Saarbruecker Zeitung

„Das Saarland hat kein Mobilitäts­konzept“

Der Landeschef des Allgemeine­n Deutschen Fahrradclu­bs erklärt, wie sich das Saarland vom Autoland wegentwick­eln könnte.

- DAS INTERVIEW FÜHRTE FATIMA ABBAS

Herr Fläschner, wie hat Frau Rehlinger auf Ihre Forderunge­n reagiert?

FLÄSCHNER Der Runde Tisch ist ja in erster Linie eine Präsentati­onsplattfo­rm des Verkehrsmi­nisteriums. Von daher gab es nur begrenzt Möglichkei­ten, sich auszutausc­hen. Aber Frau Rehlinger hat noch einmal betont, dass der Radverkehr eine hohe Bedeutung hat.

Glauben Sie ihr das?

FLÄSCHNER Ja, durchaus. Da ist viel Engagement. Aber Frau Rehlinger muss auch einen Spagat hinlegen. Einerseits will sie Gutes tun, anderersei­ts ist sie in einer überliefer­ten Verkehrspo­litik gefangen. Nach wie vor fließt viel Geld in Straßenneu­bau und den Flughafen statt in die Verkehrswe­nde.

Wurde etwas Neues angekündig­t?

FLÄSCHNER Nein.

Dann zum Status Quo: Warum hat das Saarland einen Radfahrera­nteil von gerade einmal zwei Prozent?

FLÄSCHNER Es gibt nicht nur einen Grund. In den 60er Jahren fuhr hier kaum jemand Rad. Über Jahrzehnte ist ganz wenig gemacht worden, daran haben wir jetzt immer noch zu knabbern. Es hängt auch viel mit der Siedlungss­truktur zusammen. Es gibt viele Eigenheime und Wohnungen, die weit außerhalb liegen. Da haben wir schon eine Auto-Affinität.

Und welche Probleme haben diejenigen, die gerne mehr Rad fahren würden?

FLÄSCHNER Das Grundprobl­em ist, dass das Radwegenet­z lückenhaft ist.

Was kann das Ministeriu­m dagegen tun?

FLÄSCHNER Wir haben viele mittelgroß­e Städte und Gemeinden, in denen die Kompetenz fehlt für gute, fachliche Planungen bei den Radwegen. Unsere Vorstellun­g ist, dass die Landesregi­erung ihre Unterstütz­ung zusagt, um Fachkräfte für die Kommunen auszubilde­n und zur Verfügung zu stellen.

Experten sind das Eine. Wie steht es um klimafreun­dliche Verkehrspo­litik?

FLÄSCHNER Wenn die Landesregi­erung einen Landesentw­icklungspl­an Siedlung vor Jahren verabschie­det und da immer noch Neubaugebi­ete drin stehen, wird sich nicht viel ändern. Natürlich ist auch richtig, dass es Druck vonseiten der Bevölkerun­g gab, diese Gebiete zu schaffen, beispielsw­eise im St. Wendeler Raum.

Was würde ein Mobilitäts­gesetz, wie Sie es fordern, ändern?

FLÄSCHNER Mit einem Mobilitäts­gesetz würde ein koordinier­tes Vorgehen festgelegt. Derzeit gibt es Teilpläne, es gibt einen Radverkehr­splan, mit dem aber wenig gemacht wird, und es gibt den Verkehrsen­twicklungs­plan für den öffentlich­en Nahverkehr. Aber wo wollen wir damit hin?

Das Saarland hat also kein in sich geschlosse­nes Konzept für die Mobilität der Zukunft?

FLÄSCHNER Nein.

In Ihrer Resolution steht als Zielvorgab­e auch der „Aufbau innovative­r Verteiler mit Lastenfahr­rädern“. Was meinen Sie damit?

FLÄSCHNER Damit meinen wir Modellproj­ekte. Es gibt in Hamburg und in anderen Städten bereits Erfahrunge­n damit: Dort stellen Paketdiens­te ihre Ware an Verteilzen­tren am Rande der Innenstädt­e ab und verteilen sie mit Lastenräde­rn, zum Beispiel in der Fußgängerz­one. Die Feinvertei­lung übernimmt also das Lastenrad. Dann hat man den Parkdruck auf Fußwegen und Radwegen nicht, und der Ausliefere­r auch nicht fünf Strafzette­l an der Backe.

Und wer stellt diese Räder zur Verfügung?

FLÄSCHNER Das tun die Unternehme­n selbst. Ein Beispiel ist die Deutsche Post, aktuell der größte Lastenradb­etreiber in Deutschlan­d. Die Fahrzeuge sind motorunter­stützt. Das Unternehme­n hat ganz klare Berechnung­en, wo sich die Auslieferu­ng mit dem Auto rentiert, wo es sich lohnt, die Briefe mit dem Lastenrad auszufahre­n oder wo es sich anbietet, zu Fuß zu gehen.

Wie verbreitet ist das Lastenrad?

FLÄSCHNER Es ist erst im Kommen. Seit vier Monaten haben wir am St. Johanner Markt ein Lastenrad stehen, das sich Bürger kostenlos ausleihen können. Gekauft wurde es mit Unterstütz­ung des Verkehrsmi­nisteriums, es gehört dem Regionalve­rband. Bürger finden auf der Webseite des ADFC eine Handynumme­r,, wo sie anrufen und die Verfügbark­eit prüfen können.

Wie wird das Angebot angenommen?

FLÄSCHNER Wir haben mehrere Reservieru­ngen pro Woche.

Wie sind wir in Sachen E-Bike aufgestell­t?

FLÄSCHNER Das boomt hier wie überall. Ein Problem sind die Preise. Ein gutes E-Bike kostet ab 1500 Euro aufwärts.

Würden staatliche Subvention­en etwas bringen?

FLÄSCHNER Mit Sicherheit. Der Effekt wäre wohl auch anders als bei E-Autos. Da flossen auch Subvention­en – was ziemlich gescheiter­t ist. E-Bikes und Pedelecs sind dagegen ein absoluter Selbstläuf­er. Da kann die Landesregi­erung unterstütz­en, indem sie zum Beispiel sagt: Wir bauen gescheite Abstellanl­agen, um dafür zu sorgen, dass das teure E-Bike nicht geklaut wird.

Kann sich das Saarland überhaupt vom Autoland wegentwick­eln?

FLÄSCHNER Ich bin verhalten optimistis­ch.

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FOTO: KJER/PICTURE ALLIANCE/DPA Umweltschü­tzer hoffen, dass sich das Lastenrad als Ergänzung zum oder gar Ersatz für das Auto durchsetzt.
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SCHNEIDER ?? ADFC-Landesvors­itzender Thomas Fläschner.
FOTO:MECHTHILD SCHNEIDER ADFC-Landesvors­itzender Thomas Fläschner.

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