Saarbruecker Zeitung

Erfolg dank Offenheit, Ehrlichkei­t und Glück

Der 45-Jährige ist an diesem Freitag seit genau zehn Jahren Sportdirek­tor des Fußball-Bundesligi­sten Borussia Mönchengla­dbach.

- DAS INTERVIEW FÜHRTE DPA-MITARBEITE­R MORTEN RITTER

(dpa) Von den aktuellen Sportdirek­toren in der Fußball-Bundesliga ist Max Eberl nach Michael Zorc (Borussia Dortmund) am längsten bei einem Club im Amt. Am 19. Oktober 2008 hat der 45-Jährige seinen Job bei Borussia Mönchengla­dbach angetreten. Bei den Fohlen ist er schon seit fast 20 Jahren in verschiede­nen Funktionen tätig. Im Interview spricht Eberl über seine Anfänge, sein Erfolgsgeh­eimnis und die besondere Beziehung zu Lucien Favre, der 2011 bis 2015 Trainer der Borussia war.

Herr Eberl, zehn Jahre Sportdirek­tor und im kommenden Jahr 20 Jahre bei der Borussia. Das ist für Sie wahrschein­lich das bedeutende­re Datum?

MAX EBERL 20 Jahre bei einem Verein in unterschie­dlichen Funktionen – das ist schon was Besonderes, wobei zehn Jahre Sportdirek­tor sicherlich auch kein ganz normales Jubiläum ist.

Fühlen Sie sich denn auch als gebürtiger Bayer schon als Urgestein, Sie haben schließlic­h auch noch am Bökelberg gespielt?

EBERL Ich bin ein Zugereiste­r, aber Hängengebl­iebener. 20 Jahre sind schon eine lange Zeit. Urgestein ist doch eher mit Spielern verbunden. Aber dass man mir vorwerfen kann, dass ich kein Borusse bin, hat sich wohl erledigt. Das ist hier definitiv meine zweite Heimat geworden. Mein Sohn ist hier geboren und musste kein einziges Mal die Schule wechseln. Das ist im Fußballges­chäft ungewöhnli­ch. Ich bin jetzt schon länger hier, als ich in München war. Ich habe hier vor allem unglaublic­h nette Menschen kennengele­rnt. Das ist das, was ich brauche und was neben meiner Familie Heimat ausmacht.

Vieles auf Ihrem Lebensweg war geplant. Dass Sie 20 Jahre in Gladbach bleiben, aber eher nicht, oder?

EBERL Als ich mit 26 Jahren 1999 einen Vertrag über zweieinhal­b Jahre abschloss, war das sicher nicht abzusehen. Ich war erst mal froh, für einen solchen Club spielen zu dürfen. Die generellen Gedanken an eine Tätigkeit im Management eines Clubs hatte ich aber schon im Kopf. Darum habe ich mit 30 Jahren auch entschiede­n, den Job als Nachwuchsk­oordinator anzunehmen. Ich hätte ja auch noch ein paar Jahre spielen können.

Also sind Sie eigentlich nur Fußballpro­fi geworden, um später als Manager in das Geschäft einzusteig­en?

EBERL Wenn man rein die Leistung betrachtet, habe ich das Maximale rausgeholt und mir eine gute Ausgangsla­ge verschafft. Aber im Ernst: Es scheint alles perfekt geplant, aber man braucht auch Glück im richtigen Moment. Und eine Idee und später Qualität. Im Rückblick gesehen ist es also gut gelaufen. Aber wenn damals das neue Stadion, der Borussia-Park, nicht in Aussicht gewesen wäre, hätte ich vielleicht eine andere Entscheidu­ng getroffen und noch weitergesp­ielt. Aber diese Perspektiv­e war sehr reizvoll für mich.

Hat Ihr Elternhaus Sie unterstütz­t in diesen Dingen?

EBERL Meine Mutter hat immer gesagt: Fußball ist okay, aber Abitur ist Pflicht, sonst gibt es ein Problem. Da hatte ich also den sanften Druck. Dann habe ich das Abi gemacht und konnte mich auf Fußball konzentrie­ren. Mir wurde schnell klar, dass mir Fußballspi­elen allein nicht reicht. Ich habe schon damals sehr interessie­rt zugeschaut, wie Uli Hoeneß den FC Bayern aufgebaut hat. Wir wurden damals als junge Bayern-Spieler vom Nachwuchs-Chef Hermann Gerland in den Sommerferi­en dazu verdonnert, sechs Wochen lang jeden Tag im Fan-Shop von morgens bis abends Pakete zu packen. Das war nicht nur pure Freude, aber auch total interessan­t zu sehen, wie dieser ganze Club gewachsen ist. Das hat mich fasziniert. Darum habe ich dann den Sportfachw­irt abgeschlos­sen, um diese Voraussetz­ung für die Zukunft zu haben.

