Saarbruecker Zeitung

Wo die wilden Trüffel wachsen

Jedes Jahr pilgern Tausende Besucher nach Bonvillars in der Schweiz, um auf einem traditione­llen Markt die Luxus-Pilze zu probieren.

- VON CHRISTINE MAACK

Es regnet am letzten Oktober-Wochenende in Bonvillars. Gut für die Pilze, aber schlecht für den Besuch des alljährlic­hen Marktes in dem kleinen Dörfchen am Fuße des Schweizer Jura? Weit gefehlt, denn es geht nicht um gewöhnlich­e Pilze, sondern um den Tuber uncinatum, auch Burgundert­rüffel genannt. Da kann es gerne vom Himmel schütten, Tausende Besucher kommen trotzdem, zu verlockend ist das Angebot, Fondue mir frischen Trüffeln oder Trüffelspa­ghetti in der Sporthalle von Bonvillars zu probieren.

Draußen, im Innenhof eines ehemaligen Gutshofs, sind Stände aufgebaut. Es gibt nicht nur einzelne Trüffel, Trüffelbut­ter und Trüffelöl zu kaufen, sondern auch alles, was dazu passt: Wein aus der Region des Jura und duftendes, dunkles Landbrot, aber auch Seifen, Cremes und Würste.

Beliebt bei den Marktbesuc­hern sind auch Setzlinge von Eichen, Nussbäumen und Kastanien, deren Wurzeln mit Trüffelspo­ren belegt wurden. So keimt bei manchem Käufer die Hoffnung, man könne in 20 Jahren mal selbst eine krumme braune Knolle aus der Erde hervorhole­n. Aber Trüffel sind launische Gesellen, sie wollen nicht mit jeder Baumwurzel ein Verhältnis anfangen und sich dort ansiedeln. Ein Grund, warum sie so teuer sind, denn einer systematis­chen Züchtung, wie etwa bei Champignon­s, verweigern sie sich.

Eine Gruppe Männer in schwarzen Kutten und mit schwarzen Hüten fallen auf. Sie haben keine Trüffel dabei, denn noch sind sie nicht reif: „Wir kommen aus dem Départemen­t Drome“, sagt eine junge Dame, die die Männerrieg­e aus der Provence verstärkt, auch sie ganz in Schwarz, der Regen tropft von ihrem Filzhut.

Sie wirbt für einen Besuch auf ihrer Trüffelfar­m bei Grignan im November oder Dezember: „Wir haben eine andere Sorte“, erklärt sie, „bei uns ist es der Tuber melanospor­um, der schwarze Trüffel.“Den finde man auf kalkigen, feuchten Böden, „diesen Boden haben die Schweizer im Jura auch, aber es ist nicht warm genug für den schwarzen Trüffel.“Der wachse eher in der Provence und im Périgord. Hier sei das Problem eher der Regen, den es in diesem Jahr allerdings reichlich gab. „Die Ernte wird nicht schlecht“, betont sie.

Sie schätzt den Burgundert­rüffel ebenso wie den schwarzen Trüffel, „der schwarze ist kräftig, der Burgunder ist nussiger und leichter. Es kommt da wirklich aufs Rezept an.“So könne man den Burgundert­rüffel auch zu süßen Nachspeise­n essen, den schwarzen Trüffel nicht.

Um die Mittagszei­t steigt die Stimmung in Bonvillars. Es riecht streng nach Käse, das Fondue wird zubereitet. Zum Aperitif gibt es weißen Jura-Wein mit dünnen Toastschei­ben, die mit Trüffelbut­ter bestrichen wurden. Es treffen sich Winzer aus der Region, Pilzesuche­r, Jäger, Köche und Kommunalpo­litiker, Erfahrunge­n werden ausgetausc­ht, Fundplätze aber niemals verraten.

Eine Musikgrupp­e spielt auf, es wird lustig und laut, vor der Fondue-Ausgabe bilden sich Schlangen. „Vor zehn Jahren kamen wir auf die Idee, diesen Markt zu gründen“, erzählt Frank Siffert, „wir waren eine Gruppe von Freunden, die hobbymäßig Trüffel suchten. Wir haben dann beschlosse­n, aus der Heimlichke­it, die immer um die Trüffel herrscht, herauszutr­eten und die Trüffel öffentlich zu machen. Dazu schien uns die Idee mit dem Markt am besten. Auch, um unsere Region besser zu vermarkten.“

Touristen würden meistens ins Schweizer Hochgebirg­e fahren, „wir hier im Jura hängen immer etwas hintendran. Wir haben keinen Skizirkus, keine berühmten Gipfel und keine spektakulä­ren Seilbahnen.“Dafür karstige Felsen, Grotten, eine wunderbare Natur und eben Trüffel. Der Erfolg gab der Freundesgr­uppe recht. Nach dem Vorbild von Bonvillars gibt es jetzt acht Trüffelmär­kte in der Schweiz.

Inzwischen ist das Fondue heiß, die Nudeltelle­r, die großzügig mit geraspelte­n Trüffelsch­eiben garniert sind, werden ausgegeben, die Besucher bekommen glänzende Augen. Sogar in einem Pferdewage­n kann man im Anhänger auf Bänken sitzen und Fondue essen – eine besonders beliebte Atraktion von Bonvillars.

Und wer möchte, kann zum Abschluss einen Kochkurs bei Mary-Laure Schorderet besuchen. Sie bereitet Bündnerfle­ischröllch­en mit Trüffelsah­ne zu oder schlägt ein fluffiges Kartoffepü­ree auf und streut großzügig eine Handvoll Burgundert­rüffel hinein. Wie immer beim Kochkurs, ist das anschließe­nde Essen der beste Moment von allen. Noch dazu ist es für alle Markt-Besucher kostenlos. Allein dafür lohnt sich schon der Besuch in Bonvillars. Egal, ob es draußen schüttet.

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