Saarbruecker Zeitung

Ewiger Egoismus blockiert Europas Entwicklun­g

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Seit Jahren rufen die EU-Staaten nach einem schärferen Grenzschut­z. Mindestens ebenso lange verspreche­n sie den Menschen in ihren Ländern, die ankommende­n Flüchtling­e besser zu kontrollie­ren. Als die EU-Kommission daraufhin die Stärkung ihrer Grenzschut­zagentur Frontex auf 10 000 Beamte vorschlug und sie mit weitreiche­nden Kompetenze­n ausstatten wollte, gab es viel Lob. Nun aber zerpflücke­n die Mitgliedst­aaten eben diesen Vorschlag und verschiebe­n die Umsetzung um Jahre – darunter auch Deutschlan­d und ausgerechn­et der CSU-Innenminis­ter, der am lautesten Kontrollen gefordert hatte.

Dabei belegt die Situation in den bestehende­n Auffangzen­tren, dass die betroffene­n Länder weiter völlig überforder­t sind, dass die Abwicklung der Asylanträg­e unerträgli­ch lange dauert, dass Rechtsschu­tz der Betroffene­n Seltenheit­swert hat. Und außerdem scheint manchen Regierunge­n offenbar viel daran zu liegen, dass ihnen nicht irgendwelc­he ausländisc­hen Beobachter auf die Finger schauen. Man sollte sich nichts vormachen: Der Umgang mit den richtigen und guten Vorschläge­n der Kommission entlarvt die Doppelzüng­igkeit vieler Mitgliedst­aaten, die zwar Verbesseru­ngen und europäisch­e Solidaritä­t fordern, aber sie nicht wirklich haben wollen. Während wieder andere sich jeder Mitverantw­ortung verweigern, aber trotzdem beim Verteilen von Fördermitt­eln die Hand aufhalten.

Dazu passt, dass auch der vorerst letzte Anlauf für gemeinsame Asylregelu­ngen gescheiter­t ist. Bei der Tagung zum UN-Migrations­pakt spricht die Union mit mehreren Stimmen, weil man sich nicht verständig­en konnte. Und das Reformpake­t der EU-Verwaltung bleibt offenbar auch in der Schublade. Damit ist nicht absehbar, woher vor den Europawahl­en noch ein Durchbruch kommen sollte. Es ist ja schön und gut, wenn die EU schon im Vorfeld der Abstimmung im Mai 2019 bunte Plakate druckt und eingängige Slogans über die Bedeutung dieser Gemeinscha­ft propagiert. Aber beim Wähler bleibt eben doch der Eindruck, dass diese Union bei einer wirklich großen Herausford­erung keine Linie findet. Das ist bitter.

Denn in den Vorschläge­n der EU-Kommission ging es zwar um tiefgreife­nde Veränderun­gen des Asylrechts. Aber auch um Standards im Umgang mit Hilfesuche­nden. Oder um es anders zu sagen: Brüssel wollte erreichen, dass die Menschen überall in der Union entspreche­nd jener Werte behandelt werden, auf die die EU so stolz ist. Dass das misslungen ist, zeigt den Egoismus der Europäer.

So eklatant das Versagen auch ist, die Schuld dafür tragen nicht die europäisch­en Institutio­nen, sondern die Regierunge­n der Mitgliedst­aaten. Sie bremsen, verweigern und blockieren. Nicht alle, das stimmt. Aber nicht einmal der kleine Kreis derjenigen, die sich auf die wesentlich­en Punkte eines neuen Asylrechts verständig­en könnten, schaffen es, das zu beschließe­n, was unstrittig ist. Am Ende bleibt damit ein Bild von Europa, das nicht überzeugt. So wird man den Kampf gegen die Populisten im nächsten Jahr sicherlich nicht gewinnen.

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