Saarbruecker Zeitung

Mit Händen, Füßen und Übersetzun­gsapp in der Werkstatt

Zwölf französisc­he Lehrlinge sind zu Gast in saarländis­chen Handwerksb­etrieben. So auch die angehende Schreineri­n Stecy Turquais in Schwalbach.

- VON HÉLÈNE MAILLASSON

Nur einmal war Stecy Turquais bisher im Ausland gewesen. Bei einer Klassenfah­rt mit der Schule nach England. „Aber das war schon anders, ich habe Englisch in der Schule gelernt“, erzählt die 16-Jährige, die aus einer Kleinstadt in der Normandie kommt. Deutsch spricht sie im Gegensatz dazu kein Wort. Doch das hindert die Lehrlinge nicht daran, diese Woche Raphael Haas in seiner Schreinere­i in Schwalbach über die Schulter zu schauen und selbst anzupacken. „Ich hatte schon ein bisschen Angst am Anfang, aber meine Eltern haben mich dazu ermutigt, beim Austausch mitzumache­n. Sie meinten, man kriegt so eine Chance eher selten, ich sollte das nutzen“, erzählt sie.

Seit 34 Jahren besteht der Austausch zwischen der Handwerksk­ammer des Saarlandes und der Handwerksk­ammer de la Manche in der Normandie. Jedes Jahr besuchen im Wechsel Lehrlinge für zehn Tage das Partnerlan­d. Diese Woche sind zwölf angehende französisc­he Maler und Lackierer, Kfz-Mechatroni­ker, Tischler und Schreiner, Fleischer, Bäcker und Konditoren, Maurer, Friseur sowie Elektrotec­hniker zu Gast im Saarland. Sie alle werden bei Handwerksb­etrieben landesweit untergebra­cht. Zum vierten Mal empfängt Raphael Haas einen Lehrling aus Frankreich in seinem Unternehme­n. „Wir hatten bisher immer gute Erfahrunge­n und stehen mit manchen, die bei uns waren, immer noch in Kontakt. Die Lehrlinge, die im Rahmen des Austauschs kommen, sind sehr motiviert, neugierig und haben Lust, über den Tellerrand zu schauen“, sagt der Unternehme­r. 2013 nahm sein Sohn am Programm teil und kam begeistert aus der Normandie zurück.

Doch wie funktionie­rt die Arbeit, wenn man sich schwer verständig­en kann? „Mit Händen, Füßen und Google Translate. Viele Griffe kenne ich aber schon von meiner Arbeit in der Werkstatt in Frankreich. Wenn sie mir hier die Werkzeuge und die Aufgabe zeigen, weiß ich, was zu tun ist“, erklärt die Französin, die im zweiten Lehrjahr ist. Auch wenn die Grundlagen des Handwerks überall die gleichen sind, lernt Stecy in Schwalbach dennoch ganz andere Seiten ihres Berufes kennen. „In meinem Ausbildung­sbetrieb in Frankreich fertigen wir vor allem Standard-Teile, hier wird viel mehr mit Programmie­rung und an Einzelstüc­ken gearbeitet“, stellt sie fest. Die Sonderbest­ellungen zum Beispiel für spezielle Büroeinric­htungen oder im Schiffsaus­bau werden zuerst digital konzipiert und dann aus Holz oder Mineralwer­kstoffen verformt. „Es ist interessan­t mal etwas Neues aus dem eigenen Bereich zu lernen, und trotzdem fühle ich mich nicht verloren. Es ist nicht so, als wäre alles unbekannt. In der Werkstatt finde ich mich gut zurecht“, meint Stecy.

Einige Überraschu­ngen gab es für sie auch außerhalb des Betriebs. Und zwar auf dem Frühstücks­tisch. Während ihres Aufenthalt­es werden die Lehrlinge bei Gastfamili­en untergebra­cht. Stecy wohnt bei Kathrin Haas, die auch im Familienbe­trieb als Architekti­n tätig ist. „Jede Menge Wurst zum Frühstück angeboten zu bekommen, hat mich leicht verwirrt“, sagt die Französin. Geschmeckt habe ihr das aber trotzdem. Und den Austausch will sie ihren Mitschüler­n ebenso weiterempf­ehlen. „Von der Normandie kommt man nicht so leicht nach Deutschlan­d, also sollte man nicht zögern mitzumache­n.“

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FOTO: IRIS MAURER Raphael und Kathrin Haas (von links) zeigen der französisc­hen Auszubilde­nden Stecy Turquais ein paar neue Kniffe in der Werkstatt.

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