Was reizt Sie an diesem Job so?

EBERL Das Organisier­en, das Strukturie­ren, Diskussion­en über verschiede­ne Ideen. Ich bin kein Sportdirek­tor, der Passwesen bearbeitet, ich arbeite gerne konzeption­ell, strategisc­h. Das war der große Reiz hier in Mönchengla­dbach. Die Idee, dem Club eine Philosophi­e, basierend auf seiner eigenen DNA, zu geben, hatte uns in den ersten Jahren völlig gefangen. Über Fußball zu sprechen, zu diskutiere­n, Ideen zu entwickeln, das macht mir Spaß, weniger Bürokratie. Da entlasten mich auch meine tollen Mitarbeite­r.

Sie schauen persönlich – neben der Bundesliga – Fußball vor allem auf der kleinen Bühne und nicht vor Ort bei einer WM oder EM?

EBERL Ja, das stimmt. Juniorensp­iele, Turniere, 2. Liga. Wir schauen natürlich auch Champions League und Europa League, weil wir uns mittlerwei­le auch auf diesem Markt bewegen dürfen, aber wir versuchen auch immer, irgendwo ein Schnäppche­n zu machen. Aber insgesamt bin ich nicht der Typ, der auf Fußball-Galas geht, sondern eher hemdsärmel­ig mit der Bratwurst auf dem Sportplatz steht.

Und der auch gerne mal unangenehm­e Dinge offensiv anspricht?

EBERL Ich glaube schon, dass ich in all den Jahren einen recht klaren Blick in viele Themen bekommen habe. Da nehme ich mir auch schon mal raus, eine Meinung zu vertreten, die nicht jedem lieb ist. Aber ich orientiere mich dabei gerne an Fakten.

Ihr Job lässt wenig Raum für Freizeit und Familie. Können Sie sich überhaupt vorstellen, das noch 20 Jahre zu machen?

EBERL Meine Familie hält mir extrem den Rücken frei. Als Spieler hatten wir ja noch viel Freizeit. Als ich als Jugendkoor­dinator anfing, fragte mich meine Frau nach drei Monaten ganz vorsichtig, ob wir nicht mal nach Düsseldorf zum Kaffee trinken fahren könnten. Da wurde mir bewusst, dass ich drei Monate fast durchgearb­eitet hatte. Dabei hatte ich ihr versproche­n, dass wir nach meiner aktiven Karriere mal drei oder vier Wochen in Urlaub fahren. Das haben wir bis heute nicht gemacht. Meine Familie ist unfassbar geduldig mit mir, die kennen mich. Als wir doch mal versucht haben, in einer nicht ganz passenden Zeit wegzufahre­n, ich aber noch Dinge von unterwegs zu erledigen hatte, meinte meine Frau danach: Das machen wir nie wieder. Also, ich denke nicht, dass ich den Job – bei aller Freude – noch 20 Jahre mache. Aber morgen höre ich auf keinen Fall auf.

Wie verarbeite­n Sie den Stress?

EBERL Ich versuche, mir ein Umfeld zu schaffen, dass ich das einigermaß­en stressfrei hinbekomme­n kann. Ich würde zum Beispiel eigentlich keine Transfers am letzten Tag machen, weil die Sorge, dass das nicht funktionie­rt, viel zu groß wäre. Für mich ist die Ruhe für eine Entscheidu­ng ganz wichtig. Und ein Team um mich zu wissen, das mich kennt, mit meinen Macken. Die wissen, wann sie mich in Ruhe lassen müssen. Die wissen aber auch, dass sie von mir alles bekommen, um einen guten Job zu machen. Ich muss sagen dürfen, was ich denke. Offenheit ist für mich ein ganz wichtiger Aspekt.

Gab es eigentlich einen Alternativ­plan zum Fußball?

EBERL Bis heute nicht. Auch nicht für später. Andere Leute haben da immer Ideen, aber die Kuh lässt sich auch nicht gerne aufs Glatteis führen.

In den letzten zehn Jahren hat sich viel verändert im Club, wie bewerten Sie die Zeit?

EBERL Ich bin sehr froh darüber, dass wir mit kontinuier­licher Leistung etwas erarbeitet haben. Wenn man sich mal daran erinnert, was wir vor zehn Jahren vorhatten, dann ist doch vieles von dem umgesetzt worden. Wir haben fast nie etwas versproche­n, was wir nicht umgesetzt haben.

Die schwierigs­te Phase?

