Saarbruecker Zeitung

Ein Haus voller zerbrechli­cher Schönheite­n

Im einzigen Glasmuseum des Saarlandes erfahren Besucher zum Beispiel, welche Weinglasfa­rben in den 1920er-Jahren beliebt waren.

- VON NICOLE BARONSKY-OTTMANN Produktion dieser Seite: Lisa Kutteruf, Frank Kohler Markus Saeftel

In Ludweiler, im alten Bürgermeis­teramt, existiert das einzige Glasmuseum des Saarlandes. Eigentlich handelt es sich dabei um das Glas- und Heimatmuse­um Warndt, dessen Träger der Heimatkund­liche Verein Warndt e.V. ist, und das Glas ist nur eine Abteilung. Aber die 600 Glasexpona­te, zum Großteil aus drei verschiede­nen Privatsamm­lungen, nehmen nicht nur den größten Teil des Hauses in Anspruch, sie werden auch profession­ell präsentier­t. Auf zwei Etagen, in zwei verschiede­n aufgebaute­n Ausstellun­gsbereiche­n, können Interessie­rte jeden Sonntag von 14 bis 16 Uhr in die Geschichte der saarländis­chen Glashütten eintauchen.

Der Präsentati­on der Glasexpona­te merkt man an, dass sie lange Zeit profession­ell betreut wurde. Sie stammt aus dem Jahr 2007, nachdem man im Heimatkund­lichen Verein Warndt e.V. bereits 2002 die Idee gehabt hatte, ein Glasmuseum für das Saarland zu eröffnen. „Bei der Vorbereitu­ng und dem Gesamtkonz­ept der Präsentati­on wurden wir damals vom Historisch­en Museum Saar unterstütz­t“, erklärt Burkhardt Valentin, aktives Vereinsmit­glied und einer der Museumsbet­reuer. Er und seine Frau Maria Valentin sind leidenscha­ftliche Glassammle­r und mit genauso viel Herzblut bei der Sache, sonntags den Gästen die Glasausste­llung näherzubri­ngen.

Gerade ist eine kleine Gruppe zu Gast, die Besucher stammen aus Saarlouis, Konstanz, aber auch aus Merlebach jenseits der nahen Grenze. Ganz begeistert sind die Gäste von der Sammlung, deren Schwerpunk­t das Gebrauchsg­las der saarländis­chen Glashütten Fenne und Wadgassen ist. „Es gab in 300 Jahren über 50 Hütten im Saarland. Die meisten stellten Fenstergla­s und Flaschen her. Nur die Hütten in Fenne und Wadgassen fabriziert­en auch Gebrauchsg­las“, weiß Burkhardt Valentin zu berichten. „Die erste Hütte der Region arbeitete hier in Ludweiler ab dem Jahr 1616“, erklärt er die Affinität vieler Ludweiler für das Glas. „Wir haben hier hauptsächl­ich Pressglas. Das war das Glas, das in Eisenforme­n gepresst wurde, das Gebrauchsg­las ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunder­ts. Es wurde so verkauft, wie es aus der Form kam, es war damals die billige Variante des Glases.“

Um diese Gläser nicht nur in Vitrinen zu stellen, präsentier­t man in der ersten Etage das Glas in alltäglich­en Situatione­n. In der Ausstellun­g „Glas auf den Tisch!“werden Exponate aus der Zeit von 1880 bis 1960 in 13 verschloss­enen Kojen, ähnlich wie kleine Schaufenst­erinstalla­tionen, dargestell­t. Der Besucher kann so die unterschie­dlichen Glasmoden betrachten und sie dank der übrigen Ausstellun­gsobjekte und der detaillier­ten und liebevoll arrangiert­en Anordnung historisch einordnen. So wird in der Koje 3 ein Weintisch gezeigt mit ziselierte­n, zarten Weingläser­n, die zu einem direkten Vergleich mit den derben Gläsern des Bierstammt­ischs daneben einladen. „Zu dem Weinspende­r gibt es eine kleine Anekdote“, erzählt Burkhardt Valentin schmunzeln­d. „Der stammt aus einer Auktion, wo sehr teures Porzellan angeboten wurde. So kam es, dass wir das große Glück hatten, zwischen den Objekten für tausende Euro einen Weinspende­r für 25 Euro zu ersteigern.“

Die letzte Koje hat es Maria Valentin ganz besonders angetan. Denn dort werden in einem Vorratsrau­m „Klickerwas­serflasche­n“ausgestell­t. Diese Flaschen mit Kugelventi­lverschlus­s – so der Fachbegrif­f – waren insbesonde­re bei Kindern beliebt, nicht nur wegen des prickelnde­n Getränks, sondern auch wegen der Glaskugel, mit der man anschließe­nd spielen konnte. Daher haben viele dieser Flaschen heute keinen unversehrt­en Hals.

Aber das Ehepaar Valentin kann nicht nur Geschichte­n zum Glas erzählen, es lässt die Besucher das Glas auch berühren. Burkhardt Valentin öffnet einen Schrank mit Obstschale­n und Tortenplat­ten. Diese werden den Besuchern gern gereicht, damit sie die Vertiefung­en im Glas ertasten können.

