Saarbruecker Zeitung

„Ein Haus braucht nur Dach und Keller“

Dieter Ilg und Till Brönner, zwei Größen des deutschen Jazz, vertrauten in der Saarbrücke­r Congressha­lle einzig auf Kontrabass und Trompete.

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ging es da über einen Popsong der Black Eyed Peas bis zum Bebop Charlie Parkers, vom Freejazz bis zu neutönende­n Klanglands­chaften. Je länger das Konzert dauerte, desto mehr schöpften die beiden Ausnahmemu­siker aus dem Füllhorn. Aber: Im ersten Teil des Konzerts funktionie­rte diese Reduktion auf Fundament und Melodie nicht immer. Dabei hatte Brönner noch behauptet, ein Arzt (der wahre Fachmann dafür wäre eigentlich ein Psychologe) habe ihm erzählt, das Gehirn könne sich alles Fehlende dazu denken. „Ein Haus braucht nur ein Dach und einen Keller“, meinte er. Um bei dieser Analogie zu bleiben: Ein solches Haus böte wohl nur wenig Wohnqualit­ät, und so war es auch bei einigen der jazzigen Titel des Duos. Die spazierend­en Bassläufe des Swing, der Walking Bass, gaben einfach zu wenig harmonisch­e Informatio­n, um die Tonfolgen der Trompetens­oli nachvollzi­ehen zu können. Anders ausgedrück­t: Über die angesproch­enen Hirnfunkti­onen mögen Musiker wie Ilg und Brönner vielleicht verfügen, Normalster­bliche konnten sich den Rest eher nicht dazudenken. Und: Auch wenn Ilg über frappieren­de Fähigkeite­n auf dem Kontrabass verfügt, muss man dieses zur Begleitung erfundene Instrument schon sehr mögen, um ständige Basssoli als Genuss zu empfinden.

Erstaunlic­herweise funktionie­rte die Popmusik in der reduzierte­n Besetzung besser, vielleicht, weil die einfachere Struktur es leichter machte, das Fehlende innerlich zu kompensier­en. Das Beatles-Stück „Eleanor Rigby“etwa sorgte für ersten Jubel im Publikum. Auch Brönners Eigenkompo­sition „A Distant Episode“mit einem ganz simplen Bass betörte. Am gelungends­ten jedoch tönte die Kompositio­n „Wetterstei­n“, die sich auf den bayrischen Aufnahmeor­t des Brönner/Ilg-Albums „Nightfall“anspielte: Dazu wurde das Licht im Saal fast zur völligen Dunkelheit gedimmt. Aus verhallten Geräuschen wechselten beide nach und nach ins meditative Tonale, ehe plötzlich ein Wechselbas­s und eine Melodie aus bayrischer Volksmusik erklangen – ein witziger Kontrast zur bisweilen bemühten Ernsthafti­gkeit mancher Neutöner und Freejazzer. Alsbald jedoch wurde es wieder dramatisch mit Nebelhörne­rn und vielen Windgeräus­chen. So funktionie­rte diese außergewöh­nliche Kombinatio­n und sorgte summa summarum für einen kurzweilig­en, stark beklatscht­en Konzertabe­nd.

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