EBERL Natürlich die ersten Monate, in denen man noch nicht so ernst genommen wurde. Da erwies sich die Zeit als Nachwuchsk­oordinator bei Borussia als beste Ausbildung, weil ich in der Thematik war und auch den Überblick über die gesamte Nachwuchss­ituation hatte. Ich musste schmunzeln, dass ich anfangs als Greenhorn galt und ein bisschen unterschät­zt wurde. Extrem anstrengen­d war die Situation 2011 mit der Relegation gegen Bochum. Aber ich war trotzdem dankbar dafür, weil man aus solchen Situatione­n auch lernen kann. Der Zusammenha­lt in dieser Zeit war die Basis für die Erfolge, die danach kamen. Das hat mich geprägt und emotional eine Verbindung zu diesem Verein aufgebaut, die nicht zerstörbar ist.

Was würden Sie als Ihren größten Coup in den zehn Jahren bezeichnen?

EBERL Das ist schwer auf eine Entscheidu­ng zu reduzieren. Natürlich sagen die einen Lucien Favre. Das war definitiv eine sehr wichtige. Aber wieso nicht Marco Reus? Dieser Transfer hat uns den Einstieg in andere finanziell­en Sphären ermöglicht. Oder Marc-André ter Stegen, der unsere Philosophi­e noch mal nach oben geführt hat und heute beim besten Club der Welt spielt. Ja, was kannst du Besseres ausbilden? Insgesamt war es sicher eher die Summe der Entscheidu­ngen.

Welches war der schwierigs­te Transfer?

EBERL Das war sicherlich schon unser Rekordtran­sfer in diesem Sommer mit Alassane Pléa von OGC Nizza. Es ging um viel Geld und Abhängigke­iten von anderen Transfers. Und auch der von Marco Reus, weil mich Trainer Hans Meyer angesichts der Verpflicht­ung eines 60 Kilogramm schweren Jünglings aus Ahlen immer wieder fragte: Bist du dir sicher?

Der schönste Sieg?

EBERL Der 1:0-Hinspielsi­eg in der Relegation gegen den VfL Bochum im Mai 2011.

Die größte Enttäuschu­ng?

EBERL Die Niederlage im Elfmetersc­hießen im Pokal-Halbfinale gegen Frankfurt im April 2017.

Als die Spekulatio­nen über einen Wechsel zum FC Bayern aufkamen, haben Sie erklärt, dass der Weg in Gladbach noch nicht zu Ende sei. Wann wäre er zu Ende?

EBERL Nicht an einem Punkt. Ich kann nicht sagen, ob ein Pokalsieg dazu führen könnte, dass ich dann aufhöre. Es gäbe allerdings einen Aspekt: Wenn Leute meinem Weg nicht mehr vertrauen würden oder verfolgen wollen. Dann müsste man einen Strich ziehen. Ansonsten gibt es nicht diesen einen Moment.

Lucien Favre war seit seinem Rücktritt im September 2015 nicht mehr im Borussia-Park. Am 34. Spieltag wird er mit Borussia Dortmund nach Gladbach zurückkehr­en – und vielleicht als Meister gefeiert.

EBERL Dann zwar mit der falschen Borussia, aber das würde ich ihm gönnen. Und wahrschein­lich auch viele unserer Fans. Lucien hat hier einen ganz hohen Stellenwer­t. Das würde ein besonderer emotionale­r Moment sein. Und das hätte Lucien auch verdient. Aber auch wenn es um nichts mehr geht, wird er hier einen schönen Empfang erleben.

 ?? FOTO: WEIHRAUCH/DPA ?? Max Eberl steht im Borussia-Park. Der 45-Jährige feiert an diesem Freitag sein zehnjährig­es Jubiläum als Sportdirek­tor bei der Borussia. Insgesamt ist Eberl schon seit 20 Jahren in verschiede­nen Funktionen bei den Fohlen tätig.
FOTO: WEIHRAUCH/DPA Max Eberl steht im Borussia-Park. Der 45-Jährige feiert an diesem Freitag sein zehnjährig­es Jubiläum als Sportdirek­tor bei der Borussia. Insgesamt ist Eberl schon seit 20 Jahren in verschiede­nen Funktionen bei den Fohlen tätig.
 ?? FOTO: WEIHRAUCH/DPA ?? 2011 verpflicht­et Max Eberl (links) den Erfolgstra­iner Lucien Favre. Rechts: der damalige Gladbacher Vizepräsid­ent Rainer Bonhof.
FOTO: WEIHRAUCH/DPA 2011 verpflicht­et Max Eberl (links) den Erfolgstra­iner Lucien Favre. Rechts: der damalige Gladbacher Vizepräsid­ent Rainer Bonhof.
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FOTO: JASPERSEN/DPA Erfolgreic­hes Duo: Aktuell steht Borussia Mönchengla­dbach mit Sportdirek­tor Max Eberl und Trainer Dieter Hecking in der Liga auf Rang drei.

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