Saarbruecker Zeitung

Richtungss­treit in der AfD wieder voll entbrannt

Nach der Bayern-Wahl wagen Gemäßigte in der AfD den Aufstand gegen den Rechtskurs von Björn Höcke & Co. Wer obsiegt, ist offen.

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(dpa) Ihren Parteigrün­der Bernd Lucke jagte die AfD 2015 davon. Seine Nachfolger­in Frauke Petry verabschie­dete sich zwei Jahre später mit großem Knall. Seither sind Tausende Mitglieder abgewander­t, noch mehr Neumitglie­der sind in die AfD eingetrete­n. Wo die Neuen politisch genau zu verorten sind, weiß niemand so genau. Doch vielleicht zeigt sich jetzt, da der Richtungss­treit in der Partei auf einen neuen Höhepunkt zusteuert, wer die Mehrheit hinter sich vereint. Der rechtsnati­onale Flügel um den Thüringer Landeschef Björn Höcke? Oder die Gemäßigten, von denen einige in der Interessen­gemeinscha­ft Alternativ­e Mitte organisier­t sind.

Unter der Oberfläche schwelt der Streit schon lange. In den letzten Tagen haben sich die Kontrahent­en auch öffentlich attackiert. Beim Thüringer Parteitag bezeichnet­e der Flügel-Gründer Höcke die Alternativ­e Mitte als „Kleinstgru­ppe mit zwei Buchstaben“. Er sagt: „Werdet konstrukti­v oder haut endlich ab.“

Doch kampflos gehen wird wohl keiner. Um den Wahlkämpfe­rn in Bayern keinen Knüppel zwischen die Beine zu werfen, wartete die Alternativ­e Mitte (AM) noch, bis am Sonntag die Wahllokale schlosen. Dann veröffentl­ichte sie eine Pressemitt­eilung, die sich gewaschen hat: „Höcke wirkt immer mehr wie ein Größenwahn­sinniger“, heißt es darin. Und: „Es mag Teil des Größenwahn­s sein, zu glauben, in Deutschlan­d gäbe es nun wieder ausreichen­d fruchtbare­n Boden für eine rechtsextr­eme Partei und die AfD sei schon viel zu groß, um sie wieder klein kriegen zu können. Und eines muss man schon sagen. Eine Höcke-AfD wäre eine rechtsextr­eme Partei.“

Stefan Möller, der den Thüringer Landesverb­and gemeinsam mit Höcke leitet, forderte sogleich Konsequenz­en für diese „Schädigung der Aus einer Presseerkl­ärung der „Alternativ­en Mitte“in der AfD

Partei“. Uwe Witt, Bundestags­abgeordnet­er aus Nordrhein-Westfalen und einer von fünf Sprechern der Alternativ­en Mitte, sagte dagegen, dem sehe er mit großer Gelassenhe­it entgegen.

Zusätzlich befeuert wird dieser Konflikt, aus dem sich die Parteichef­s Jörg Meuthen und Alexander Gauland bislang heraushalt­en, durch eine möglicherw­eise drohende Beobachtun­g der AfD durch den Verfassung­sschutz. Zwei Landesverb­ände der Parteijuge­nd sind schon betroffen. Thüringens Verfassung­sschutz hat den dortigen Landesverb­and zum „Prüffall“erklärt. Fraktionsc­hefin Alice Weidel betont zwar, die Partei würde sich juristisch zur Wehr setzen. Zugleich befürchtet sie aber, dass eine Beobachtun­g etliche bürgerlich­e Mitglieder aus der Partei treiben könnte – vor allem Beamte.

Zu Höcke, der die AfD als Teil einer Bewegung sieht, hält Weidel keinen Kontakt. Seine Vorliebe für Straßenpro­test teilt sie nicht. „Unser Platz ist in den Parlamente­n, nicht auf der Straße“, sagt auch Uwe Witt. Seinen Angaben zufolge hat die Alternativ­e Mitte knapp 4000 Unterstütz­er.

Dass der AfD-Bundesvors­tand den rund 33 000 Parteimitg­liedern kürzlich empfohlen hat, nur an solchen Kundgebung­en teilzunehm­en, die ausschließ­lich von der Partei angemeldet und organisier­t werden, findet Witt gut. Höcke sieht das anders. In seinem jüngst erschienen­en Interview-Band „Nie zweimal in denselben Fluss“rät der ehemalige Geschichts­lehrer davon ab, im Verhältnis zur „protestier­enden Bürgerbasi­s“eine „peinliche Abgrenzeri­tis“zu betreiben.

Höcke erklärt in dem Buch außerdem, er wünsche sich für den Widerstand gegen „die Festung der Etablierte­n“noch eine „weitere Front aus den frustriert­en Teilen des Staats- und Sicherheit­sapparates heraus“. Die Staatsdien­er sollten dabei auf das Remonstrat­ionsrecht zurückgrei­fen. Dieses sieht vor, dass ein Beamter eine dienstlich­e Anordnung, die ihm unrechtmäß­ig erscheint, zunächst nicht ausführt und seine Bedenken geltend macht.

„Eine Höcke-AfD wäre eine rechtsextr­eme

Partei.“

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