung

Von der Macht des bürgerlich­en Gewissens

In den 80er Jahren wurde Wackersdor­f zum Inbegriff der Anti-AKW-Bewegung: Nun arbeitet ein Film die Geschichte der damaligen Protestwel­le auf.

- Produktion dieser Seite: Christoph Schreiner Tobias Keßler

(dpa) Der Landkreis Schwandorf in den 80er Jahren: Die Arbeitslos­igkeit liegt bei 20 Prozent, die Menschen sind frustriert, fordern von der Politik Lösungen. Als die Staatsregi­erung dem Landrat eine Wiederaufa­rbeitungsa­nlage für Atommüll schmackhaf­t machen will, sieht der SPD-Mann eine Chance für 3000 Arbeitsplä­tze in der Region. Das in Wackersdor­f geplante Projekt löst eine der größten Protestwel­len in der Bundesrepu­blik aus. Es folgt brutale Polizeigew­alt. Der heute in den Kinos anlaufende Film „Wackersdor­f“von Regisseur Oliver Haffner zeichnet die Entwicklun­gen nach und erzählt ein Stück deutscher Geschichte – ein ebenso spannendes wie bewegendes Politdrama.

Produzent Ingo Fliess hat die Proteste als Schüler miterlebt und bringt gemeinsam mit Haffner die Geschichte der WAA Wackersdor­f nun ins Kino. Im Mittelpunk­t steht Landrat Hans Schuierer – stark gespielt von Johannes Zeiler, der die Zuschauer spüren lässt, wie der Politiker an vielen Fronten kämpft. Um Arbeitsplä­tze und um das Vertrauen der Menschen, um fachliche Informatio­nen zur WAA und gegen Repressali­en seitens der Staatsregi­erung. Er ringt mit sich und seinem Gewissen und lässt sich schließlic­h nicht mehr beirren. Schuierer wird zur Symbolfigu­r des Widerstand­es in Wackersdor­f.

Spielszene­n wechseln sich ab mit dokumentar­ischen Einblendun­gen, die die Wucht der Polizeiein­sätze zeigen. Mit Knüppeln und Gas gehen die Beamten gegen die Aktivisten vor. Gewalt, Disziplina­rverfahren und Verhaftung­en sollen die Bürger einschücht­ern. Die Staatsregi­erung hatte den Menschen in der Oberpfalz offensicht­lich nicht zugetraut, sich zu wehren. Ein Irrtum.

Die Debatte um die WAA habe damals Familien und Freundeskr­eise entzweit, erinnert sich Schuierer heute. Zwar habe sich der Streit zwischen Befürworte­rn und Gegnern nach dem endgültige­n Baustopp im Jahr 1989 gelegt. In Vergessenh­eit geraten seien die Ereignisse nicht. Schuierer sagt, er sei dankbar für den Film. Der zeige, „was in einem Rechtsstaa­t nicht passieren darf, aber auch, was in einem Rechtsstaa­t möglich ist“.

Vor allem junge Mütter hatten sich zunächst gegen das Projekt gewehrt, nach und nach schlossen sich immer mehr Menschen an. Pfarrer und Lehrer riskierten ihre Jobs. Der Protest, der aus der Sorge um die Gesundheit der Kinder entstand, weitete sich aus zu einem Protest gegen Parteienfi­lz und Machtstruk­turen.

Die aus Schwandorf stammende Schauspiel­erin Anna Maria Sturm spielt Monika, eine Rolle, die an ihre Mutter angelehnt ist. Irene Sturm kämpfte damals am Bauzaun gegen die WAA – Anna Maria war als kleines Mädchen meist dabei. Der Film zeige, dass Bürger etwas erreichen können, wenn sie zusammenha­lten, sind sich Mutter und Tochter Sturm einig. „Wackersdor­f“könne Mut machen. Überzeugen­d auch Fabian Hinrichs in der Rolle des Karlheinz Billinger, der als Vertreter der Projektsei­te den Landrat umgarnt. Oder Sigi Zimmerschi­ed als Umweltmini­ster, der dem Landrat eine „blitzsaube­re Sache“verspricht. Schuierer lässt sich jedoch das Zweifeln nicht nehmen.

Ab heute in der Camera Zwo (Sb).

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FOTO: ERIK MOSONI/DPA Johannes Zeiler in der Rolle des Landrats Schuierer.

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