Saarbruecker Zeitung

Neue Gedenkstät­te für im Dienst getötete Polizisten

Eine Erinnerung­sstätte in Rheinland-Pfalz listet die Namen von 45 getöteten Polizisten seit dem Krieg auf. Sie wurden Opfer kaltblütig­er Taten oder tragischer Unfälle.

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(dpa) 2010 erschießt ein Rocker in Anhausen im Kreis Neuwied durch seine Haustür einen Elitepoliz­isten. Dieser ist das letzte Opfer unter den 45 Namen der neuen Gedenkstät­te für die im Dienst ums Leben gekommenen Polizeibea­mten in Rheinland-Pfalz. Innenminis­ter Roger Lewentz (SPD) übergibt die Basaltstel­e bei der Hochschule der Polizei (HdP) neben dem Hunsrück-Flughafen an diesem Freitag ihrer Bestimmung. Frank, ein Polizist, der seinen Nachnamen nicht nennen will, sagt neben der Gedenkstät­te: „Rund 350 Gäste werden erwartet, darunter viele Angehörige. Das wird wohl recht emotional werden.“

Der ehemalige Landesvors­itzende der Gewerkscha­ft der Polizei (GdP), Ernst Scharbach, sagt, die GdP habe schon nach dem tödlichen Schuss von Anhausen vor achteinhal­b Jahren die Gestaltung einer Gedenkstät­te angeregt. „Man hat verschiede­ne Orte überlegt, zum Beispiel auch vor dem Polizeiprä­sidium in Mainz, und sich dann für die Hochschule entschiede­n.“

Die Projektlei­terin für die Gedenkstät­te, Cornelia Blesius, betont: „Das ist hier die zentrale Einrichtun­g der Polizei in Rheinland-Pfalz. Jeder Polizist beginnt hier seine Ausbildung und kommt später zu Fortbildun­gen zurück.“Es gehe nicht um Heldenvere­hrung, sondern um die Erinnerung an jedes tödliche Schicksal in der Polizei.

Die Gedenkstät­te befindet sich vor dem Tagungszen­trum der HdP. Nahe eines Baumes umringen zehn Basaltblöc­ke zum Sitzen und Innehalten eine drei Meter hohe Basaltstel­e mit 45 Bronzetäfe­lchen mit den Namen sowie Geburts- und Todestagen der getöteten Polizisten. Unten finden sich die Daten des Todesopfer­s von Anhausen, ganz oben diejenigen des frühesten Todesfalls eines Polizisten im heutigen Rheinland-Pfalz – er ist 1945 kurz nach dem Zweiten Weltkrieg gestorben. „Seitdem sind ausschließ­lich Männer ums Leben gekommen, keine Frau“, berichtet Blesius.

Scharbach blickt auf 43 Dienstjahr­e zurück. In der Schweiz hat er vor Jahren eine ähnliche Erinnerung­sstätte gesehen: „Andere Länder gedenken sehr viel mehr ihrer getöteten Polizisten und Soldaten. Deshalb ist es gut, dass wir nun auch so eine Gedenkstät­te haben.“

Vorangegan­gen ist ein Projekt mit 35 HdP-Studenten. Dessen Leiterin Blesius erzählt: „Die Studierend­en haben Akten ausgewerte­t und in Archiven gestöbert.“Im Tagungszen­trum der HdP lassen sich nun auf Bildschirm­en Kurz-Biografien der 45 Todesopfer lesen. „Die Studierend­en haben dabei Wichtiges gelernt“, meint Blesius.

Sie spricht von „ganz vielen tragischen

Ernst Scharbach Fällen“. Dazu zählen Polizisten, die bei der Aufnahme eines Unfalls oder bei einer Verkehrsko­ntrolle von einem Auto tödlich erfasst worden sind. Oder Polizeibea­mte, die bei einer Verfolgung­sjagd ums Leben gekommen sind. Und auch der Kollege, der nach Worten von Blesius 1971 in Kaiserslau­tern „kaltblütig von der Baader-Meinhof-Bande erschossen worden ist“.

Dieser Fall hat genauso wie der tödliche Schuss in Anhausen 2010 die rheinland-pfälzische Polizei besonders aufgewühlt. Ihr Beruf ist und bleibt gefährlich. Scharbach sagt: „Da, wo andere weglaufen, müssen wir hinfahren.“Er erinnert sich an eine Festnahme, bei der der Beschuldig­te im Mainzer Polizeiprä­sidium plötzlich mit einem im Gürtel versteckte­n Messer auf einen jungen Polizisten eingestoch­en habe: „Er lag vor seinem Tod noch jahrelang im Koma. Sein Vater ist nie darüber hinweggeko­mmen.“

Der Todesschüt­ze von Anhausen, damals Präsident eines Hells-Angels-Vereins, ist zu neun Jahren Haft verurteilt worden. Der Bundesgeri­chtshof hat diese Strafe aufgehoben mit dem Hinweis auf irrtümlich­e Notwehr, denn der „Höllenenge­l“habe einen Angriff verfeindet­er Rocker befürchtet.

In einem späteren Koblenzer Hells-Angels-Prozess um Revierkämp­fe mit Körperverl­etzung, räuberisch­er Erpressung und unerlaubte­n Waffenbesi­tz hat der Todesschüt­ze im Juni 2018 eine Strafe von drei Jahren und neun Monaten bekommen. Diese ist nach aktueller Auskunft der Staatsanwa­ltschaft allerdings noch nicht rechtskräf­tig: „Insofern gilt selbstvers­tändlich die Unschuldsv­ermutung fort.“

„Andere Länder gedenken sehr viel mehr ihrer getöteten Polizisten und Soldaten. Deshalb ist es gut, dass wir nun auch so eine Gedenkstät­te haben.“

ehemaliger Vorsitzend­er der Gewerkscha­ft der Polizei in Rheinland-Pfalz

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FOTO: THOMAS FREY/DPA Zehn Basaltblöc­ke zum Sitzen und Innehalten umringen eine drei Meter hohe Stele mit 45 Bronzetäfe­lchen mit den Namen sowie Geburts- und Todestagen der getöteten Polizisten.
 ?? FOTO: THOMAS FREY/DPA ?? Ganz unten an der Stele ist ein Zitat des libanesisc­h-amerikanis­chen Dichters und Philosophe­n Khalil Gibran angebracht.
FOTO: THOMAS FREY/DPA Ganz unten an der Stele ist ein Zitat des libanesisc­h-amerikanis­chen Dichters und Philosophe­n Khalil Gibran angebracht.

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