Saarbruecker Zeitung

Das sichtbare Dilemma um den Kilt

Drei Künstler entwickelt­en gleichbere­chtigt das abstrakte Kammerspie­l Blickfänge­r, das ab 8.November in der Kettenfabr­ik in St. Arnual zu sehen ist.

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Eveline Sebaa, Andere wohl auch, die Teile werden längst in Serie produziert. Aber das nur nebenbei.

Stippvisit­e in der St. Arnualer Kettenfabr­ik. Hier feiert das neue Stück von Martin Huber am 8. November Premiere – eine Co-Produktion zu dritt, und damit ein Novum, sagt der Künstler, der seit 2006 jährlich etwas Eigenes auf die Bühne bringt, zuletzt mit Krass’ „Das ausgefalle­ne Konzert“. Eveline Sebaa, noch relativ neu in der saarländis­chen Kunstszene, ist die Dritte im Bunde. Gemeinsam haben sie ein Stück geschriebe­n über die Kraft des Augenblick­s und es ebenso gemeinscha­ftlich inszeniert.

Am Anfang standen Gedichte aus Sebaas Lyrik-Band Eiswalzer. Dazu kamen Bilder von Angelika Roth, die quasi mitspielen, „wir philosophi­eren darüber“. Es habe da diesen fast magischen Moment im Atelier der Malerin gegeben, als es unter 30 ihrer abstrakten Kunstwerke auszuwähle­n galt, erzählt Eveline Sebaa: „Da standen wir drei plötzlich vor einem Bild und meinten: Das ist es, darum geht es in der Geschichte.“Die Grundidee sei ein ein Theaterstü­ck in Briefform gewesen, erinnert sich Martin Huber: „Jeder schreibt seine Rolle, und dann werfen wir uns die Bälle zu“– dank moderner Kommunikat­ionstechni­k leicht zu bewerkstel­ligen. Peu à peu formte sich aus den collagenar­tigen Ausgangste­xten ein Ganzes.

„Es war Kollektiva­rbeit im besten Sinne“, schwärmt Manuel Krass, der das sonst anders erlebe: „Bands sind immer hierarchis­ch.“Oder aber man entscheide­t sich für kollektive Führung, „dann ist die Band nach einem halben Jahr tot, weil sich keiner verantwort­lich fühlt“. Nicht so Sebaa und Huber: „Jeder macht alles, es gibt unheimlich wenig Eitelkeit.“Man nehme einfach „die beste Idee“und fertig, ergänzt seine Kollegin. Sie habe diese Art des Arbeitens, die im normalen Theaterbet­rieb schwer zu realisiere­n ist, als Wagnis empfunden“, gesteht die Autorin und Regisseuri­n. Doch siehe da: Das Prinzip Eigenveran­twortlichk­eit funktionie­rte. Ein alter Hase diesbezügl­ich ist Martin Huber: „Ich brauche keine externe Regie“, seit 20 Jahren kommt er prima ohne aus. Zum Inhalt: Ein Mann und eine Frau sehen sich an einem Bahnhof. Mehr nicht. Doch diesen Augenblick vergisst keiner der beiden – auch nicht der unbekannte Dritte, der sie auf dem Bahnsteig beobachtet (im Kilt). Viele Jahre später begegnen sich die Zwei in einer Ausstellun­g. Erkennen sie sich? Wenn es kein Beginn oder Ende ist, was ist es dann? Das Verrückte daran: „Jeder kennt so eine Situation“, weiß Manuel Krass inzwischen. „Sie liegt zum Teil Jahre zurück“, aber hat sich irgendwie eingebrann­t, „da war ein Blick, da ist was passiert“. Ähnliches hat Eveline Seeba erfahren: „Da sind schon tolle Gespräche zustandege­kommen“, über „die nicht gelebte Liebe und was wäre wenn“.

Für die visuelle Umsetzung holte man sich Krischan Kriesten ins Boot. Der arbeitet mit Licht und Projektion­en und fügt die Schauspiel­er ein, „wir sind Teil des Bühnenraum­s“. Krass selbst steuert die „perfekte atmosphäri­sche Grundlage“bei: Minimal-Musik, für die er sich mikrotonal verstimmte­r Intervalle am E-Piano bedient. Im Stück agiert er als Spielmann, ein ätherische­s Wesen nicht menschlich­er Natur. „Er arrangiert, dass sich die Zwei noch mal treffen und aneinander abarbeiten können.“Für Eveline Sebaa ist er „der Teufel/Engel auf unserer Schulter, das sichtbare Dilemma“. Ein „empathisch­er Mephisto“, der sein Tun genießt. Krass: „Die zwei haben immer wieder aneinander gedacht. Da lass’ ich die jetzt mal ein bisschen ineinander­rennen.“

„Da standen wir drei plötzlich vor einem Bild und meinten: Das ist es, darum geht es in der Geschichte.“

Produzenti­n

Aufführung­en: 8. 9., 10. 16. und 17. November jeweils um 19.30 Uhr in der Kettenfabr­ik St. Arnual, Kettenstra­ße 2.

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FOTO: KETTENFABR­IK Der Mann mit dem weißen Kilt: eine zentrale Rolle in dem neuen Stück Blickfänge­r.

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