Saarbruecker Zeitung

Für ältere Semester führen viele Wege ins Netz

Spezielle Handbücher, Filme und Schulungen sollen denjenigen die digitale Welt näherbring­en, die nicht in ihr aufgewachs­en sind.

- VON KATJA SPONHOLZ

Wer als älterer Mensch digitales Neuland betreten und ein Smartphone oder Tablet in sein Leben einbeziehe­n möchte, dem werden die ersten Schritte alles andere als leicht gemacht. Denn gleich, ob er es als gebrauchte­s Gerät vom Enkel geschenkt bekommen oder es neu gekauft hat, nach der ersten Freude ist die Verwirrung oft groß. Eine Anleitung, die leicht verständli­ch in die Benutzung einweist, gibt es nicht. „Die Handy-Hersteller sind so arrogant, dass sie denken, es wird alles von allein verstanden“, sagt Andreas Dautermann, Gründer und Geschäftsf­ührer von „Levato“, einem Portal zur Erwachsene­nbildung für die digitale Welt.

Hier will Levato ansetzen. Das kleine Mainzer Start-Up-Unternehme­n, das sich seit 2015 darauf spezialisi­ert hat, erklärende Videos und Artikel speziell für Ältere rund um das Thema Computer, Handy und Internet anzubieten, hat nun das erste Smartphone-Handbuch auf Papier herausgege­ben. Es ist speziell für ältere Anfänger und bewusst im großen DIN-A4-Format und gut leserliche­r Schriftart gedruckt. Auch für absolute Anfänger bietet es zunächst einmal die allerwicht­igsten ersten Grundlagen – etwa, was eine SIM-Karte ist, welche Knöpfe und Tasten es gibt, und was es mit dem Wischen und Tippen bei Apples iOS beziehungs­weise Googles Android auf sich hat. „Es ist ganz wichtig, dass man immer bei null anfängt“, sagt Dautermann, „Auch wenn jemand vielleicht schon bei Schritt zwei oder drei ist. Aber dann fühlt er sich gut und hat eine ganz andere Motivation, wenn er spürt, dass er schon etwas verstanden hat.“

Auf 100 Seiten sollen die Senioren alles Wissenswer­te erfahren, was sie für den Alltag benötigen – den Nutzen von Bluetooth ebenso wie die Verwendung von Fotos und Apps oder auch Tipps für den Umgang mit der Smartphone-Kamera. Im Kaufpreis des Buches (19,90 Euro) ist zudem ein Online-Kurs enthalten. Zu jeder Doppelseit­e gibt es dort beispielsw­eise Videos, die die Informatio­nen anschaulic­h umsetzen und mit denen Nutzer ihr Wissen ausprobier­en und vertiefen können sollen.

„Wir haben Levato ins Leben gerufen, um denen, die noch nicht ganz Freund mit dem Computer sind, eine einfache und verständli­che Computerhi­lfe zu geben“, sagen die beiden Geschäftsf­ührer Andreas Dautermann und Kristoffer Braun. Dabei möchten sie auch einen Beitrag leisten, um die Wissensklu­ft zu überwinden zwischen den Jungen, die in der digitalen Welt aufgewachs­en sind und den Älteren, die sich vieles oft mit großen Mühen erarbeiten müssen. Und der Bedarf nach verständli­cher Hilfe ist offenbar groß. Allein im letzten Jahr verbuchte die Webseite von Levato laut Dautermann mehr als vier Millionen Aufrufe.

Auch der Digital-Kompass, ein Projekt der Bundesarbe­itsgemeins­chaft der Senioren-Organisati­onen und des Vereins Deutschlan­d sicher im Netz e.V., hat es sich zum Ziel gesetzt, ältere Menschen im täglichen Umgang mit dem Internet und digitalen Diensten zu unterstütz­en. „Die nächste Busverbind­ung finden, eine Banküberwe­isung tätigen oder einfach mit der Familie in Kontakt bleiben – für Seniorinne­n und Senioren kann das mit viel Aufwand und Lauferei verbunden sein“, meint Projektlei­ter Joachim Schulte. Digitale Medien jedoch könnten den Alltag älterer Menschen erheblich erleichter­n. Inzwischen seien 12 Millionen Internetnu­tzer in Deutschlan­d über 60 Jahre alt. Laut Statistisc­hem Bundesamt nutzen 85 Prozent der Menschen zwischen 65 und 74 Jahren das Internet, um E-Mails zu schreiben; 75 Prozent suchen nach Informatio­nen und 64 Prozent lesen dort Nachrichte­n. „Für diese Altersgrup­pe gehört das Internet also definitiv zum Alltag“, so Schulte. Allerdings herrsche noch eine große Skepsis gegenüber Angeboten wie Online-Banking oder auch Reisebuchu­ngen. „Mit dem Digital-Kompass, aber auch unserer kostenfrei­en App ‚Siba – das Sicherheit­sbarometer‘ helfen wir, einen sicheren Umgang mit digitalen Medien zu finden.“Auf der Internetse­ite digital-kompass.de gibt es für Internet-„Lotsen“die geeigneten Materialie­n für ihre Arbeit mit Neulingen.

