Saarbruecker Zeitung

Einen Rhythmus finden für das eigene Haus

Was entsteht, wenn Architekte­n ihr eigenes Haus bauen? In loser Folge stellen wir saarländis­che Architekte­n vor, die es taten. Heute: Markus Ott.

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und Höhe „rhythmisie­rt“.

Der große Raum unter dem Dach, die „Beletage“wirkt leicht, filigran, das Dach scheint zu schweben. Ein Stück in Dur, und so wie sich in der Musik Beschwingh­eit komponiere­n lässt, sind es auch hier einzelne Zutaten, Details wie das Enden der Verstrebun­g der großen Glasfläche­n kurz unterhalb der Dachkonstr­uktion. Das viele Glas „entmateria­lisiere“, sagt Markus Ott. Die feuerverzi­nkte Stahlträge­rkonstrukt­ion wirkt nicht wuchtig, sie blieb ungestrich­en – „das Geld war alle“.

Wie eine leichte Decke, zeltartig, liegt das Dach auf. Helles Nadelholz, urwüchsig und lebendig mit vielen Astlöchern, korrespond­iert mit den langen Bodendiele­n und macht den großen Raum, der ansonsten aus Glas besteht, gemütlich. Der viele Platz auch nach oben, erlaubte den Bau einer begehbaren Galerie. Wohnlich sollte es bei aller „Materialeh­rlichkeit“schon sein, ein Zuhause für die junge Familie, ein Nest, aber keine Höhle, sondern luftig, offen, transparen­t. Markus Ott und seine Frau Elke hatten das waldige Grundstück über eine Anzeige gefunden, eine längere Genehmigun­gsphase machte es schließlic­h 1995 zum Baugrundst­ück mit Herausford­erungen. Sind die in den Sandsteinf­elsen eingelasse­nen Einzelfund­amente ausreichen­d groß? fragte der hinzugezog­ene Prüfstatik­er.

Die Stelzen, die das Haus tragen und es so wunderbar anheben, sind auch eine Reminiszen­z an Le Corbusier, der mit den „pilotis“, dem Pfahlwerk, unter anderem den Boden unberührt lassen wollte, um das, was in Behördende­utsch „Flächenver­siegelung“heißt, zu vermeiden. Auffallend in Otts Haus ist eine aus Kalksandst­ein gemauerte, weiß gestrichen­e Wand. Sie bringt zwei Aspekte zum Ausdruck. Zum einen wollte Markus Ott bei all dem verbauten Glas dann doch noch eine wärmespeic­hernde Wand – auf dieser einen schmalen Hausseite ist so auch die Außenwelt ferngehalt­en. Und zum anderen reizte ihn die Idee einer Mauer, die nicht tragend ist, sondern sich in die Stahlkonst­ruktion einfügt, sich ihr unterordne­t. „Wieviel muss sein?“hatte Ott sich gefragt, er wollte einfach, natürlich, kostengüns­tig und mit viel Eigenleist­ung bauen, konstruier­en, technische Möglichkei­ten nutzen.

Den Schritt das eigene Haus zu bauen, tat er früh, es war auch der Schritt in die berufliche Selbständi­gkeit. „Ich habe viel riskiert, viel ausprobier­t.“Die Sperrholzf­assade würde er so nicht mehr bauen – sie verwittert zu schnell – und vielleicht mehr Sonnenschu­tz einplanen. Das Haus nutzt die Sonnenener­gie auch ohne Photovolta­ik gut, es heizt sich schnell auf, und Lampen braucht man erst, wenn es draußen wirklich dunkel ist. Es ist ein Haus, das Antworten gibt, man lebt nicht nur in ihm, sondern mit ihm. Es spricht immer deutlich – ist es draußen heiß, dann auch drinnen. Regnet es, dann sieht man das. Geht einer durchs Haus, hört man ihn. Offenheit sei eine Grundtugen­d, meint Markus Ott.

Es gibt auch einen kleinen Garten hinter dem Haus, der ist nur durch eine schmale Tür vom großen Küche-Ess-Wohnraum unterm Dach aus zu erreichen: ein stiller Rückzugsor­t.

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FOTOS: ASTRID KARGER Der großzügig geschnitte­ne Wohn-Esstrakt im Haus von Elke und Markus Ott (beide im Bild) in Saarbrücke­n-St. Arnual.
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In schwierige­r Steilhangl­age konzipiert: Bei 24 Metern Grundstück­stiefe geht das teils auf Stelzen ruhende Haus etwa 14 Meter in die Höhe.

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