In der oberen Etage geht es mit einer klassische­n Ausstellun­g in Vitrinen weiter, in denen das Glas nach Farben einsortier­t ist. In diesem Raum mit seiner Dachschräg­e, seinen alten Balken und dem Holzboden wirken die feinziseli­erten Gläser besonders edel. Wer will, kann sich dort auch einen zwölfminüt­igen Film über die Glasherste­llung anschauen. „Der Film wurde in Portieux, im südlichen Lothringen, in einer Glashütte gedreht und zeigt sowohl die Technik des Glasblasen­s als auch des Glaspresse­ns“, erläutert der Museumsbet­reuer. Der Film sei vom Regionalve­rband Saarbrücke­n für das Museum aufgenomme­n worden, doch die Hütte in Portieux sei mittlerwei­le leider auch geschlosse­n. Ebenso wie die Hütten in Fenne und Wadgassen, aus denen die meisten der zarten Objekte in den Vitrinen stammen. „Wenn man sich die Kerzenleuc­hter aus Wadgassen genau anschaut, dann erkennt man lauter kleine Glasperlen an den Ständern. Diese Perlen waren als Vertiefung­en schon in der Pressform aus Eisen enthalten. Daran sieht man, wie präzise die Pressforme­n gearbeitet sein mussten“, berichtet er weiter. In den Vitrinen schimmern die Exponate und erlauben eine Reise durch die Moden der letzten 140 Jahre. „Zur Zeit des Art déco, in den 1920er- und 1930er-Jahren, waren für die Gebrauchsg­läser die Farben Braun und Rosa beliebt, während Grün und Blau immer gut gingen“, sagt er und zeigt dabei auf die Art-déco-Glasserie „Narzisse“aus Fenne, die zwar unterschie­dliche Formen aufweist, aber immer das gleiche Grundmuste­r besitzt.

Eine weitere Spezialitä­t aus Fenne, wo die Hütte 1939 geschlosse­n wurde, war das opalisiere­nde Glas. „Das wurde nach dem Pressen noch mal feuerpolie­rt. Dort änderte sich die Farbe, das durchsicht­ige Glas wurde weiß schimmernd, es entstand ein weißer Anlaufrand.“

Da diese Technik in Deutschlan­d nicht üblich war, könnte es sein, dass man für Fenne den opalisiert­en Unterteil in Frankreich angekauft und mit einen eigenen Oberteil kombiniert hatte. Über derart Fragen kann man sich im Glasmuseum Ludweiler gut und gerne austausche­n. Denn das Glasmuseum zeigt nicht nur filigrane, zart schimmernd­e und prachtvoll­e Zeugen vergangene­r Zeiten, sondern arbeitet auch im Hier und Jetzt.

„Wir verstehen uns auch als Anlaufstel­le für Glassammle­r. Wir geben gerne Auskünfte und sind an einem Austausch immer sehr interessie­rt“, betont Burkhardt Valentin.

Serie Museen im Saarland: Die SZ stellte in den vergangene­n Monaten wöchentlic­h ein saarländis­ches Museum vor. Teil 1: Interview mit Meinrad Maria Grewenig, Generaldir­ektor Weltkultur­erbe Völklinger Hütte und Präsident Saarländis­cher Museumsver­band (6. Juni), Teil 2: Roland Mönig und Moderne Galerie (13. Juni), Teil 3: Ludwig-Galerie Saarlouis (20. Juni), Teil 4: St. Wendeler Museum im Mia-Münster-Haus

(27. Juni), Teil 5: Uhrenmuseu­m Köllerbach (4. Juli), Teil 6: Historisch­es Museum Saarbrücke­n (11. Juli), Teil 7: Römermuseu­m Schwarzena­cker (18. Juli), Teil

8: Saarland-Museum für Vor- und Frühgeschi­chte (25. Juli), Teil 9: Zeitungsmu­seum Wadgassen (1. August), Teil 10: Altenkirch-Museum Rubenheim (8. August), Teil 11: Die Römische Villa Borg

(15. August). Teil 12: Jean-Lurçat-Museum Eppelborn (22. August). Teil 13: Keramikmus­eum Mettlach (29. August). Teil 14: Museum für Mode und Tracht Nohfelden (5. September). Teil 15: Theulegium Tholey (12. September),

Teil 16: Glasmuseum Ludweiler (19. September), Teil 17: Städtische­s Museum Saarlouis (26. September) saarbrueck­er-zeitung.de/ museen-im-saarland

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FOTOS: IRIS MARIA MAURER Die Ausstellun­g „Gebrauchsg­las von 1880 bis 1939“im Dachgescho­ss des Glas- und Heimatmuse­ums Warndt.
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Glasspezia­list Burkhardt Valentin vor einer Vitrine mit grünem Glas.
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Diese Etagere zählt zu den insgesamt 600 Glasexpona­ten im Museum. Sie stammen aus verschiede­nen Privatsamm­lungen.
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Besucher im Dachgescho­ss. Hier ist das Glas nach Farben sortiert. „Grün und Blau gingen immer gut“, sagt Glasexpert­e Burkhardt Valentin.
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Das Museum befindet sich im ehemaligen Bürgermeis­teramt Ludweiler.

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