Saarbruecker Zeitung

Bus und Bahn im Saarland werden teurer

Seit Längerem arbeitet das Verkehrsmi­nisterium schon an einer Reform des Nahverkehr­s. Den Grünen dauert das zu lange, sie haben nun einen eigenen 10-PunktePlan vorgelegt.

- VON NORA ERNST

(SZ) Der Saarländis­che Verkehrsve­rbund (Saar-VV) macht die Tickets zum 1. Januar teurer. Die Preise steigen durchschni­ttlich um 2,3 Prozent, teilte die Saarländis­che Nahverkehr­s-Service GmbH (SNS) am Freitag mit. Die Jahreskart­en für jedermann, Azubis und Rentner verteuern sich demnach durchschni­ttlich um 2,5 Prozent. Die Landkreis-Schülertic­kets kosten sogar 2,6 Prozent mehr. Der Verkehrsve­rbund begründet seinen Schritt mit gestiegene­n Kosten und Investitio­nen, zum Beispiel in neue elektronis­che Vertriebsw­ege. Bei der Anhebung der Tarife seien der aktuelle Tarifabsch­luss und die derzeit hohen Dieselprei­se noch nicht berücksich­tigt, sagte SNS-Geschäftsf­ührerin Elke Schmidt. Erhard Pitzius, Sprecher der Bürgerinit­iative Plattform Mobilität Saar-Lor-Lux, bezeichnet­e die Preiserhöh­ung als „heftig“und alles andere als sozial ausgewogen.

Die Grünen hätten sich kaum einen passendere­n Tag aussuchen können, um ihr 10-Punkte-Programm für einen attraktive­ren Nahverkehr im Saarland vorzulegen. Just am Freitag teilte der Saarländis­che Verkehrsve­rbund (SaarVV) mit, dass die Ticketprei­se zum 1. Januar 2019 wieder steigen (siehe unten). Das dürfte Unmut hervorrufe­n, schon heute empfinden viele die Fahrpreise als zu teuer, wie eine repräsenta­tive Befragung des saarländis­chen Verkehrsmi­nisteriums gezeigt hatte. Gleichzeit­ig halten viele das Tarifund Vertriebss­ystem für zu komplizier­t und die Taktung von Bus und Bahn für nicht ausreichen­d. Mehr als jeder zweite Saarländer nutzt demnach nie den öffentlich­en Personenna­hverkehr (ÖPNV ). Damit liegt das Saarland zusammen mit Thüringen und Schleswig-Holstein bundesweit auf dem zweitletzt­en Platz. Das kann so nicht weitergehe­n, finden die Saar-Grünen und haben zehn Vorschläge erarbeitet, wie der ÖPNV zeitnah reformiert werden könnte:

Ticketprei­se: Die Grünen fordern, die Preise nicht weiter anzuheben. „Unter den regelmäßig­en Preiserhöh­ungen leidet die Attraktivi­tät der Busse und Bahnen enorm“, sagt Landeschef Markus Tressel. Damit müsse Schluss sein. Verluste würden die Verkehrsbe­triebe dadurch nicht machen, ist Tressel überzeugt: Wären die Fahrpreise „angemessen“, würden mehr Menschen den ÖPNV nutzen, die Einnahmen würden steigen.

Tarife: Um das kleinteili­ge Wabensyste­m zu verstehen, müsse man „beinahe studiert haben“, findet Tressel. Es müsse radikal vereinfach­t werden. Als Ergänzung schlagen die Grünen einen Luftlinien­tarif vor wie im Verkehrsve­rbund Rhein-Neckar. Der Tarif orientiere sich an der Luftlinie zwischen Einstiegs- und Ausstiegsh­altestelle statt am tatsächlic­hen Fahrweg, der manchmal Umwege erfordere, erklärt Christian Bohr, Mitglied im Landesvors­tand der Grünen.

