Saarbruecker Zeitung

Eine Kammerzofe bricht ihr Schweigen

300-Jährige plaudert aus, was ihr der Adel seinerzeit in Saarbrücke­n an Geheimniss­en anvertraut­e.

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Schloss, in der neuen Ausstellun­g zu Wilhelm Heinrich, beginnt sie ihre Führung und nimmt die Besucher mit auf eine Reise durch weniger bekannte Details der Fürsten-Herrschaft von Nassau-Saarbrücke­n. Sie erzählt von den unzähligen Maitressen am Hof, überhöhten Egos von Adeligen und einer blühenden Vetternwir­tschaft, alles aus der Erinnerung einer Kammerzofe der damaligen Zeit.

Eine Kammerzofe, das war einst eine Dame, die im Dienst einer meist adeligen Herrschaft stand und dort der Dame des Hauses in den privaten Gemächern diente. Sie war ihren vorgesetzt­en Adeligen meist sehr eng vertraut und sowieso zur Verschwieg­enheit verpflicht­et, was natürlich bedeutete, dass eine Kammerzofe allerhand interessan­te Geheimniss­e aufschnapp­en konnte.

Ihren Berufsstan­d hat Henrietta überlebt, genau wie ihre adeligen Vorgesetzt­en. Doch genauso haben mit ihr all die interessan­ten Dinge überlebt, die sie damals miterlebte. Und da außer ihr niemand mehr da ist, der sie fürs Ausplauder­n bestrafen könnte, hat sie sich endlich dazu entschloss­en, ihr Schweigen zu brechen.

Ihre Führung führt über den Schlosspla­tz, wo einst sogar Köpfe von den Guillotine­n rollten, durch die Wilhelm-Heinrich-Straße, wo sich der Adel aufhielt, bis zum Ludwigspla­tz, wo mit dem Zuchthaus neben dem Adel auch die Schattense­ite der fürstliche­n Stadt zu sehen war. Zu allem hat sie eine Erinnerung, auch wenn sie das Schloss so von früher nicht kennt. Die modernen Kutschen mit vier Gummireife­n, ohne Pferde, sind der 300-Jährigen noch nicht so ganz geheuer.

300 Jahre alt ist Henrietta natürlich nur während der Führung, auch wenn sie ihr echtes Alter nicht verraten will, um der Illusion nicht zu schaden. Bürgerlich heißt die letzte Kammerzofe Saarbrücke­ns Monika Link, die Zeit um die Französisc­he Revolution hat sie auch im echten Leben direkt mitbekomme­n, wie sie sagt. Schließlic­h habe sie bei „Dantons Tod“, einem Revolution­sdrama von Georg Büchner, zum Ensemble des saarländis­chen Staatsthea­ters gehört, erzählt sie. In Zweibrücke­n, Blieskaste­l und Homburg hat sie die Führungen als Kammerzofe schon angeboten, da die Adelshäuse­r der damaligen Zeit allerdings alle so nah beisammen waren, war der Sprung nach Saarbrücke­n nicht weit.

Ausgedacht hat sie sich ihre Geheimniss­e übrigens nicht, sie alle sind in irgendeine­r Form überliefer­t. Doch das allergrößt­e Mysterium löst sie erst ganz am Ende der Führung. Nämlich das, wie sie es geschafft hat, stolze 300 Jahre alt zu werden. Wer das wissen möchte, muss es sich allerdings schon von ihr selbst anhören. Ist schließlic­h ein Geheimnis.

Führungste­rmine: 18. November und 9. Dezember, Dauer zirka zwei Stunden; Anmeldung erforderli­ch bei:Tourist-Informatio­n im Rathaus, Tel. (06 81) 95 90 92 00, E-Mail: tourist.info@verkehrsve­rein-sb.de www.saarbrueck­en.de/tourismus/ stadtfuehr­ungen

Die modernen Kutschen

mit vier Gummireife­n, ohne Pferde, sind der 300-Jährigen noch nicht so ganz geheuer.

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FOTO: TOBIAS EBELSHÄUSE­R Hat sich doch gut gehalten, die alte Kammerzofe. 300 Jahre hat sich auf dem Buckel. Ihr Geheimnis ewiger Jugend verrät Monika Link nur bei ihren Führungen.

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