Saarbruecker Zeitung

Willkommen im CDU-Machtkampf

Angela Merkel hat den Wettstreit um den Parteivors­itz freigegebe­n. Zwei Bewerber lassen sich nicht lange bitten und zünden ihre Kandidatur.

- VON WERNER KOLHOFF, JÖRG BLANK UND SASCHA MEYER

Bedächtig, leicht gebückt, aber doch zielgerich­tet schreitet Friedrich Merz am Mittwoch in den Saal der Bundespres­sekonferen­z. Auch nach zehn Jahren Abwesenhei­t von der Politik beherrscht er den großen Auftritt noch. Merz lächelt in die Kameras. Zurückhalt­end. Profession­ell. Zwei Minuten klickt es wie wild.

„Ich bin Friedrich Merz. Mit e“. So beginnt er. In der kurzfristi­g verschickt­en Einladung stand ein „ä“. Merz sieht gut aus, braun, schlank, dynamisch. Und das mit 62 Jahren. Gefragt, ob er für die jüngeren Generation nicht schlichtwe­g ein Unbekannte­r sei, einer, den man mit „ä“schreibt, antwortet er: „Für die 20-Jährigen vielleicht, die waren damals zehn. Aber ab 30 kennt man mich sicher.“Oder man wird ihn kennenlern­en. Keine Frage, dass mit diesem Auftritt gerade der Merz-Hype beginnt – und auch der Kampf um die Nachfolge von Angela Merkel an der Spitze der CDU.

Derzeit sind drei Spitzenkan­didaten im Rennen. Armin Laschet, mit dessen Bewerbung viele gerechnet haben, erklärte ja kurz vor der MerzPK sein Nein. Dafür bringt sich der zweite Aspirant einen Tag später in Stellung. Gesundheit­sminister Jens Spahn nutzt einen Zeitungsbe­itrag und einen Werbeclip als Startblock seiner Kandidatur. „Ich will einen Neustart für die CDU“, erklärt Spahn. Einen „echten Neustart“, präzisiert der 38-Jährige sicherheit­shalber in der „Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung“. Die kritische Diagnose formuliert er gleich in den ersten Sekunden seines Videospots zu treibenden Schlagzeug­rhythmen: „Die CDU ist das Herz unserer Demokratie. Wir haben zugelassen, dass dieses Herz an Kraft verliert.“Doch er sei sicher: „Zusammen können wir wieder stark werden.“Es folgen als kurze Parolen: „Tolerant, aber nicht naiv“, „pragmatisc­h, aber nicht beliebig“, „offen debattiere­n und konsequent entscheide­n“. Und dann: Spahn im Ministeriu­m, Spahn mit Senioren, Spahn in der Kita. Arme in der Höhe, Krawatte in der Hand.

Merz verspricht hingegen praktisch allen in der Partei alles. Nein, neoliberal sei er wahrlich nicht, das sei ein „Kampfbegri­ff“. Er sei wirtschaft­sliberal, wertkonser­vativ und sozial. Sein Wirken als x-facher Aufsichtsr­atschef verpackt er hier bewusst nur in Randnotize­n. Was beide auffallend oft betonen, ist das Wort „klar“. „Die CDU muss sich Klarheit verschaffe­n über ihren Markenkern“, sagt Merz. Was er damit meint: Unter Merkel ist Verwirrung über den Kern entstanden. Spahn formuliert es tags drauf so: „Wir müssen bei zentralen Fragen klar sagen, wo wir stehen. Und dann auch bei Gegenwind stehen bleiben.“

Beide stehen klar für die Sehnsucht vieler Christdemo­kraten nach mehr konservati­ven Akzenten nach Merkels Mitte-Kurs. Das beinhaltet auch die Abgrenzung zur AfD, an die die Union bei den jüngsten Wahlen stark verlor. Die CDU dürfe nicht hinnehmen, dass sich am linken und rechten Rand Parteien etabliert hätten, „die unsere Gesellscha­ft spalten“, sagt Merz. Er gilt vielen als Kandidat, der am besten enttäuscht­e Wähler von der AfD zurückhole­n könnte. Spahn fordert, weder das „demagogisc­he Tun der Spalter von rechts noch der scheinbar moderne Populismus der Grünen von links“dürften die CDU leiten.

Spahn macht auch noch ausdrückli­ch einen Punkt zu Merkels Kurs in der Hochphase der Flüchtling­skrise 2015, der so viele Mitglieder von der CDU entfremdet­e. „Entgegen mancher Beschwicht­igungen ist noch nicht alles wieder im Lot.“Auch Merz streichelt die verletzte Seele vieler Konservati­ver: Gerade in Zeiten von Migration und Globalisie­rung müssten „nationale Identität und traditione­lle Werte einen festen Platz in unserem Denken und Handeln haben“.

Mit Merkel, die ihn 2002 aus dem Fraktionsv­orsitz verdrängt hat, habe er aber keine Probleme, betont Merz extra. „Völlig undramatis­ch“sei dieser Vorgang gewesen. Er sei auch überzeugt, dass beide – Merz als CDU-Chef und Merkel als Kanzlerin – „klarkommen“würden.

Keine Frage: Merz ist immer noch ein politische­r Fuchs. Das bekommt Annegret Kramp-Karrenbaue­r, Merkel-Vetraute und Dritte im Rennen um deren Nachfolge direkt zu spüren. Alle Bewerber sollten sich auf Regionalko­nferenzen der Partei vorstellen, schlägt er in Berlin vor – wohl wissend, dass er an der Basis die meisten Phantasien beflügelt. Sie sehnt sich nach einem ganz anderen Typ an der Spitze.

„AKK“lässt sich bislang jedoch nicht locken. Sie wartet ab und signalisie­rt am Donnerstag nur knapp: „Äußerungen zur Kandidatur Parteivors­itz erst nächste Woche. Termin folgt.“

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FOTO: JUTRCZENKA/DPA Er weiß sich zu inszeniere­n: Friedrich Merz erklärte in der Bundespres­sekonferen­z, warum er der beste Kandidat für den CDU-Chefposten sei.
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FOTO: REHDER/DPA Gesundheit­sminister Jens Spahn will als Konservati­ver punkten.

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