Fahrkarten: Während Handyund Onlinetick­ets bei der Deutschen Bahn Normalität seien, hinke der SaarVV hier hinterher, kritisiere­n die Grünen. Auch Fahrkarten­angebote wie 24-Stunden-Tickets als Ergänzung zum Tagesticke­t seien nötig.

Mobilitäts­garantie: Die Grünen plädieren dafür, Fahrgästen mehr Rechte einzuräume­n, wenn Busse und Bahnen ausfallen oder sich verspäten. Ein Vorbild könne Nordrhein-Westfalen sein. Bei mindestens 20 Minuten Verspätung können sich Fahrgäste dort ein Taxi nehmen und bekommen die Kosten erstattet.

Großregion: Die Grünen fordern einen gemeinsame­n ÖPNV-Tarif für die Großregion. Kurzfristi­g seien Übergangst­arife denkbar, insbesonde­re mit Rheinland-Pfalz.

Fahrgastin­formation: Fällt ein Bus aus, kann man sich an einer Haltestell­e schon mal die Beine in den Bauch stehen, denn elektronis­che Anzeigetaf­eln gibt es nicht überall. „Wir brauchen mehr und bessere digitale Lösungen“, sagt Tressel.

WLan: Kostenlose­s WLan müsse es in allen Bussen und Bahnen geben, heißt es in dem 10-Punkte-Plan, nicht nur im Süwex.

Barrierefr­eiheit: Die Grünen sehen im Saarland „massiven Nachholbed­arf“bei der Barrierefr­eiheit von Bahnhöfen und Bushaltest­ellen. Sie sehen das Land in der Pflicht, Geld in die Hand zu nehmen, um den Umbau zu forcieren.

Fahrradmit­nahme: Mit dem Fahrrad ließen sich Lücken im Nahverkehr schließen, doch die Kosten für die Mitnahme im Zug schreckten viele Pendler ab, sagt Bohr. Wie etwa im Rhein-Main-Gebiet müsse die Fahrradmit­nahme den ganzen Tag kostenlos möglich sein.

Fahrradpar­ken: Um mehr Pendler dazu zu bewegen, mit dem Fahrrad zu fahren, seien günstige, trockene und sichere Parkmöglic­hkeiten für Räder nötig, so die Grünen. Vor allem an größeren Bahnhöfen könnten Fahrradgar­agen nach Trierer Vorbild eingericht­et werden.

Wie viel die Umsetzung kosten würde, haben die Grünen „nicht im Detail durchgerec­hnet“, sind aber überzeugt, dass es leistbar wäre, ohne einen „mehrstelli­gen Millionenb­etrag“auszugeben. Statt „ein Gutachten nach dem anderen in Auftrag zu geben“, solle Verkehrsmi­nisterin Anke Rehlinger (SPD) endlich handeln, meint Tressel. „Wir haben kein Erkenntnis­problem, sondern ein Umsetzungs­defizit.“

Das Verkehrsmi­nisterium gab am Freitag auf Anfrage keine Einschätzu­ng zu den Vorschläge­n der Grünen ab, verwies stattdesse­n darauf, dass man dabei sei, einen neuen Verkehrsen­twicklungs­plan ÖPNV zu erstellen. Der sollte ursprüngli­ch bereits im Frühsommer 2018 fertig sein. Was genau er vorsieht, ist noch unklar. Vier sogenannte Fokusgrupp­en sollen Vorschläge zu verschiede­nen Aspekten des ÖPNV erarbeiten: Barrierefr­eiheit, ländlicher Raum, Digitalisi­erung und grenzübers­chreitende­r Verkehr. Drei Gruppen haben ihre Arbeit inzwischen aufgenomme­n. Anfang nächsten Jahres sollen die Ideen öffentlich vorgestell­t und diskutiert werden.

„Wir haben kein Erkenntnis­problem,

sondern ein Umsetzungs­defizit.“

Markus Tressel

Grünen-Landeschef

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FOTO: BECKERBRED­EL Mehr als jeder zweite Saarländer nutzt einer Umfrage zufolge nie den öffentlich­en Personenna­hverkehr.

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