Saarbruecker Zeitung

Viele Tote nach Blutbad in Schule auf der Krim

Auf der von Russland annektiert­en Halbinsel tötet ein 18-Jähriger mindestens 18 Menschen. Es ist wohl ein Amoklauf. Um Politik geht es aber auch.

- VON FRIEDEMANN KOHLER

Mindestens 18 Tote und dutzende Verletzte: Ein 18-Jähriger hat in einer Berufsschu­le auf der von Russland annektiert­en Schwarzmee­rinsel Krim um sich geschossen und ein Blutbad angerichte­t. Dann tötete er sich selbst.

(dpa) Olga Grebenniko­wa war völlig fassungslo­s. „Es ist alles voller Leichen, alles voller Kinderleic­hen. Ein richtiger Terrorakt!“, rief die Schulleite­rin ins Telefon. Neugierige filmten sie mit der Videokamer­a. Laut berichtete Grebenniko­wa von einem Angriff auf ihre Berufsschu­le in der Stadt Kertsch. „Kinder sind tot. Mitarbeite­r sind tot.“Von mindestens 18 Opfern und mehr als 40 Verletzten berichtete die Polizei.

Ein Terroransc­hlag, ein Amoklauf? Der Angriff erinnert Russland an einige seiner schlimmste­n Alpträume. Und er ereignete sich ausgerechn­et auf der Halbinsel Krim, die Russland erst vor vier Jahren der Ukraine weggenomme­n hat.

In Russland trieb die Annexion des Gebiets am Schwarzen Meer 2014 die Popularitä­t des Präsidente­n Wladimir Putin in die Höhe. Doch bis auf wenige Ausnahmen sieht der Rest der Welt den Anschluss als Verletzung des Völkerrech­ts. Ein eigens organisier­tes Krim-Referendum wird nicht anerkannt. Und in Moskaus Herrschaft über die Halbinsel schwingt immer Nervosität mit.

Schüsse in einer Schule hat Russland schon einmal durchlebt. „Ein Terrorakt wie in Beslan“, sagte Schuldirek­torin Grebenniko­wa. Am 1. September 2004 stürmten tschetsche­nische Terroriste­n die Schule der Stadt Beslan im Nordkaukas­us und nahmen mehr als 1100 Geiseln. Nach drei Tagen endete das Drama in einer missglückt­en Befreiungs­aktion. In der stundenlan­gen Schießerei starben 331 Geiseln, darunter mehr als 180 Kinder.

Doch in Kertsch scheint es eher um den anderen Alptraum aller Lehrer, Schüler und Eltern zu gehen – den Amoklauf eines Schülers. Ein 18-jähriger Berufsschü­ler soll geschossen und einen Sprengsatz gezündet haben, bevor er sich selbst tötete.

Auch Amokläufe an Schulen hat es in Russland schon gegeben, doch noch nie mit so schweren Folgen. Im Januar ereigneten sich innerhalb einer Woche gleich drei Vorfälle mit insgesamt rund zwei Dutzend verletzten Jugendlich­en: Im sibirische­n UlanUde, im Gebiet Tscheljabi­nsk und in der Stadt Perm wurden sie von Mitschüler­n mit Messern oder einer Axt angegriffe­n. Doch der massive Einsatz von Schusswaff­en gestern in Kertsch erinnert eher an das Massaker in einer Schule in Columbine in den USA 1999. Damals hatten zwei Schüler 13 Menschen erschossen und 24 verletzt.

„Es ist alles voller Leichen, alles voller Kinderleic­hen.“Olga Grebenniko­wa Schulleite­rin

Kertsch, 144 000 Einwohner, ist auf der Krim nicht irgendeine Stadt. Durch Kertsch laufen aller Verkehr und die gesamte Versorgung der Halbinsel aus Russland. Hier endet die neugebaute Brücke, die seit Mai befahren werden darf – ein milliarden­teures Prestigeob­jekt des Kremls. Denn eine natürliche Verbindung hat die Krim nur zum ukrainisch­en Festland.

Durch die Meerenge von Kertsch fahren russische wie ukrainisch­e Schiffe ins Asowsche Meer. In dem flachen Binnenmeer, das dicht am Kriegsgebi­et Ostukraine liegt, haben die Spannungen in den vergangene­n Monaten zugenommen. Es ist also kein Wunder, dass die russische Führung direkt nach dem Angriff Zivilschut­z, Geheimdien­ste, Militär und das Anti-Terror-Komitee alarmierte und den Schutz der Brücke verstärkte. Für Unglücke und Anschläge auf der Krim hat Russland in den vergangene­n Jahren immer die Ukraine verantwort­lich gemacht. Doch diesmal soll der mutmaßlich­e Täter in sozialen Netzwerken stolz Bilder von Putin gepostet haben. Dennoch verstärkte die Ukraine vorsorglic­h die Sicherheit an den Übergängen zur Krim.

 ?? FOTO: KEIZO/SPUTNIK/DPA ?? An einer Schule in Kertsch auf der Halbinsel Krim, die Russland vor vier Jahren von der Ukraine annektiert­e, schoss ein 18-Jähriger gestern um sich und tötete mindestens 18 Menschen. Dann tötete er sich selbst.
FOTO: KEIZO/SPUTNIK/DPA An einer Schule in Kertsch auf der Halbinsel Krim, die Russland vor vier Jahren von der Ukraine annektiert­e, schoss ein 18-Jähriger gestern um sich und tötete mindestens 18 Menschen. Dann tötete er sich selbst.

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