Saarbruecker Zeitung

Hoffnung auf Frieden für Bürgerkrie­gsland Jemen

Die Bomben haben den Jemen bis zur Unkenntlic­hkeit zugerichte­t. Kinder hungern, ein Volk stirbt. Die Hoffnung ruht nun auf Gesprächen im fernen Schweden.

- VON AMAL AL-YARISI, BENNO SCHWINGHAM­MER UND JULIA NEUMANN

In Schweden haben die Friedensge­spräche für den Jemen begonnen. In dem arabischen Land tobt seit vier Jahren ein blutiger Stellvertr­eterkrieg. Das Volk hungert – lange vergessen von der Welt.

STOCKHOLM/SANAA (dpa) Lange schien es vergessen, dieses Leid, dieses weit entfernte Elend. Der gestrige Tag hat die Katastroph­e im Jemen wieder ins Bewusstsei­n gerückt. Und diesmal ist etwas anders. Diesmal schimmert erstmals Hoffnung auf. Echte Hoffnung auf Frieden.

Das Schloss Johannesbe­rg mit seinen herrschaft­lichen Sälen und dem gepflegten Parkett steht im krassen Gegensatz zur Not im Bürgerkrie­gsland auf der arabischen Halbinsel. Und doch sitzen sich hier, nördlich von Stockholm, gestern zum ersten Mal seit Jahren die 24 Menschen gegenüber, die den Grundstein für Frieden im Jemen legen könnten.

Zwischen den beiden Delegation­en, die fast ausschließ­lich aus Männern bestehen, hat UN-Vermittler Martin Griffiths Platz genommen. Der britische Diplomat spricht zum Beginn der lange ersehnten Friedensge­spräche im Örtchen Rimbo von einem „Meilenstei­n“, weiß aber auch: Ein Ende des Leids verlangt riesige Anstrengun­gen.

Denn das Chaos in dem Land, in dem Familien in den vergangene­n vier Jahren vom Krieg zerrissen wurden, Kinder verhungert­en oder an Seuchen starben, ist unvorstell­bar. Mohammed Ismail ist eines dieser Opfer, die heute auf die über 5000 Kilometer entfernten Gespräche in der grünen Idylle schauen. Der Beamte aus der Hauptstadt Sanaa wird schon lange nicht mehr für seine Arbeit bezahlt. Wie er seine Familie mit Taxifahren durchbring­en soll, weiß er oft selbst nicht. Trotzdem ist er hoffnungsv­oll: „Es gibt großen Optimismus dieses Mal.“

Es ist diese Hoffnung, von der die Menschen im Jemen zehren. Denn Millionen haben sonst nichts anderes mehr. Mehr als drei Viertel der Bevölkerun­g sind nach UN-Angaben auf humanitäre Hilfe angewiesen. In vielen Regionen wurde die Infrastruk­tur zerstört, Krankenhäu­ser existieren dort nicht mehr. In den vergangene­n knapp vier Jahren starben in dem Konflikt nach UN-Angaben allein etwa 10 000 Zivilisten.

Viele der Unbeteilig­ten starben im Bombenhage­l einer von Saudi-Arabien geführten Militärkoa­lition. Das Bündnis ließ den Konflikt 2015 eskalieren, nachdem die Huthi-Rebellen weite Teile des Landes überrannt und die internatio­nal anerkannte Regierung unter dem schwachen Präsidente­n Abed Rabbo Mansur Hadi ins Exil gejagt hatten. Riad fürchtet die Rebellen an seiner Grenze, weil diese von seinem Erzfeind Iran unterstütz­t werden.

Dieses in den vergangene­n Jahren tief verankerte Misstrauen versucht UN-Vermittler Griffiths gestern auch mit Humor aufzulocke­rn: „Noch drei Minuten, wurde mir gesagt, bis zum Frieden im Jemen!“, scherzt er vor Journalist­en. Sagt aber auch: „Ich will nicht übermäßig optimistis­ch sein, aber ich will übermäßig ambitionie­rt sein.“Zunächst solle das Vertrauen zwischen den Kontrahent­en hergestell­t werden. Vorstellun­gen über eine Nachkriegs­ordnung werden höchstens angerissen. Nach einigen Entspannun­gssignalen in den vergangene­n Wochen wartet Griffiths nun mit der ersten formellen Einigung zwischen den Konfliktpa­rteien auf: einem umfassende­n Austausch von Gefangenen. „Dies wird dazu führen, dass Tausende Familien wieder vereint sind“, erklärt er, lässt aber offen, wann der Austausch stattfinde­n könnte.

Die Gespräche finden zunächst nur in getrennten Räumen indirekt statt. Ein Knackpunkt wird in den kommenden Tagen wohl die Lage in der umkämpften Küstenstad­t Hudaida sein. Die Regierung pocht auf eine Übergabe der strategisc­h wichtigen Stadt, die Huthis wollen nicht aufgeben. Am Hafen Hudaidas hängt

Martin Griffiths

die Versorgung von Millionen Menschen.

Dass vor allem die USA ihren engen Verbündete­n Saudi-Arabien und damit auch die jemenitisc­he Regierung an den Verhandlun­gstisch drängten, hängt auch mit dem Mord an dem saudischen Journalist­en Jamal Khashoggi zusammen. Die Affäre hat Saudi-Arabien in die Defensive gedrängt und Washington unter Zugzwang gesetzt, die Interventi­onspolitik des engen Verbündete­n einzuhegen.

Bundesauße­nminister Heiko Maas (SPD) warnt gestern vor einer humanitäre­n Katastroph­e, falls die Gespräche in Schweden scheitern sollten. Das Welternähr­ungsprogra­mms (WFP) kündigt an, seine Nahrungsmi­ttelliefer­ungen aufzustock­en.

Mit dem bevorstehe­nden Austausch der Kriegsgefa­ngenen ist der Start der mehrtägige­n Jemen-Friedensge­spräche geschafft. An ihnen hängt das Schicksal eines ganzen Volkes.

„Noch drei Minuten bis zum Frieden

im Jemen!“

kurz vor den Friedenges­prächen

nördlich von Stockholm

 ?? FOTO: EL-MOFTY/AP/DPA ?? Hunger, Leid und Isolation: Umm Mizrah, eine 25-jährige Jemenitin, hält ihren Sohn Mizrah im Al-Sadaqa-Krankenhau­s in der südjemenit­ischen Stadt Aden im Arm. Vier Jahre schon dauert der Bürgerkrie­g im Jemen an.
FOTO: EL-MOFTY/AP/DPA Hunger, Leid und Isolation: Umm Mizrah, eine 25-jährige Jemenitin, hält ihren Sohn Mizrah im Al-Sadaqa-Krankenhau­s in der südjemenit­ischen Stadt Aden im Arm. Vier Jahre schon dauert der Bürgerkrie­g im Jemen an.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany