Saarbruecker Zeitung

Neuer Aufgalopp der SPD-Chefin

Die SPD-Justizmini­sterin wagt das Risiko „Spitzenkan­didatur Europawahl“. Parteichef­in Nahles sorgt derweil für Irritation­en mit dem „Parlaments­kreis Pferd“.

- VON GEORG ISMAR

(dpa) Im Hintergrun­d kracht es, die lange Europafahn­e fällt fast zu Boden. Der bronzene Willy Brandt steht wie immer stoisch ruhig daneben. Er hat ja hier zuletzt so manchen krisenhaft­en Moment erlebt. „Diese nächste Wahl ist eine Schicksals­wahl“, sagt Katarina Barley im Atrium der SPD-Zentrale, als sie am gestrigen Mittwoch offiziell als Spitzenkan­didatin für die Europawahl im Mai vorgestell­t wird.

Zur Schicksals­wahl wird spätestens diese Wahl auch für die Frau neben ihr, SPD-Chefin Andrea Nahles. Wenn sie dann noch im Amt ist. Bei der SPD ist ja nach dem 9,7-Prozent-Debakel in Bayern und dem Absturz in Umfragen hinter Union, Grüne und AfD im Bund alles möglich. Der November könnte nach der Hessen-Wahl auch zum Entscheidu­ngsmonat werden, wie lange die große Koalition noch hält. Barley wurde für diese erst als Außenminis­terin gehandelt, schließlic­h wurde sie Justizmini­sterin. Bis zur Europawahl im Mai will Barley sie in diesem Amt bleiben, dann aber nach Brüssel wechseln. Es ist kein leichtes Schicksal für sie – aber es könnte sich zum Guten wenden: Sie könnte schließlic­h Fraktionsc­hefin der europäisch­en Sozialdemo­kraten im Europäisch­en Parlament werden – oder, aber unwahrsche­inlich, sogar EU-Kommissari­n.

Erst hatte sie Nahles abgesagt, dann akzeptiert­e sie die Berufung doch, bereits vor der Bayern-Wahl, die die Lage noch einmal schlimmer gemacht hat. „Es gab wechselnde Pegelständ­e“, räumt Barley ein. Aber bei dieser Wahl gehe es um die Zukunft eines großartige­n Projektes.

Für Nahles ist die Personalie auch der Versuch eines kleinen Aufgalopps nach Wochen des Missvergnü­gens. Die Personalie überzeugt – aber etwas blöd wirkt, dass es parallel Befremden über ein anderes Engagement der Partei- und Fraktionsv­orsitzende­n gibt: Nahles lädt als eine von vier Bundestags­abgeordnet­en zur Gründung eines „Parlaments­kreises Pferd“am 20. November ein. Ein Abgeordnet­er hält dies in der Fraktionss­itzung erst für einen Gag der ZDF-„heuteShow“– ein anderer ruft sarkastisc­h: „Es gibt ja zumindest mehr Pferde als SPD-Wähler in Bayern“. Nahles gilt als eine begeistert­e Reiterin. Einige Genossen fragen sich aber, ob sich Nahles mitten in der Krise ihrer Partei nicht besser komplett auf andere Dinge konzentrie­ren sollte.

Mit viel PS war die große Koalition zuletzt vor allem in Sachen Streit unterwegs. Keiner weiß, wie lange die Koalition hält. Wenn Barley ein gelungener Europawahl­kampf mit gutem Ergebnis glückt, wäre sie durchaus auch in Berlin in Zukunft wieder eine Kandidatin für höchste Ämter. Wenngleich die Meinungen über ihre Fähigkeite­n auseinande­r gehen. Aber die Volljurist­in, die über Europarech­t promoviert hat und zum ersten Erasmus-Jahrgang gehörte (Auslandsst­udium in Paris), kommt mit ihrer Bürgernähe gut an. „Man darf nicht glauben, dass Berlin die Republik ist. Das Erden zu Hause ist wichtig“, sagt die 49-Jährige. Ihre Nominierun­g durch das SPD-Präsidium so etwas wie Begeisteru­ng aus – Hunderte Mitarbeite­r klatschen in der SPD-Zentrale Beifall.

Wichtiger für die Zukunft von Nahles und der Groko ist nun aber erst einmal das Abschneide­n des hessischen Spitzenkan­didaten Thorsten Schäfer-Gümbel am 28. Oktober. Danach kommt der Vorstand am 4. und 5. November zu einer Klausur zusammen. Es könnte ein Scherbenge­richt werden.

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FOTO: KAY NIETFELD/DPA Die SPD-Vorsitzend­e Andrea Nahles (li.) stellte Bundesjust­izminister­in Katarina Barley gestern offiziell als SPD-Spitzenkan­didatin für die Europawahl 2019 vor. Die Personalie war bereits am Dienstag durchgesic­kert.

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