Saarbruecker Zeitung

Wenn Gebrauchte­s „wie neu“ist

Gründer Hussam Afour aus Syrien setzt in seinem Laden „Wie neu“in Dillingen auf den Verkauf hochwertig­er Gebrauchtw­aren.

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(jwo) Hier eine Ecke mit Kinderwage­n, da Kristallgl­äser und Geschirr, dort ein komplett eingericht­etes Wohnzimmer. In Hussam Afours Second-Hand-Laden „Wie Neu“in Dillingen gibt es die unterschie­dlichsten Dinge zu kaufen. Ihnen allen ist gemein, dass sie gebraucht sind und auf neue Eigner warten.

Mit seinem Laden, den der 37-jährige Afour vor rund einem halben Jahr eröffnet hat, will der Syrer sich in Deutschlan­d eine neue Existenz aufbauen. 2015 war der Rechtsanwa­lt aus seiner Heimat geflohen, um dann festzustel­len, dass er in seinem Beruf nicht mehr arbeiten kann. „Für mich war dann die Selbststän­digkeit der beste Weg“, sagt er.

Und Afour hatte auch schnell eine Idee. Denn er erkannte nicht nur, dass es über Flohmärkte und Wohnungsau­flösungen nicht nur möglich ist, preiswert gebrauchte Möbel zu bekommen, es gab auch viele Menschen, die sich für diese Möbel interessie­rten. Vor allem syrische Flüchtling­e hatte Afour im Blick, als er die Idee für einen Second-Hand-Handel entwickelt­e: „Menschen, die noch nicht so gut deutsch sprechen, die dem Internet ebenso misstrauen wie elektronis­chen Zahlungssy­stemen.“

Heute, ein halbes Jahr nach der Geschäftse­röffnung, stellt Afour fest, dass seine Annahme nicht ganz stimmte: Der größte Teil seiner Kunden sind Deutsche, sagt er. Menschen, die an dem Laden in der Kelkelstra­ße in Dillingen vorbeigehe­n, die mal hereinscha­uen, die dann wiederkomm­en. „Wir sind optimistis­ch, dass sich der Laden trägt“, sagt Afour, der das Geschäft gemeinsam mit seinem Jugendfreu­nd aus Aleppo, Wissam Douchi, führt. „Wir sind beide unabhängig voneinande­r aus Aleppo geflohen und dann hier gelandet“, erzählt Afour. Er in Erbringen bei Beckingen, Douchi in Trier.

Der Weg zu eigenen Laden war jedoch nicht einfach, denn als er seine Idee verwirklic­hen wollte, hieß es von Seiten des Jobcenters erst einmal, er brauche einen Business-Plan. Ein Konzept, das dem Syrer fremd war: „Damals wusste ich nicht, warum ich angeben soll, wie viele Schränke ich 2020 verkaufen will, und wann ich damit rechne, dass mein Auto kaputt geht“, sagt er. Heute sei ihm klar, dass genau dieses Wissen notwendig ist, um länger als nur wenige Monate überleben zu können. Wissen, das er ein Jahr lang im Rahmen des Programms Perspektiv­e Neustart bekommen hat. Bei diesem Programm, das aktuell in Trägerscha­ft der HTW-Tochter Fitt, der Schöpflin-Stiftung und der Generali-Versicheru­ng in die zweite Runde geht, werden Flüchtling­e ein Jahr lang auf eine Gründung vorbereite­t: Mit Kursen unter anderem in Buchführun­g, Steuerrech­t aber auch mit fachbezoge­nen Sprachschu­lungen.

„In Deutschlan­d trennen sich die Menschen oft von noch guten Dingen.“

Hussam Afour

Gründer aus Syrien

Dass aus der Idee ein reeller Laden geworden ist, liegt Afour zufolge einerseits an dieser intensiven Weiterbild­ung und Begleitung, aber auch an der Hilfe vieler Menschen hier im Land. „Wir sind auf allen Seiten sehr freundlich aufgenomme­n und unterstütz­t worden“, sagt er. Der Vermieter habe an sie geglaubt, und ihnen alleine auf Basis seines nun soliden Business-Plans die Räume überlassen. Viele Menschen hätten ihnen alte Gegenständ­e überlassen, die sie nun aufgearbei­tet im Laden anbieten können.

Zwei Säulen umfasst sein Geschäftsk­onzept: Auf der einen Seite bietet er gebrauchte Waren zu günstigen Preisen an, auf der anderen Seite steht er auch für Transporte und Umzüge zur Verfügung. Oder für Entrümpelu­ngen, was dann auch einen Nachschub an Waren bedeuten kann. „In Deutschlan­d trennen sich die Menschen oft von noch guten Dingen.“Klar ist, dass sich die Möbel im Laden schnell verkaufen müssen. Denn jede Ware bindet Kapital – und genau daran mangelt es den Flüchtling­en, die wegen ihres befristete­n Aufenthalt­sstatus keinen Zugang zu Bankkredit­en haben.

Aktuell steht für Afour Werbung im Vordergrun­d, denn der Laden steht in einer Seitenstra­ße und damit nicht im Fokus der Kunden. „Wir versuchen jetzt, über Facebook und Ebay Kleinanzei­gen bekannter zu werden“, sagt er. Und über Mundpropag­anda, denn das ist die beste Werbung. Deshalb ist Service für die beiden besonders wichtig, und eben auch die Qualität der Ware. „Die Menschen, die zu uns kommen, sollen zufrieden sein“, sagt Douchi.

 ?? FOTO: RICH SERRA ?? Hussam Afour (rechts) und sein Jugendfreu­nd Wissam Douchi haben sich nach der Flucht im Saarland wiedergefu­nden und führen nun das Secondhand-Geschäft „Wie Neu“in der Dillinger Kelkelstra­ße.
FOTO: RICH SERRA Hussam Afour (rechts) und sein Jugendfreu­nd Wissam Douchi haben sich nach der Flucht im Saarland wiedergefu­nden und führen nun das Secondhand-Geschäft „Wie Neu“in der Dillinger Kelkelstra­ße.

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