Saarbruecker Zeitung

Europa kann sich beim stärkeren Grenzschut­z nicht einigen

- Produktion dieser Seite: Gerrit Dauelsberg Frauke Scholl VON DETLEF DREWES

Monatelang hatte die EU-Kommission unter dem Druck der Mitgliedst­aaten an einer deutlich verstärkte­n gemeinsame­n Grenz- und Küstenschu­tz-Einheit gearbeitet. Gestern platzte der Traum – zumindest vorerst.

Zwar war selbst Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) zum ersten Mal in dieser Funktion nach Brüssel gereist, um klarzumach­en: „Die ständige Reserve der Frontex-Beamten muss so schnell wie irgend möglich aufgestock­t werden.“Doch von einem wirklich zügigen Ausbau der Grenzschut­zagentur Frontex kann nun keine Rede mehr sein: „Wir sollten uns beeilen, aber bei unseren Zeitzielen realistisc­h bleiben. 2025 wäre für mich ein machbarer Zeitplan“, sagte Seehofer bei den Beratungen mit seinen Amtskolleg­en.

Die Kommission wollte die vorhandene­n 1500 Grenzschüt­zer sogar bis 2020 auf 10 000 Mann erweitern – rund 1200 aus Deutschlan­d. Doch die Mitgliedst­aaten bremsten. Österreich, das derzeit die halbjährli­ch wechselnde EU-Ratspräsid­entschaft innehat, präsentier­te sogar einen Kompromiss-Vorschlag, der einen Einsatz der neuen Truppe erst 2027 vorsah. Damit nicht genug. Schon am Wochenende war bekannt geworden, dass das Bundesinne­nministeri­um dem Vorhaben generell kritisch gegenübers­teht. Es sei „nicht erkennbar, durch welche neuen Aufgabenzu­weisungen für Frontex an den Außengrenz­en dieser Personalzu­wachs begründet ist.“

Schon vorab war eine der zentralen Regelungen, die die EU-Kommission einführen wollte, gekippt worden. Die Behörde hatte nämlich geplant, dass Frontex zur Unterstütz­tung der nationalen Grenzschüt­zer auch gegen den Willen eines Mitgliedst­aates eingesetzt werden kann, wenn der nicht in der Lage ist, die Übergänge zu kontrollie­ren. Vor allem Griechenla­nd und Italien sahen darin einen Verstoß gegen ihre Souveränit­ät.

Der zügige Frontex-Ausbau ist aber nicht der einzige Punkt, der gestern scheiterte. So steht wohl nun auch fest, dass die EU bei der Abstimmung über den UN-Migrations­pakt am Montag in Marrakesch nicht mit einer Stimme sprechen wird – sechs Regierunge­n wollen das Papier ablehnen.

Auch der in dieser Legislatur­periode letzte Anlauf für eine weitgehend­e Harmonisie­rung der Asylrechts-Regeln scheiterte offenbar. Es ging um ein Paket mit sieben Vorschläge­n der EU-Kommission. Dazu gehören unter anderem Verordnung­en über gleiche Aufnahmekr­iterien und Standards für die Betreuung und Unterbring­ung von Flüchtling­en, die Reform des Dublin-Systems sowie die Stärkung der Frontex-Agentur. Sie sollte künftig Anträge prüfen und bei einem positiven Bescheid die Ankommende­n verteilen. Voraussetz­ung dafür wäre aber gewesen, dass sich die 28 Mitgliedst­aaten auf eine faire Aufnahme der Hilfesuche­nden geeinigt hätten. Dies wird seit Monaten von mehreren Regierunge­n vor allem im Osten verhindert. Ein Durchbruch blieb auch gestern aus.

BRÜSSEL

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FOTO: BALK/DPA Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) beriet sich gestern mit seinen europäisch­en Amtskolleg­en.

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