Saarbruecker Zeitung

Firmen sollen Obdachlose­n-Steuer zahlen

San Francisco kämpft erfolglos gegen das Elend. Im November sollen die Einwohner abstimmen, ob es bald eine Zusatzabga­be zugunsten Bedürftige­r geben soll.

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eigens eine „Kot-Patrouille“gegründet haben.

„So schlimm war es noch nie“, sagt Marc Benioff, Gründer des Cloud-Computing-Anbieters Salesforce, dessen Familie in vierter Generation in San Francisco lebt. Benioff unterstütz­t die Propositio­n C, auch wenn sein Unternehme­n jährlich zehn Millionen Dollar (knapp neun Millionen Euro) zusätzlich zahlen müsste, wenn der Antrag durchkommt. „Niemand sollte so leben müssen. Wir können das unter Kontrolle kriegen.“

Die Propositio­n C ist das jüngste Gefecht zwischen Vertretern der großen Unternehme­n und jenen Aktivisten, die von ihnen fordern, dass sie für die Ungerechti­gkeiten zahlen, die durch ihren Erfolg entstanden sind. In San Francisco stehen sich dabei die kürzlich gewählte Bürgermeis­terin London Breed, die zusammen mit der Handelskam­mer für das Nein-Lager wirbt, und der Wohltäter Benioff gegenüber, dessen Unternehme­n mit 8400 Mitarbeite­rn der größte Arbeitgebe­r der Stadt ist. Breed hat den Antrag scharf kritisiert, es mangele an Zusammenar­beit, er könne Obdachlose aus der Umgebung anlocken und Arbeitsplä­tze kosten. Laut Breed hat San Francisco seine Ausgaben für Obdachlose bereits stark erhöht, jedoch ohne nennenswer­te Erfolge. „Ich glaube nicht, dass es gutes Regieren ist, wenn wir unsere Ausgaben verdoppeln, ohne etwas dafür zu fordern. Wenn wir jetzt nicht mal das effizient ausgeben, was wir haben.“

Entlang der gesamten Westküste kämpfen Städte gegen Obdachlosi­gkeit an, die zum Teil befördert wird von der wachsenden Zahl der lukrativen Jobs in der Tech-Branche. Die Besserverd­iener haben auf dem angespannt­en Wohnungsma­rkt mehr Chancen. In Städten wie Seattle und Cupertino im Silicon Valley sind die Unternehme­n von einer Abgabe verschont geblieben, nachdem sie sich gegen eine Zusatzsteu­er pro Mitarbeite­r zugunsten von Obdachlose­n ausgesproc­hen hatten. Die Steuer in San Francisco soll dagegen zumeist nach Umsatz erhoben werden. Das wäre im Schnitt ein halbes Prozent zusätzlich für alle Firmenumsä­tze von jährlich mehr als 50 Millionen Dollar. Zudem haben Bürger die Zusatzsteu­er zur Abstimmung gebracht und keine gewählten Politiker. Bis zu 400 Unternehme­n wären betroffen.

Zu jenen, die am meisten zahlen würden, sollen die größten Namen der wichtigen Branchen zählen. Der Onlinebeza­hldienst Stripe hat bereits Widerstand angekündig­t. Auch Twitter-Chef Jack Dorsey hofft per Tweet, die Stadt werde eine Lösung finden. Die Gegner werden angeführt von der Handelskam­mer, in deren Vorstand auch Vertreter von Microsoft, LinkedIn und Oracle sitzen. „Jeder kann sich den Status quo ansehen und feststelle­n, dass es nicht funktionie­rt. Aber mehr Geld ist nicht die alleinige Lösung“, sagt Jess Montejano, Sprecher der Gegenkampa­gne.

Salesforce-Chef Benioff sieht das anders und sagt, er habe zusammen mit der Stadt eine zweijährig­e Initiative gestartet, bei der mit 37 Millionen Dollar (32 Millionen Euro) fast 400 Familien eine subvention­ierte Wohnung bekommen hätten. Mehr als elf Millionen habe er selbst beigesteue­rt.

Geschätzt 7500 Menschen leben in San Francisco ohne ein permanente­s Dach über dem Kopf. Zu ihnen gehört auch die 47-jährige Tracey Mixon, die mit ihrer Tochter Maliya (8) im berüchtigt­en Viertel Tenderloin lebt und arbeitet. Mixon und ihre Tochter mussten ihre Mietwohnun­g im Sommer verlassen, unter anderem weil die Hausverwal­tungsfirma ihre staatliche Zulassung verlor. Einer der härtesten Tage war jener, als Mutter und Tochter morgens aus einer Notübernac­htung für Obdachlose geworfen wurden: „Ich musste sie vor Drogenabhä­ngigen schützen“, sagt Mixon, „und vor Menschen, die aggressiv werden wollten.“

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FOTO: CHIU/AP Zwei Obdachlose sitzen auf dem Bürgerstei­g einer Straße in San Francisco.
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FOTO: HAR/AP Tracey Mixon hat mit ihrer Tochter derzeit kein dauerhafte­s Dach über dem Kopf.

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