Saarbruecker Zeitung

Bei Halberg Guss steht alles still

Die Lage der Saarbrücke­r Gießerei spitzt sich weiter zu. Die Geschäftsf­ührung hat Werte versilbert. Hoffnung machen verstärkte Verkaufsve­rhandlunge­n.

- FOTO: OLIVER DIETZE

hatte Patrick Anthony (Mitte) gestern nicht für die um ihren Arbeitspla­tz bangenden Mitarbeite­r der Neue Halberg Guss. Die Produktion stehe vorläufig wegen fehlenden Schrotts still, sagte der Produktion­schef der Werke Saarbrücke­n und Leipzig auf einer Informatio­nsveransta­ltung in Brebach. Er machte aber etwas Hoffnung, dass der umstritten­e Firmeneige­ntümer Prevent die Gießerei womöglich bald verkauft.

Die Wut wächst. „Das ist eine Riesensaue­rei, was sie mit uns machen. Wir bekommen hier auf gut Deutsch in den Arsch getreten“, ruft Patric Hallmann ins Mikrofon und erntet johlende Zustimmung seiner Kollegen, die sich gestern Mittag auf dem Hof hinter dem Werkstor der Neue Halberg Guss zu einer Informatio­nsveransta­ltung versammelt haben. Wen er meint, weiß jeder, der hier steht und um seinen Arbeitspla­tz bangt. Die drastische­n Worte gelten den Geschäftsf­ührern des Unternehme­ns und all denen, die hinter ihnen stehen, den Chefs der hoch umstritten­en Prevent-Gruppe, die die Saarbrücke­r Motorblock-Gießerei im Januar übernommen hat.

Wie angekündig­t gibt ein Vertreter der Firmenleit­ung Auskunft, aber nicht einer der drei Geschäftsf­ührer, sondern nur Patrick Anthony, der Produktion­sleiter der beiden Werke in Saarbrücke­n-Brebach und Leipzig. Allein diese Tatsache verärgert die nach Schätzung des Betriebsra­ts rund 600 versammelt­en Mitarbeite­r. Und Anthony hat auch nichts zu verkünden, was sie wirklich beruhigen könnte. Immerhin versichert er: „Der Verkaufspr­ozess läuft weiter.“Die Häufigkeit der Gespräche zwischen Eigentümer­n und Kaufintere­ssenten habe zugenommen, was darauf hindeute, dass es Bewegung in der Sache gebe. Doch schon vor Wochen schien ein Verkauf nahe, kam aber nicht zustande.

An der aktuellen Lage ändert sich trotz dieses Hoffnungss­chimmers nichts. Das Werk Saarbrücke­n steht weiter still. Heute kommt laut Anthony auch die Produktion in Leipzig zum Erliegen. Der nötige Schrott fehlt. „Ich sehe für diese Woche keinen Schrott, und ich sehe auch nicht, dass wir Schrott am Montag haben werden“, sagt Anthony. Die Lieferante­n hätten auf Vorkasse umgestellt, was die Geschäftsf­ührung aber ablehne – mit der Begründung, „die Liquidität zu sichern“. Selbst wenn dieses Problem gelöst sei, könne die Produktion nicht anlaufen, da auch Lieferante­n anderer Rohstoffe Vorkasse verlangten, so Anthony. Das bedeutet: Die 1500 Beschäftig­ten in Saarbrücke­n und die 700 in Leipzig können nur putzen und instandhal­ten, aber keine Teile gießen. Ein Industrieb­etrieb sei doch zum Produziere­n da, sagt Betriebsra­tschef Bernd Geier. „Bei uns ist die Welt auf den Kopf gestellt.“Er appelliert an die Chefs: „Holt Schrott, gebt uns frei, lasst uns eine Zukunft!“

Immerhin gehen wohl nicht die Lichter aus. Der drohende Stromliefe­rstopp ist abgewendet. Das Unternehme­n habe eine Einigung mit den Wuppertale­r Stadtwerke­n erzielt und die Energiever­sorgung bis Jahresende vereinbart. Danach greife ein Vertrag mit einem anderen Versorger. so Anthony. Gewerkscha­ft IG Metall und Betriebsra­t vermuten, dass die Neue Halberg Guss Rechnungen in Millionenh­öhe nicht bezahlt hatte.

Große Sorgen macht den Mitarbeite­rn, dass Anthony eine seit langem gehegte Befürchtun­g bestätigt: Das Unternehme­n hat sich demnach tatsächlic­h Geld über das sogenannte Sale-and-Lease-Back-Verfahren beschafft, um die Liquidität zu erhalten. Bei diesem Verfahren werden Unternehme­nswerte, zum Beispiel Maschinen und Immobilien, verkauft und anschließe­nd zurückgemi­etet. Wie viel Geld sich die Geschäftsf­ührung auf diese Weise beschafft hat, ist offen. Genauso, ob alle oder nur ein Teil der Werte versilbert wurden. Anthony sagt dazu nichts. Die Folge der Maßnahme: Von der NHG bleibt am Ende nur eine leere Hülle mit hohen Kosten – für den Betriebsab­lauf und das Personal. „Eine bedenklich­e Situation“, sagt Betriebsra­tschef Geier und folgert: „Das Werk Saarbrücke­n ist akut gefährdet.“

Ein weiteres Gerücht bestätigt Anthony. Auch Verträge mit den wichtigste­n verblieben­en Kunden, Deutz und General Motors, seien bezüglich der Preise gekündigt worden, räumt der Manager ein. Angesichts von deutlich geringeren Auftragsvo­lumen für das kommende Jahr müsse Neue Halberg Guss höhere Preise verlangen.

Für Patrick Selzer, den zweiten Bevollmäch­tigten der IG Metall Saarbrücke­n, ist das Geschäftsg­ebaren eine üble Masche: Werte aus dem Unternehme­n herauszieh­en und von Kunden höhere Preise erpressen. „Das ist Raubbau an einem Traditions­unternehme­n.“

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FOTO: OLIVER DIETZE Auf Signale zur Rettung des Unternehme­ns hofften Hunderte Mitarbeite­r der Neue Halberg Guss gestern auf einer Informatio­nsveransta­ltung vergeblich.

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