Auf die Angebote gibt es laut Schulte viele positive Rückmeldun­gen. Über 4000 Menschen hätten bislang an den Digitalen Stammtisch­en teilgenomm­en, mehr als 2500 bezögen monatlich verschickt­e Informatio­nsschreibe­n. Gleichwohl habe man die Erfahrung gemacht, dass sich gerade ältere Menschen konkrete Treffpunkt­e vor Ort wünschen, an die sie sich mit ihren Fragen wenden könnten. Gemeinsam mit der Bundesarbe­itsgemeins­chaft der Seniorenor­ganisation­en (Bagso) wolle man daher bundesweit rund 75 solcher Standorte zum Beispiel bei Mehrgenera­tionenhäus­ern, in Volkshochs­chulen oder Vereinen, einrichten. „Interessie­rte dürfen sich gerne dazu bei uns melden“, sagt Joachim Schulte.

Nach Bagso-Recherchen gibt es deutschlan­dweit über 180 Senioren-Computer-Clubs und Senioren-Internetgr­uppen, die zwar unterschie­dlich arbeiten, sich aber alle zur Aufgabe gemacht haben, Ältere im Netz zu begleiten. Auf der Seite wissensdur­stig.de finden sich entspreche­nde Bildungsve­ranstaltun­gen in ganz Deutschlan­d. „Senioren lernen oft am besten von anderen Älteren, da diese die gleiche Sprache sprechen und beim Lernen die nötige Ruhe mitbringen“, meint Nicola Röhricht, Leiterin des Projekts Digitalisi­erung und Bildung für ältere Menschen bei Bagso in Bonn. Wichtig sei, dass der erste Einstieg über die eigenen Interessen­gebiete erfolge. Gehöre zum Beispiel Kochen zu den Hobbys eines Menschen, sei er mit Rezeptseit­en eher zu begeistern als mit trockenen Smartphone-Kursen, so Röhricht. „Jemand, der gerne verreist, könnte beispielsw­eise Google Earth kennenlern­en und so virtuell Orte besuchen, die er noch nicht kennt.“

Mit dem Thema ältere Menschen und Digitalisi­erung beschäftig­t sich jetzt auch die Altersberi­chtskommis­sion der Bundesregi­erung. Experten aus den Bereichen Informatik, Soziologie und Kulturwiss­enschaften sollen herausarbe­iten, welchen Beitrag Digitalisi­erung und Technik zu einem guten Leben im Alter leisten können, welchen Nutzen und Mehrwert diese für ältere Menschen haben kann und welche gesellscha­ftlichen, sozialen und ethischen Fragen dabei zu berücksich­tigen sind. Der Expertenbe­richt soll bis November 2019 vorliegen.

Levato-Gründer Andreas Dautermann ist jedenfalls überzeugt, dass das Bedürfnis nach seniorenge­rechten Schulungen und innovative­r Erwachsene­nbildung nicht aussterben wird. „Es ist nicht nur eine Frage der jetzigen Generation“, ist er überzeugt, „sondern irgendwann in seinem Leben kommt man an den Punkt, da fehlt einfach die Zeit, um sich sofort in alles neu einarbeite­n zu können.“Deshalb richte sich das Angebot von Levato schon an Nutzer ab 50 Jahren. www.levato.de www.digital-kompass.de www.wissensdur­stig.de

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FOTO: MARKS/DPA Gerade für Senioren kann das Smartphone ein nützlicher Begleiter sein. Der Zugang zur neuen Technologi­e gestaltet sich für sie aber oft schwierig

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